Ich hörte ja schon oft, dass die Europäische Union eine besondere Form der Diktatur sei. Dieses Urteil ist zu hart. Klassisch diktatorisch ist sie mitnichten. Führererlässe gibt es nicht. Manchmal ist diese internationale Vereinigung sogar liberaler als es die jeweiligen nationalen Regierungen sind. Oft kommt das nicht vor, aber hin und wieder geschehen Zeichen und Wunder. Was die EU in den letzten Jahren geschaffen hat, ist eine ganz neue Staatsform, die nicht Dikatur, aber eben auch nicht grundsätzlich demokratisch ist. Sie liegt irgendwo dazwischen. Ist eine Herrschaftsform, die mit dem schlechten Gewissen arbeitet, die verängstigt und klar macht, dass demokratische Willensbildung etwas ist, was man sich verdienen muss. Im pekuniärsten Sinne des Wortes. Einen Namen gibt es für dieses Phänomen allerdings noch nicht.
Merkel drohte einem Volk, noch bevor es zur Wahlurne geht. Sie tat es mit ihrem üblichen Understatement-Größenwahn. Spielte sich als konstituierende Vollversammlung auf, die sich nach demokratischen Wahlen gemeinhin formiert, um dem Wahlergebnis Rechnung zu tragen. Sie gab sich Deutungshoheit eines Wahlresultats, das ihr nicht in den Kram passt. Diese standhafte Demokratin, als die sie sich verkauft, hat das Wesen dieses Herrschaftsprinzips immer noch nicht begriffen. Wir brauchen uns nicht wundern, dass antidemokratische Kreise Aufwind haben. Denn unsere Demokraten, die wir so haben, haben selbst ein Problem mit einer Demokratie, die sich wehrt, die sich nicht genau die Metzger an den Messergriff votiert, die man gerne dort sähe.