Jean und Glen Taylor leben ein geruhsames, fast schon biederes Eheleben in einer Kleinstadt bei London. Jean vertraut ihrem Mann in allem; das, was er sagt, wird getan und gedacht. Lediglich der Umstand, dass sie keine Kinder kriegen können, betrübt das Eheglück. Da verschwindet eines Tages die zweijährige Bella spurlos vom Grundstück ihres Elternhauses. Sehr bald wird Glen der Kindsentführung verdächtigt. Plötzlich wird er als Monster bezeichnet und die Presse umlagert das Haus der Taylors. Auch als er in einem spektakulären Prozess freigesprochen wird, kann er diese Verdächtigungen nie ganz aus der Welt schaffen. Und es bleibt weiterhin unklar, ob und was die Ehefrau weiß
Zwei Jahre später kommt er bei einem Unfall ums Leben, fast schon begeistert rollte die Presse und die Polizei wieder auf. Denn nun ist Jean frei und könnte sprechen.
Aber die Witwe schweigt. Und das kann niemand verstehen.
Fiona Barton
Leider konnte ich über die aus Cambridge stammende Autorin nicht viel erfahren, außer dass sie jahrelang als Gerichtsreporterin und Prozessbeobachterin gearbeitet hat. Das vorliegende Buch ist ihre erste Veröffentlichung.
Die Protagonisten
In den Buchvorstellungen und im Klappentext werden einzeln die Protagonisten vorgestellt, um ihnen eine gleichberechtigte Rolle zu verleihen. Ich versuche es hier einmal in meinen eigenen Worten:
Jean Taylor, die Ehefrau und die Witwe
In ihrer Rolle als hingebungsvolle Ehefrau scheint sie fast ein Dummchen zu sein. Aber es steckt mehr in ihr, als alle – auch ihr Mann – ahnen. Denn niemand ist so stark, wie eine liebende Frau.
Glen Taylor, der Ehemann und der Beschuldigte
Glen ist ein Gernegroß und Loser, aber für seine Frau ist er der ganz große Held. Doch steckt in ihm ein Kinderschänder und Mörder oder ist er nur ein unschuldiges Opfer in einem verhängnissvollen Indizienprozess?
Bob Sparkles, der Inspektor
Der Fall der verschwundenen Bella verlangt dem Inspektor Bob Sparkles wirklich alles ab und kostet ihn fast seine Karriere.
Kate Waters, die Journalistin
Unter der ganzen Pressemeute ist Kate Waters die einzige Journalistin, die nach dem Tod von Glen anscheinend das Vertrauen von Jean erlangt. Aber auch sie täuscht sich.
Die Geschichte wird abwechselnd vom Standpunkt der einzelnen Protagonisten erzählt.
Die Witwe – Meine Meinung
Das Buch ist nicht nur ein Krimi, der sich mit einem kaum lösbaren Fall aus dem weiteren Umfeld der Kinderpornografie befasst. Dieses Buch ist auch ein sehr tiefgehendes Psychogram über eine Ehefrau. Jean wirkt über weite Strecken hinweg, als wäre sie in einer unheilvollen Ehe gefangen. Und sie leidet stoisch unter den Anschuldigen, den polizeilichen Ermittlungen und nicht zuletzt unter der gnadenlosen Presse und dem aufgeheizten Mob. Aber mehr und mehr entwickelt sie eine Art subtile Stärke und diese behutsame Darstellung dieser Metamorphose halte ich für sehr gelungen. Demgegenüber müssen Charaktere, wie der von Kate, der ewig auf der Suche nach einer großen Story hetzenden Journalisten und auch der verbissen ermittelnde Bob verblassen. Doch das macht sie nicht weniger authentisch.
Die Beweggründe des Täters (und ich möchte hier nicht zu viel verraten) sind für mich schwer nachvollziehbar, vielleicht weil ich mich in dieses Gefühl der Macht nicht eindenken mag.
Für mich gehört dieses Buch zu den Entdeckungen des Jahres 2016.
Bibliografisches
- Titel: Die Witwe
- Autor: Fiona Barton, Sabine Längsfeld (Übersetzung)
- Originaltitel: The Widow
- Broschiert: 432 Seiten
- Verlag: Wunderlich; Auflage: Deutsche Erstausgabe (21. Mai 2016)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3805250975
- Preis: 14,99 € (Kindle), 16,99 € (Broschiert), 16,99 € (Audio-CD)
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Mit dieser Rezension beteilige ich mich an Daggis Buchchallenge 2016, Aufgabe 54: Lese ein Buch mit mindestens 400 Seiten.