Eine Geschichte über die wahre echte Liebe
Einst verliebte sich ein Frosch in eine Maus und auch die Maus fand an dem Frosch Gefallen und erwiderte seine Liebe.
Beide hatten sehr verschiedene Arten zu leben und hatten sich viel zu erzählen.Des Abends, wenn sie zusammensaßen, erzählte der Frosch von seinem tiefen Teich undall den Dingen, die es darin zu sehen und zu finden gab.
Er erzählte von den Fischen und dem alten Seehecht, der auf dem Grund des Teiches lebteund all den Gefahren, die er schon durchgestanden hatte.
Die Maus liebte diese Geschichten, die sie faszinierend und spannend fand. Sie konnte ihmeinfach stundenlang zuhören.
Sie erzählte ihrerseits davon, wie man gefräßigen Katzen entkommt, sich Vorräte für denWinter zusammensammelt und tiefe Gänge in die Erde gräbt, und dass es gut ist, immereinen zusätzlichen Gang zu graben, falls der Hauptgang einmal verschüttet ist oder geradeein bedrohlicher Feind davor wartet.
Manchmal ist es einfach gut, wenn man durch einen Hinterausgang verschwinden kann.Wie sie so erzählten, kam der Frosch auf den Gedanken, die Maus könne ihm einmal durchden Hinterausgang entschwinden, und da er sie doch so sehr liebte, begann er zunehmendunruhiger zu werden.
Dies merkte die Maus und fragte den Frosch, was ihn beunruhige. Der Frosch mochte esnicht so recht erklären, sprach aber schließlich: „Weißt Du, manchmal bekomme ich Angst,wir könnten uns verlieren, und ich liebe Dich doch so!“
„Ach, diese Angst habe ich auch manchmal“, sprach da die Maus, denn sie fürchtete, derFrosch könne ihr irgendwann entspringen und auf Nimmerwiedersehen in den tiefen Teichabtauchen.
„Aber wir könnten doch unsere Hände zusammenbinden, dann könnten wir uns nieverlieren“, sprach der Frosch und der Maus war es nur recht, und so banden sie ihre Händezusammen, die Maus die rechte und der Frosch die linke.
Nun fühlten sie sich schon wesentlich sicherer, nur zusammen
zu gehen, bereitete einige Probleme.So wollte der Frosch oft hüpfen und hatte Schwierigkeiten mit den kleinen Schritten derMaus, die ihrerseits durch den unregelmäßigen Gang des Frosches immer wieder aus ihremRhythmus kam und ins Stolpern geriet.
Auch konnte die Maus nicht mehr in ihre Gänge schlüpfen, denn der Frosch war zuungelenk, um sich durch die schmalen Gänge zu zwängen und war es ihm doch einmalgelungen, so stieß er fortwährend mit seinem Kopf an, da er das Hüpfen einfach nicht lassen konnte.
Die Maus hielt das Hüpfen für eine schlechte Angewohnheit und meinte, dass es demFrosch schon gelingen könne, anständig zu laufen. Er müsse nur ernsthaft den Willen haben, das Hüpfen aufzugeben, denn wo ein Wille sei, da sei auch ein Weg.
Und sie erzählte ihm, wie schwer es manchmal gewesen sei, sich durch harten Boden einenGang zu graben und dass man, wenn man nur will, mit den scharfen Mausezähnen, diehärtesten Dinge durchknabbern kann, und der Frosch versprach es, wirklich ernsthaft zuversuchen.
„Ja“, sprach die Maus, „es ist sehr schwierig in der Liebe, doch wenn man sich wirklich liebt,arbeitet man aneinander und versucht, dem anderen zu helfen, damit er sich weiter-entwickeln und seine schlechten Eigenschaften abstreifen kann.“
Der Frosch wiederum versuchte, die Maus zu überzeugen, dass es ein Genuss sei, mit einem hohen Bogen in den Teich zu springen und durch die tiefen Fluten hinab zum Grund zu tauchen, um dort in alte weggeworfene Lederstiefel zu schlüpfen und die Fische an sichvorbeischwimmen zu lassen.
Doch die Maus hatte Angst vor dem Wasser. Der Frosch aber war der Ansicht: Wenn mannur wirklich bereit sei, die Angst zu überwinden, würde es schon klappen, denn aller Anfangsei schwer.
Doch die Maus war nicht bereit, ihre Angst zu überwinden. Dies alles tat ihrer Liebe jedochkeinen Abbruch, und sie liebten sich weiterhin inniglich. Nach einer Weile sprach jedoch dieMaus: „Weißt Du, ich kann Deine rechte Hand nicht sehen.“
Und in der Liebe sollte man sich doch alles sagen und ganz offen zueinander sein, und dasei es doch nicht in Ordnung, wenn man bestimmte Dinge voreinander versteckt.
Der Frosch fand dies auch, denn in der Liebe möchte man an allem teilhaben und alleswissen, was der andere tut, und so banden sie die anderen Hände auch noch zusammen.
Das Gehen wurde natürlich noch beschwerlicher, aber wo wahre Liebe ist, erträgt manjegliche Unannehmlichkeiten, denn jede Schwierigkeit schmiedet einen nur festerzusammen.
Das Leben wurde ein wenig eintöniger, denn der Frosch konnte nicht mehr von seinenneuen Erlebnissen im See erzählen und auch die Maus wusste nichts Neues zu berichten,da sie nun alles zusammen machten.
So erzählte der Frosch von früheren Zeiten, wo er noch im See umher geschwommen war,doch nach einer Weile kannte die Maus alle Geschichten und wurde zunehmendungehaltener, wenn der Frosch schon wieder mit seinen alten Erlebnissen im See anfing.
Doch auch die Maus konnte nur noch von Dingen berichten, die sie früher erlebt hatte, undmeist kannte der Frosch die Geschichte schon und hörte gar nicht mehr richtig zu.
„Nie hörst du mir zu, du beachtest mich überhaupt nicht mehr“, beschwerte sich die Maus,denn wenn man sich wirklich liebt, schenkt man dem anderen alle Aufmerksamkeit.„Ach“, sprach der Frosch, „es liegt wohl daran, dass ich in der letzten Zeit so müde bin, es ist bestimmt das Wetter, es hat wirklich nichts mit Dir zu tun.“
Doch die Maus meinte: „Wenn man jemanden wirklich liebt, hört man ihm auch zu, wennman müde ist.“
Obwohl sie sich nichts mehr zu erzählen hatten, liebten sie sich immer noch und die Mausmeinte, dass wahre Liebe ist, wenn man zusammen schweigen kann und dass sich Verliebteauch ohne Worte verstehen.“Und der Frosch fügte hinzu: „Gerade ohne Worte, denn Reden ist Silber und Schweigen istGold.“
Doch bei aller Liebe und allem Bemühen wollte dem Frosch der gleichmäßige Gang nichtgelingen, und wer sich wirklich liebt, macht doch alles gemeinsam.
Und da die Maus nicht aufhören wollte, das beständige Gehüpfe des Frosches zubemängeln, denn sie wollte nur das Beste für den Frosch und er andererseits es ihr doch nur recht machen, denn wenn man jemanden liebt, möchte man dem anderen jeden Gefallen tun, kam der Frosch auf die Idee: „Wir könnten, doch auch eins unserer Beinezusammenbinden, dann können wir noch besser alles zusammen machen, und ist es in derLiebe nicht so, dass man alles gemeinsam tun will?“
Gesagt getan und wie der Frosch es im Geheimen vermutet hatte, hatte es nun mit demHüpfen ein Ende.
Zwar kamen beide nun nur noch unter großen Mühen und sehr langsam voran, aber siewussten nun, dass sie richtig zusammengehörten und was ist schöner in der Liebe, als zuwissen, dass man wirklich zusammen gehört.
„Lass uns das andere Bein auch noch zusammenbinden“, sprach da die Maus.„Meinst Du wirklich, wir sollten das tun?“, fragte der Frosch, denn er war nicht mehr sicher, dass sie das Richtige taten.
„Du liebst mich doch?“, fragte die Maus.„Ja, ja natürlich“, erwiderte der Frosch und sie banden die anderen Beine auch nochzusammen, und was ist schöner an der Liebe, als wenn man unzertrennlich ist.
Aber das war nicht gut, denn nun konnten sie sich gar nicht mehr bewegen.So verharrten sie starr und unbeweglich, und auch ihre heiße Liebe schien allmählich abzukühlen.Ja, sie führten ein wahrhaft erbärmliches Leben, bis sie schließlich starben, und das war schon bald, denn als der eine starb, starb auch der andere.
Liebe ist immer das Kind der Freiheit.Liebe ist immer die Freiheit, das eigene Leben interessant und freudvoll zu gestalten.Liebe stirbt erbärmlich und jammervoll, wenn wir aus Dir und aus mir die Lebendigkeitentfernen.
Das Foto wurde von Karin Heringshausen zur Verfügung gestellt