Hier auf dem interaktionsblog.de findet ihr regelmäßig wertvolle Tipps rund um die Körpersprache. Doch über die wichtigste Voraussetzung, um diese Tipps tatsächlich auch umsetzen zu können, habe ich bisher noch nie geschrieben. Dies hole ich heute nach.
Bild: Nathan O’Nions
- Wie erkennt ihr, dass jemand lügt?
- Wie erkennt ihr, ob ein Verkäufer wirklich nicht mehr Preisnachlass geben kann?
- Wie erkennt ihr Blockade-Reaktionen eures Gesprächspartners rechtzeitig?
- Wie deutet ihr Kontaktsignale?
- Was verstehen wir unter Distanzverhalten und was ist Revierverhalten?
Das Beantworten dieser Fragen ist manchmal gar nicht so leicht.
Die Signale, die andere Menschen ausstrahlen und mit denen sie – bewusst oder unbewusst – zeigen, was sie denken, sind zwar meistens sehr einfach zu sehen: Wir sehen, wenn jemand seine Lippen zusammenpresst, wir sehen, wenn sich jemand mit der Hand an den Hals fasst und wir sehen auch, wenn jemand seine Fußposition ändert.
Doch manchmal sehen wir – und sehen doch nicht. Wir sehen die Veränderung in der Körpersprache des Gegenübers, doch wir wissen nicht, was sie zu bedeuten hat.
Wir sehen, aber verstehen nicht.
Und manchmal sind die Signale so subtil, dass wir sie nur mit einiger Übung erkennen:
- Siehst du das Zögern seiner Hand, wenn er nach dem Glas greift?
- Siehst du, wie er den Inhalt des Glases für einen Sekundenbruchteil genau mustert?
- Spricht er momentan rascher als gewöhnlich? Oder höher?
- Weicht sein Körper leicht zurück, als er deine Frage beantwortet?
- Lächelt er nur mit dem Mund oder auch mit den Augen?
Der Unterschied zwischen Sehen und Beobachten
Wenn es um das Deuten der Körpersprache geht, lautet einer der wichtigsten Ratschläge:
Bilde dir kein zu frühes Urteil, sondern beobachte genau.
Es braucht viel Übung, um ein guter Beobachter zu sein.
Gibt es in deinem Haus eine Treppe? Stell dir diese Treppe nun in Gedanken vor. Wie oft benutzt du diese Treppe? Täglich? Mehrmals täglich? Bestimmt bist du schon einige hundert Male über diese Treppe gelaufen. Kannst du mir sagen, wie viele Stufen sie zählt? Oder kannst du mir die Pflanze beschreiben, die im Treppenhaus steht?
Vielen Menschen fällt die Beantwortung dieser Fragen schwer. Sie gehen zwar täglich über die Treppen, beobachten die kleinen Details aber nicht. Doch das ist reine Übungssache!
Menschen beobachten
Wenn ihr einen bestimmten Menschen lange genug aufmerksam beobachtet, werdet ihr mit der Zeit seine Baseline erkennen. Ihr werdet herausfinden, wie er sich üblicherweise bewegt, in welcher Stimmlage er spricht, wie sein Sprechtempo ist und wie sein echtes Lächeln aussieht.
Wenn ihr einen Menschen gut beobachtet habt, kennt ihr den Unterschied in seinem Tonfall, wenn er aufgeregt ist oder wenn er ängstlich/besorgt ist.
Übung macht den Meister
Kenntnisse der Körpersprache sind in jeder Lebenslage von großem Nutzen. Das hat den Vorteil, dass wir überall Gelegenheit haben, ein wenig zu üben.
Wir können überall Menschen beobachten, sei es im Café, im Büro, beim großen Familientreffen oder in der Bahn.
Nutzt diese Möglichkeit!
Euch sitzt eine Person gegenüber, deren Hosenbeine unten am Saum rund 5 Zentimeter hoch komplett nass sind. Was könnte das zu bedeuten haben? Regnet es draußen und die Person ist möglicherweise in eine tiefe Pfütze getreten? Oder ist es ein heißer Sommertag und die Person hat sich womöglich in einem Bach erfrischt? Welchem “Milieu” ordnet ihr die Person zu: Ist es ein Bauarbeiter, ein Büroangestellter, ein Schüler oder ein Obdachloser?
Was könnte die Person, die euch in der Bahn gegenüber sitzt, als nächstes vorhaben? Sucht nach Hinweisen! Ist die Person sehr schick gekleidet und geht möglicherweise zu einem Vorstellungsgespräch? Oder erkennt man unter ihrem Top ein Bikini-Oberteil; ein Hinweis darauf, dass sie unterwegs ist zum nächsten Baggersee? Vielleicht aber deutet das Fachbuch, welches das Gegenüber liest, darauf hin, dass die Person unterwegs ist zur Uni.
Nutzt jede Gelegenheit, die ihr habt, um eure Beobachtungsfähigkeiten zu trainieren! Wenn ihr Körpersprache-Experten werden wollt, ist dies von enormer Wichtigkeit.
Die Körpersprache ist von Mensch zu Mensch verschieden. Je nach Herkunft und kulturellem Hintergrund variiert sie. Außerdem gibt es Unterschiede zwischen Mann und Frau, Erwachsenen und Kindern oder Unterschiede, die sich aus Status und Rolle der Person ergeben. Lernt diese Unterschiede durch genaues Beobachten kennen!
Die liebe Verwandtschaft
Unterschiede gibt es auch innerhalb eurer Verwandtschaft. Nicht jede Verwandtschaft ist so schlimm, wie ich sie in meinem Weihnachtsartikel beschrieben habe. Manche Verwandte treffen wir sogar sehr gerne. Doch kennen wir auch deren typische Körpersprache?
Wenn wir zum Beispiel wissen, dass Onkel Hans üblicherweise eine sehr feine, leicht lesbare, geschwungene Handschrift hat, können wir uns die Frage stellen, was es wohl zu bedeuten hat, wenn er plötzlich ganz schluderig schreibt.
Und Tante Martha beantwortet Fragen normalerweise sehr rasch. Doch diesmal machte sie vor ihrer Antwort eine deutliche Pause. Was hat das zu bedeuten?
Solche Abweichungen wie in den Beispielen mit Hans und Martha erkennen wir nur, wenn wir die Baseline (das übliche Verhalten) der entsprechenden Person kennen.
Wenn ihr ein wenig Englisch versteht, könnte euch der folgende Ausschnitt aus Men In Black noch interessieren. Er handelt ebenfalls vom Unterschied zwischen Sehen und Beobachten:
Fazit
Die wichtigste Voraussetzung zur Deutung der Körpersprache ist eine ausgezeichnet trainierte Beobachtungsgabe. Glücklicherweise haben wir rund um die Uhr die Möglichkeit, dies zu trainieren. Nutzt jede Gelegenheit, eure Beobachtungsgabe zu schärfen. Ihr könnt das überall tun, an jedem Ort, zu jeder Zeit; denn wir sind meistens von Menschen umgeben.
Und wenn ihr noch tiefer in das Thema eintauchen möchtet, empfehle ich euch die beiden Bücher des ehemaligen deutschen Geheimagenten Leo Martin (mit Klick auf die Links könnt ihr die ersten Seiten kostenlos lesen):