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Nicht zum ersten Mal beschäftige ich mich mit dem Kachelmann-Prozess; machen wir uns nichts vor, wenn irgendein Drehbuchautor diesen Stoff einem – noch nicht einmal besonders seriösen – Fernsehsender anbieten würde, der zuständige Redakteur würde schreiend weglaufen und die Frage stellen, wer sich einen solchen übertriebenen Unsinn ausgedacht hätte. Aber immer wieder überrascht das Leben mit Geschichten, die sich so bunt niemand ausdenken könnte.
Und die nächste skurrile Episode in der wohl unendlichen Geschichte steht uns bevor – und ich gebe zu, dass ich sie inzwischen nicht mehr immer ganz ernst nehmen kann, was mir trotz der durchaus bösen Folgen für die Beteiligten nicht übel genommen werden sollte – manche durchaus schlimmen Dinge sind nur mit einer Portion Humor zu kommentieren; auch nehme man mir ein klein bisschen künstlerische Freiheit nicht krumm, es ist der Freude am Absurden geschuldet.
Kommen wir also auf das, was im laufenden Prozess geplant ist: ein Ausflug des Gerichts in die schweizer Bergwelt (kein Wunder, dass Herr Rechtsanwalt Schwenn vorher noch einmal die wirklich grosse, weite Welt sucht und in Australien findet). Doch auch so eine „Winterfrische“ kann seinen Reiz für alle Beteiligten haben, denn dort in der Heimat des uns ja schon in Kindertagen äusserst suspekten Alm-Öhis soll nun eine weitere Gespielin des angeklagten Wetterfroschs angehört werden, also auch eine Dame, die ihn geküsst hat und trotzdem ohne Prinz aufgewacht ist .
Bei der neuen Zeugin (die ja so ein bisschen auftaucht wie der Mörder bei einem durchschnittlichen Derrick-Film 5 Minuten vor dem Ende der Folge – kurz nachdem Harry den Wagen geholt hat) handelt es sich um eine in der Schweiz recht bekannte Fotografin, die wohl in erster Linie im Prominentenbereich arbeitet; vielleicht ist es ein wenig weit hergeholt, sie als Paparazza (wäre das die richtige weibliche Form?) zu bezeichnen, aber sie ist wohl fest angestellt beim Blick, dem Pendant zu unserer Bildzeitung. In ihrer beruflichen Tätigkeit hat sie K. kennen- und – na, kann man seine Beziehungen mit einem solchen Wort bezeichnen? – „lieben“ gelernt, und das Techtelmechtel muss jedenfalls bis Januar 2010 gegangen sein.
Als er verhaftet wurde, waren es ihre Bilder, die von ihm zusammen mit den Berichten über ihn in der Schweiz veröffentlicht wurden, trotzdem wurde aber die Beziehung zwischen ihr und dem Wettermann nicht publik – und war es wohl auch nicht in der Schweiz vor der ganzen Affäre.
Erst den umfänglichen Recherchen unseres allseits beliebten Lars Torben Oltrogge (für die Uninformierten: das ist der mannheimer Staatsanwalt mit der wehenden Haarpracht, ich gebe zu, er ist mir nicht sympathisch) ist es zu verdanken, dass ihre Telefonnummer bekannt wurde, denn in akribischer Kleinarbeit auf Kosten der Staatskasse wurden die Handys von Herrn Kachelmann geknackt (wieso hatte der eigentlich drei?), und da kamen dann neben den gefühlten 100000 schon bekannten Gespielinnen (ist hier ja inzwischen ein bisschen wie bei Iglesias oder Jagger) noch mindestens 10000 weitere hinzu …
Aber frisch ans Werk, da hat unser Lausemann – ach Quatsch, Larsemann, man kommt ja langsam ganz durcheinander, wenn man nicht über das bewunderswerte Organisationstalent des Angeklagten verfügt - gleich zum Hörer gegriffen und so auch unsere Alpen-Schönheit (das wird sie ja wohl sein, wenn man sich mal die Galerie der schon Verflossenen des Herrn Kachelmann selbst ohne Neid anschaut) angerufen…
Was kam bei diesem Telefonat (das man zunächst längere Zeit unter Verschluss gehalten hat, wenn ich es richtig im Kopf habe) heraus? Im Januar 2010 soll es zwischen ihr und dem Angeklagten zum GV gekommen sein; bei diesem Anlass habe sich selbiger von dem braven Wetterfrosch nicht etwa erhofftermassen in einen Prinz, sondern unglücklicherweise in einen Bösewicht verwandelt. Dies habe sie (die Froschküsserin) so schwer traumatisiert, dass sie ihn direkt im Anschluss endgültig sozusagen zurück in seinen Lausemädchenteich verbannt und sich selbst ein paar Wochen in den Krankenstand versetzt habe.
Nun, eine Geschichte, die nicht nur wie die Faust aufs Auge der Anklage, sondern eben auch direkt auf das des Herrn K. passt.
So weit, so schlecht für den Angeklagten, und schon frohlockte Lars Torben Oltrogge über seinen bevorstehenden „lucky punch“, auf den er nun hoffen konnte. Aber halt, nicht nur RA Schwenn rieb sich ob der Story verwundert die Augen, sondern sogar die Bild – immerhin inzwischen mit einer respektablen Gerichtsreporterin ausgestattet und erst seit kurzem in der (un)geordneten Schwenkbewegung weg von der Vorverurteilung des Angeklagten hin zu einer recht ausgewogenen Berichterstattung: schnell fand man dort heraus, dass sich der Angeklagte zum angeblichen Vorfallstage in Wengen beim Lauberhornrennen befunden habe und deswegen doch erhebliche Zweifel an der Durchführung des GV mit der Fotografin von der Alpenkonkurrenz bestehen würden. Genährt wurden die Zweifel noch durch den Umstand, dass das angeblich wochenlang arbeitsunfähige Ex-Lausemädchen schon am übernächsten Tag wild knipsend ihrer Arbeit nachging – und zwar nicht nur an diesem, sondern auch noch an den darauffolgenden Tagen.
Nun, alles nicht so schön für die Beteiligten, und ein bisschen wird man den Verdacht nicht los, dass auch die Bergschönheit durchaus ihre Zweifel hegte, ob eine Aussage vor Gericht so der passende weitere Lebensweg für sie sei; in Deutschland jedenfalls, da wollte sie nicht erscheinen – immerhin ist sie ja diejenige, die sonst die Promis fotografiert, da muss sie ja nun nicht selbst das Opfer der Paparazzi-Gilde werden. Schöner Nebeneffekt dieser durch das Recht gedeckten Verweigerung der Anreise wäre natürlich auch, dass sie sich nicht den peinlichen Fragen des RA Schwenn stellen müsste – und auch der Ex-“Prinz in spe“ würde sich sicherlich den ein oder anderen Schweisstropfen ersparen können, wenn er nicht noch einer weiteren der vielen von ihm Betrogenen vor Gericht Auge in Auge begegnen müsste.
Und so hätte diese ganze Episode – mit all ihren kleinen Fragezeichen – in Stille geruht, wenn nicht Lars Torben Oltrogge unbedingt mal in die Schweiz gewollt hätte – und ja auch so recht der Einzige ist, der bei einem endgültigen Verzicht auf die Zeugin schlecht weg käme; frei nach dem Motto: „…und kommst Du nicht zu mir, dann komme ich zu Dir“, bediente er sich der Rechtshilfe und stellte einen (von seinem dortigen Berufskollegen süffisant als ungewöhnlich bezeichneten) Antrag auf Vernehmung in der Schweiz (Jaja, ich weiss, ganz genau war es das Gericht, dass den Antrag auf sein Betreiben hin stellte, aber man kann sich doch inzwischen nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass die kolportieren schmerzverzerrten Züge der Berichterstatterin der Kammer gar nicht an RA Schwenn liegen, sondern an ihrer immer grösseren Unlust, diesen Prozess weiter ertragen zu müssen – und so dürfte das Gericht gezwungenermassen den Antrag gestellt haben).
Dem Antrag ist wohl auch inzwischen seitens der dortigen Obrigkeit stattgegeben worden, und so harrt jetzt das geneigte Publikum – und die beteiligten Gerichtskreise -, ob ein Einspruch der aussageunwilligen Zeugin eintrifft. Diesen müsste dann die Justiz hoch oben in den Bergen bescheiden, und dabei wird sie sicherlich bedenken müssen, ob die Zeugin vielleicht Möglichkeiten hat, die Aussage zu verweigern: da bietet die Schweiz neben dem deutschen Arsenal (es wurde ja umfänglich erörtert, als der Vorsitzende in Mannheim sich zierte, über die einschlägigen Normen frühzeitig zu belehren, wir erinnern uns dunkel….) noch die zusätzliche Möglichkeit, die Aussage als Opfer einer Sexualstraftat zu verweigern – und sollte sie diese Karte sozusagen als Ass aus dem Ärmel zaubern, steht das Gericht in Mannheim vor der nächsten spannenden Frage – wie ist denn das dann nach deutschem Recht zu bewerten?
Warten wir also ab, was nun geschieht, und sind wir froh: es kommen wieder andere Zeiten im Kachelmann-Prozess, das Gericht wird uns nicht länger langweilen mit Verhandlungstagen hinter verschlossenen Türen, in denen DVDs geguckt werden; demnächst passieren wieder aufregende Dinge, auch RA Schwenn hat sicherlich noch ein paar Kunststücke in der Hinterhand, und Lars Torben Oltrogge macht uns Mut, denn er hat ja schon standesgemäss in die Mikrofone der begierig auf ihn vor der verschlossenen Tür wartenden Journalisten eine Verlängerung des Prozesses über Ende März hinaus in Aussicht gestellt: im Frühjahr ist also noch lange nicht Schluss, noch in warmen Sommernächten werden wir uns die Köpfe heiss reden über den Wetterfrosch und seine Lausemädchen.