Die Wutz rockte wieder

Erstellt am 11. Juli 2014 von Derspotnik @DerSpotnik
22 bis 26 Grad Außentemperatur, Sonnenschein und nur ein paar Wolken zum Abkühlen:  Zum dritten Mal hintereinander bewiesen die Veranstalter ein glückliches Händchen und legten das Umsonst-und-draußen-Festival auf ein sonniges Wochenende. Mit gleich zwei Bands aus Argentinien (nee, nicht wegen der WM; das Festivalgelände war erfrischend nationaltrikotarm!), Knallern aus Frankreich und der richtigen Prise Lokalkolorit versprach das Line-Up viel – und es ging gleich mächtig los. Drei Tage lang wurde die Sau am Eichbaumsee rausgelassen. Hier nur eine Auswahl von vielen Eindrücken.

Von Kerstin Völling

Wutzrock - wer es immer noch nicht kennen sollte-  ist das ältesteste Gratis-Open-Air Deutschlands. Es findet seit 1979 jedes Jahr in Hamburg-Bergedorf am Eichbaumsee statt. Die Organisatoren wenden sich damit auch gegen jegliche politische Rechtsaußen-Strömung. 2014 drücken sie unter dem Motto “Kein Mensch ist illegal” ihre besondere Solidarität mit den in Hamburg lebenden Lampedusa-Flüchtlingen aus. Die diesjährige Wutz (Miss Piggy auf Punk?) zeigt es uns: Zelten, Live-Bands, Kinderbespaßung, Poetry-Slam und eine Menge Infos über Initiativen gibt es unentgeltlich. Wutzrock finanziert sich über den Getränkeverkauf. 2013 gingen stolze 134 Hektoliter Flüssigbrot über die Theken. Die sorgen dafür, dass die Rechnungen auch in diesem Jahr wieder bezahlt werden können. Und deshalb ist es mega-uncool, wenn man gleich mit einem ganzen Laster voll Bier auf das Gelände brummt und ihn als “Eigenbedarf” deklariert! Zum Erfreulichen: Aller Anfang ist auch bei Wutzrock schwer. Ganz klasse bewährten sich aber Loifior und The Nostrils als Einheizer. Loifior nennen das, was sie machen “Post-Pop”.

Loifior

Hymnisch und schaurig-schön wird’s, wenn Sänger Raphael Kufner vom “Schleier” singt, der über der Stadt hängt, “die ich so satt hab”. “Die Mauern kommen näher…so erdrückend näher…”

huaauuuuuh, da kann man schon Gänsehaut bekommen! Unbedingt mal reinhören in das neue Album “Seelenbauten”. Die Jungs kommen übrigens aus Lüneburg – und haben bereits einen Auftritt unter anderem in Manchester (England, England…) hinter sich.

Ob das wohl Brüder sind?

Fehlt noch der Bassmann:

Dafür fand sich ein ansehnliches Publikum vor der Elb-Bühne (man achte auf die Farbe des Himmels!): Obwohl die Stimmung vor der kleineren See-Bühne auch nicht zu verachten war. Denn während die Mädels von “The Nostrils” mächtig abrockten… …gerieten die Jungens völlig aus dem Häuschen: Und weiter ging der Pogo: Weißte Bescheid! Ganz genau! Wie aus dem Nichts tauchte dann ein alter Bekannter auf. Erkennt ihr ihn? Jawohl, das ist Horst Milbrodt. Der wollte sich 2013 gar nicht zwischen Wacken und Wutzrock entscheiden und besuchte beide Festivals. Hier herzt er die 2013er Wutz: Ein Kuscheln mit Folgen: Milbrodt gefiel es im vergangenen Jahr so sehr am Eichbaumsee, dass er in diesem Jahr als einer der rund 300 freiwilligen Helfer zur Verfügung steht. Vorbildlich! In den vergangenen Tagen gab es Idyllisches… Familiäres…

…und auch Skurriles: So hat sich Thomas Küster zusammen mit ein paar Kumpels ein Floß samt aufmontierten 70er Jahre Sessel und Musik-Boxen selbst gebaut und ist damit aus Hamburg- Harburg bis zum Eichbaumsee geschippert. Auf seiner vierstündigen Tour durchquerte er die Süderelbe, den Reiherstieg, die Norderelbe und die Dove Elbe! Tag zwei bot ein volles Camp und erstmals die Gelegenheit, sich auf Drogen testen zu lassen. Das “Partyprojekt Odyssee” war dort zu finden, wo die Sonne leuchtete: Und das Angebot wurde auch angenommen: Die Teststreifen, die zum Selbstkostenpreis von zwei Euro bei Tim Bennewitz und Heike Becker (Foto unten) erworben werden konnten, fanden reißenden Absatz. Die Ergebnisse wurden erfragt, bleiben aber geheim! “Wir wollen hier keinen zum Drogenkonsum auffordern oder mit dem Zeigefinger aufklären”, erklärte Becker. Bei “Odyssee” handele es sich um ein Hilfsangebot. Auf Festivals kursierten nun einmal Drogen. Und den Drogenkonsum gebe es gewollt – aber auch ungewollt. Becker:  “Wenn jemand Hilfe braucht, weil er unterzuckert ist oder Vitamine fehlen, können wir sofort helfen.” Der Gebrauch von Ecstasy habe zudem oft eine Kieferstarre zur Folge. “Dagegen hilft Kaugummikauen.” Diese und andere Gummis erhielt man ebenfalls an der Odyssee-Theke. Außerdem viele Infos darüber, was passiert, wenn man unter Drogeneinfluss Auto fährt. “Wird man erwischt, ist der Führerschein weg”, so Becker. Und dann werde es langwierig und teuer. “Man muss erst nachweisen, dass man ein Jahr lang clean gewesen ist, bevor man den Fahrtest noch einmal machen darf.” Auch für die Kleinsten gab es wieder viel Angebot. Neben der Rutsche und dem Kinderschminken rollte diesmal auch ein Riesen-Erdball über den Platz. Die Crew hatte wieder alle Hände voll zu tun, um ihre Besucher zufriedenzustellen. Eine kurze Pause für ein Gruppenfoto hatten (v.l.) Geli, Anna, Hans und Sonja…. …bevor es dann auch gleich wieder an die Arbeit ging. Apropos Crew: Wer weiß eigentlich, dass Florian Heinrich der Booker von Wutzrock ist? Er ist genau genommen nicht nur der Booker von Wutzrock, sondern auch Drummer, in dieser Eigenschaft bekannt aus der Band Leilanautik. Hier sitzt er am Schlagzeug von Coca Candy. Ihm habt ihr die tollen Line-Ups zu verdanken:

Coca Candy spielten den Latin-Stil Cumbia. Sie brachten damit viel Süd-Feeling auf die Bühne…

…und begeisterten damit ihre Fans vor der (Elb-) Bühne.

Da mochte man gern ins Publikum träumen:

Coca Candy waren total stolz auf der gleichen Bühne zu stehen wie Bersuit Vergarabat. Die Band ist sehr beliebt in Argentinien und unterstützte die Arbeiter während der Argentinien-Krise musikalisch bei dem Kampf um die Übernahme und Selbstverwaltung stillgelegter Fabriken. Sie rockten das Festivalgelände komplett und luden eine Menge Mädels ein, auf die Bühne zu kommen und zu tanzen.

Mehr zu dem grandiosen Abend gibt es kommende Woche!