Wenn man Fernsehsendungen, Magazinen, Zeitschriften und manchen Blogs glauben mag, so muss man Ausdauersport treiben um erfolgreich abzunehmen. Joggen wird auf Platz 1 geführt. Anschließend folgen Nordic Walking und Fahrradfahren.
Es sind tolle Möglichkeiten um sich sportliche zu betätigen, keine Frage. Damit hält man sich fit und tut etwas gutes für das Herz-Kreislauf-System. Es kann das Abnehmen natürlich unterstützen, sofern das (Über-) Gewicht es zulässt.
Beim abnehmen geht es aber um mehr als um die überflüssigen Pfunde loszuwerden. Gerade bei (extrem) schwer Übergewichtigen sollte ein gut durchdachter Trainingsplan für den gezielten Muskelaufbau auf dem Programm stehen.
Der Unterschied zwischen Personen mit 20kg und 100kg Übergewicht ist, dass (extrem) schwer Übergewichtige stark an Bewegungsmangel leiden. In Verbindung mit dem hohen Gewicht führt das früher oder später zu gravierenden Problemen. Schon allein das Spazierengehen stellt für viele eine Herausforderung dar. Aber auch das Aufstehen vom Sofa o.ä. ist für die meisten (extrem) schwer Übergewichtigen eine sehr hohe Belastung. Mit jedem Kilo mehr auf den Hüften wird das Leben erschwert. Statt Treppenlaufen wird der Aufzug genutzt und für ein paar Meter zum Supermarkt nimmt man lieber das Auto statt zu laufen. Bei einem hohen Gewicht ist das oft aber auch nicht mehr anders machbar. Ich kann es ihnen nachempfinden. Es ist nicht einfach so zu leben!
Hier die Menschen für ein Ausdauertraining zu begeistern oder gar aufzufordern macht genauso viel Sinn wie einem kleinen Jungen eine große Schokotorte vorzusetzen und zu sagen, “Du darfst nur ein Stück davon essen”.
Krafttraining ist für jeden Körpertyp geeignet und hat viele Vorteile. Das Aussehen steht hier im Hintergrund. Denn das Krafttraining macht aus niemandem einfach so einen Arnold Schwarzenegger. Dazu braucht es mehr als nur das Training.
Das Krafttraining bereichert unser Leben in vielen Bereichen. Wie? Dazu komme ich jetzt.
Krafttraining vs. Ausdauersport
Was das Krafttraining angeht nutze ich gerne den Vergleich zwischen einem Marathonläufer und Sprinter. Hier sieht man auf den ersten Blick den enormen Unterschied beider Sportarten.
Marathonläufer sind reine Ausdauersportler. Sie sind gertenschlank, haben Ausdauer und können laufen, laufen, laufen. Aber obwohl sie so viel Sport treiben ist der Körper nicht straff und wirkt eher unsportlich und schlaff.
Die Sprinter hingegen versprühen genau das was für die meisten einen Sportler ausmacht. Einen straffen und muskulösen Körper mit enormer Kraft und Ausdauer.
Und jetzt meine Frage an Dich: Möchtest Du lieber wie ein Marathonläufer oder wie ein Sprinter aussehen?
Vorteile von Krafttraining
Krafttraining bietet uns Menschen viel mehr als nur einen Sixpack oder dicke Oberarme. Das beginnt schon bei einfachen Alltagssituationen wie Treppen steigen, laufen, bücken, aufstehen, Kiste Wasser tragen etc. Mit einem gut durchdachten Trainingsplan erhalten wir unserer Flexibilität und Stabilität des Körpers.
Das rückt beim abnehmen irgendwie immer völlig in den Hintergrund. Aber genau das ist es doch was wir alle anstreben, einen gesunden und stabilen (kräftigen) Körper; bis ins hohe Alter.
Ein regelmäßiges Krafttraining unterstützt die Fettverbrennung, regt den Stoffwechsel an, steigert den Grundumsatz, beugt Herz-Kreislauf-Problemen, hohem Blutdruck, Diabetes und Arthritis vor.
Die Anaerobe Ausdauer Schwelle steigt und das Krafttraining stärkt die gesamte Skelettmuskulatur. Aber nicht nur die Muskeln passen sich den Reizen an sondern auch Bänder und Sehnen. Bei konsequentem Widerstandstraining werden die Muskeln nicht nur größer sondern auch stärker. Krafttraining stärkt aber zugleich auch die Knochen. Denn mit dem Muskelaubau wird auch Knochenmasse aufgebaut. Die Prävention gegen Osteoporose!
Besonders bei älteren Menschen ist ein Krafttraining unverzichtbar. Es verbessert das Gleichgewichtsgefühl und senkt das Frakturrisiko. Dadurch fühlen sich ältere Menschen sicherer im Alltag und gewinnen wieder Freude an der Bewegung.
Doch Krafttraining kann noch mehr. Es verbessert die Libido, die körperliche Ausdauer und der Körper schüttet nach dem Krafttraining vermehrt Endorphine (Glücksgefühle) aus. Das beugt Depressionen vor und ist ein gutes Mittel gegen Stress. Besonders in den Herbst- und Wintermonaten ein guter Weg dem grauen Wetter und Depressionen zu entflienen.
Ein weiteres wichtiges Merkmale ist, dass ein regelmäßiges Krafttraining das zentrale Nervensystem (ZNS) auf die antrainierte Leistung programmiert.
Aber es gibt Personen die stur darauf beharren Ausdauertraining wie Fahrradfahren genüge um Muskulatur aufzubauen.
Darauf habe ich nur eine Anwort (Gegenfrage): Wenn dem so ist, weshalb therapiert man eine Person z.B. nach einer Oberschenkel-Fraktur (Knochenbruch) in einem Reha-Zentrum mit gezieltem Muskelaufbau und nicht mit Fahrradfahren?
Natürlich, ein professioneller Fahrradfahrer hat kräftige Oberschenkel. Doch darf man hier nicht vergessen, dass auch ein gezieltes Krafttraining zu seinem Trainingsplan gehört.
Auch der Schwimmer unterstützt sein Schwimmtraining mit gezieltem Krafttraining.
Die wichtigsten Muskelgruppen für den Muskelaufbau
Schulter/Nacken/Arme: Die Schulter- und Nackenmuskulatur vernachlässigen wir gerne obwohl wir sie täglich bis über ihre Grenzen hinaus strapazieren. Beim schlafen, vor dem Computer, auf dem Sofa vor dem Fernseher etc. In allen Situationen nehmen wir bewusst oder unbewusst eine bestimmte Haltung ein (Schonhaltung), welches uns am gemütlichsten erscheint.
Verspannungen sind oft vorprogrammiert. Schulter-, Nacken-, Rücken- und Kopfschmerzen sind die Folge. Bei (extrem) schwer Übergewichtigen kommt noch das hohe Gewicht dazu, die die Belastungen der Muskulatur und Gelenke erhöhen.
Ein gut trainierter Bizeps zieht in Verbindung mit einem gut trainierten Trizeps alle Blicke auf sich. Doch die Armmuskulatur kann noch mehr als nur gut aussehen. Der Bizeps sorgt dafür, dass wir den Arm beugen können. Der Trizeps ist der Gegenspieler und sorgt dafür, dass wir den Arm strecken können. Die vielen Muskeln und Sehnen im Unterarm sorgen dafür, dass wir Hände und Finger bewegen können.
Rücken: Das Top Thema überhaupt wenn es um Schmerzen geht. Rückenschmerzen gehört heute zu den Volksleiden. Strapazierte Muskeln (Verspannungen) und Bänder oder auch der Verschleiß der Bandscheiben sind oft die Ursache. Die Schmerzen können in Arme, Beine, Schulter bis hin zum Kopf ausstrahlen. Es gibt viele Risikofaktoren. Das Sofa, Bett, der Arbeitsplatz, der LKW Sitz etc. Bei (extrem) schwer Übergewichtigen kommt noch das hohe Gewicht und der Bewegungsmangel dazu. Besonders die Bandscheiben werden beim sitzen und liegen enorm belastet.
Beine: Sie tragen uns überall hin. Beim Laufen, Springen, Treppen steigen etc. Sie stützen die ganze Last und um diese sollten wir uns besonders gut kümmern. Denn wie viel laufen wir heute noch? Viel zu wenig. Wer seine Gelenke nicht geschmeidig hält, und die Muskulatur nicht stets trainiert wird früher oder später mit Gelenken und Bändern and Knie- und Sprunggelenken Probleme bekommen. Da gibt es kein wenn und aber! Doch Schmerzen können auch die Gesäßmuskulatur und Hüfte treffen. Ursachen sind meist einseitige Überbelastung sowie falsches bücken etc.
Besonders Menschen die einer sitzenden oder stehenden Tätigkeit nachgehen kann ich ein gezieltes Beintraining empfehlen. Soweit das Körpergewicht es zulässt kann das u.a. Joggen, Fahrradfahren und auch Nordic Walking sein. Ein zusätzliches Training mit dem Körpergewicht und/oder mit Trainingsgewichten empfehle ich jedem Körpertyp.
Brust/Bauch: Die Bauchmuskulatur unterstützt die Rumpf- und Rückenmuskulatur und ist der wichtigste Gegenspieler der Rückenmuskulatur. Die Bauchmuskeln arbeiten bei bestimmter Haltung/Bewegung mit anderen Muskeln bzw. Muskelgruppen zusammen. Sie entlasten und stabilisieren die Wirbelsäule und unterstützen Muskeln bei der Atmung. Mit der Bauchpresse z.B. lassen sich der Druck auf die Bandscheiben im Bereich der LWS senken. Das ist besonders wichtig wenn man schwere Dinge wie z.B. eine Kiste Wasser trägt.
Für die Stabilität des Körpers ist auch die Brustmuskulatur enorm wichtig. Sie bedeckt den gesamten vorderen Rippenbereich, zieht dem Arm zum Körper, bewirkt eine innenrotation und zieht ihn nach vorne. Außerdem unterstützt die Brustmuskulatur die Atemmuskulatur.
Fazit
Die wichtigsten Muskelgruppen für Muskelaufbau bei (extrem) schwer Übergewichtigen ist der gesamte Körper und nicht weniger.
Die Menschen hier einfach auf ein Fahrrad zu setzen und zu behaupten, dies genüge um genügend Muskeln aufzubauen ist purer Nonsens. Falls so ein Rat von einem (selbsternannten) Fachmann wie einem Fitness- bzw. Personal Trainer kommt ist dies m.E. grob Fahrlässig.
Grob Fahrlässig es ist ebenfalls (extrem) schwer Übergewichtige zum Joggen zu animieren. Die Knochen, Gelenke, Bänder, Sehnen und die Muskeln sind für derartige Überbelastung nicht trainiert. Junge Menschen merken heute noch nicht wie sehr sie ihren Körper belasten. Aber spätestens ab dem 30. Lebensjahr spürt man die Fehler aus der Vergangenheit.
Ich weiß, als (extrem) schwer Übergewichtiger ist es nicht einfach sich zu einem Gang in ein Fitnessstudio zu motivieren. Doch was hast Du schon zu verlieren? Nichts; außer den Kilos!
Du gehst zum einkaufen, du gehst in Restaurants, du gehst arbeiten und überall sehen dich die Menschen. In einem Fitnessstudio fällst Du natürlich mit Deiner Körperfülle auf. Das mag manche dazu bewegen Dich anzustarren. Sie werden auch über Dich sprechen. Schließlich ist es, wie paradox es auch klingen mag, nicht normal einen (extrem) schwer Übergewichtigen in einem Fitnessstudio zu sehen.
Lass sie starren und über dich reden. Du hast ein Ziel vor Augen und genau darauf solltest Du Deinen Fokus legen. Keiner von den “perfekten” die in einem Fitnessstudio über Dich oder mich lachen, würde einen Tag in unserer Haut überstehen. Und glaube mir wenn ich sage, dass diejenigen die über Dich und mich lachen auch über “schlanke” lachen.
Solchen Idioten und selbsternannten Abnehm-Gurus die Menschen mit 100kg Übergewicht zum Joggen schicken würde ich gerne einen Fatsuit (Fettanzug) anziehen und sie über den Tag begleiten. Mehr dazu wird es in den kommenden Tagen in einen separaten Artikel geben indem ich näher auf dieses Thema eingehe!
Lass Dir von anderen Menschen nicht Dein Leben bestimmen. Ich trainiere 4-5 mal wöchentlich in zwei verschiedenen Fitnessstudios. Bisher hat mich weder jemand angestarrt, mich ausgelacht oder sonstiges.
Es ist eine Überwindung für Dich, das verstehe ich. Aber probiere es doch wenigstens für eine kurze Zeit bevor Du es komplett abhakst. Du brauchst ja nicht sofort einen Jahresvertrag unterschreiben. Sprich mit der Studioleitung bzw. mit dem Inhaber. Jedes Studio bietet eine Schnupperwoche o.ä. an. Das kannst Du auch sicherlich auch auf zwei Wochen ausweiten und sehen wie Du Dich dabei fühlst. Du wirst Dich wundern wie viele nette Menschen Du in einem Fitnessstudio kennen lernen kannst.
Schon nach einem Monat sieht die Welt anders aus!
Muskelaufbau ist enorm wichtig, vernachlässige es nicht.
Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg beim abnehmen.