Die Vorwahlen sind vorbei

Von Oeffingerfreidenker
Donald Trump ist der Kandidat der Republikaner. Nach den gestrigen Wahlen in Indiana, bei denen Trump seinen Gegner Ted Cruz mit 53% zu 36% zermalmt und damit die letzten Hoffnungen auf eine "contested convention" (siehe hier) zerstört hat, gab Cruz offiziell auf. Sofern nicht noch etwas wirklich, wirklich merkwürdiges passiert, wird Trump im Sommer in Cleveland zum offiziellen Kandidaten seiner Partei gekürt werden. Das gleiche gilt auch für Hillary Clinton, trotz Sanders' knappem Sieg in Indiana. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass dieses Ergebnis nicht gerade eines war, das viele Experten (oder wir) vorausgesehen hätten. Welche Faktoren also führten zu diesem Ergebnis?
Wenden wir uns zuerst dem einfacheren Fall zu: Hillary Clintons Sieg war von Anfang an vorgezeichnet (und wurde von uns auch korrekt prognostiziert). Sie verfügte über die überwältigende Unterstützung ihrer Partei, der Spender, vieler affiliierter Gruppen und nicht zuletzt der Wähler. Clintons Stärke in allen Staaten, die das primary-System benutzen und über eine breitgefächerte Bevölkerung verfügen, zeigt deutlich ihre Stärken als Kandidatin. Seit dem Super Tuesday ist ihre Position eigentlich nicht mehr einholbar, egal, was Bernie Sanders und seine Berniebros sagen. Daran ändert auch Sanders' jüngster Sieg in Indiana nichts. Clinton war die stärkere Kandidatin, sie machte einen reibungslosen Wahlkampf und gewann so die Nominierung. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie auch die Wahl im November aus genau diesen Gründen gewinnen.
Im Falle Trumps ist die Lage komplizierter. Spannend ist nämlich, dass die Umfragen der letzten acht Monate durchgehend auf ein Ergebnis hingewiesen haben: dass Donald Trump zwischen 30% und 40% der Stimmen bekommt - wie es sich nun, da er der einzige Kandidat im Rennen ist, auch darstellt: Trump hat ziemlich genau 40% aller Stimmen. Diesen Anteil wird er natürlich in den verbliebenen primaries weiter steigern, da Ted Cruz nun wegfällt. Und nein, ich vergesse John Kasich nicht, aber der Gouverneur Ohios hat zu diesem Zeitpunkt immer noch weniger Stimmen als Marco Rubio, und der ist über zwei Monaten aus dem Rennen ausgeschieden. Nun sind 40% der Stimmen weniger als 51%, wie jeder mittelmäßig begabte Schüler bestätigen kann. Und genau in diesem kleinen Fakt findet sich der Grund für Trumps Sieg ebenso wie der für Hillarys recht kleinen Abstand zu Bernie Sanders: die reine Menge der Kandidaten ist entscheidend.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass wenn im Rennen der Democrats ein weiterer starker Kandidat gewesen wäre - etwa ein erfolgreicherer Martin O'Malley oder Joe Biden - Hillary wesentlich eindeutiger gewonnen hätte. Genauso wie Trump hätte sie unter 50% der Stimmen eingefahren, aber die meisten, während Sanders nur ein also-ran gewesen wäre, nicht annähernd auf Augenhöhe mit Clinton. Und jeder Kandidat, der bei den Democrats aufgegeben hätte, hätte ihr Lager gestärkt - und nicht Sanders'. Auf ähnliche Art wurden Howard Dean und John Edwards 2004 und 2008 marginalisiert. Clinton wurde in einem gewissen Sinne auch Opfer ihrer eigenen Stärke.
Genau diese Mechanik aber verfing bei den Republicans nicht, denn deren breit gefächertes Feld enthielt weder eine klare Alternative zu Trump, hinter der sich alle hätten versammeln können, noch solche Rohrkrepierer, dass diese schnell aus dem geräumt wären (wie etwa O'Malley bei den Democrats). Stattdessen zersplitterten sich die Stimmen der Wähler, die nicht Trump wählten, zwischen Rubio, Bush, Cruz und Kasich. Bush hielt bis South Carolina aus, Rubio bis Florida. Das Resultat in beiden bevölkerungs- und deligiertenreichen Staaten waren überwältigende Trump-Siege, die das Fundament seiner Dominanz legten. Danach kämpften Kasich und Cruz gegeneinander um die Stimmen derer, die Trump verhindern wollten, und hielten Trump stabil als Frontrunner im Rennen. Da viele republikanische primaries und caucuses aber winner-takes-all-Wettkämpfe waren, wirkte sich diese Zersplitterung für Trump extrem günstig aus. Dazu kam, dass die beste Alternative zu Trump ausgerechnet Ted Cruz war (siehe hier), einer der wohl unbeliebtesten Politiker aller Zeiten, dessen Aussichten gegen Clinton tatsächlich fast noch schlechter als die Trumps waren.
Trump ist damit ein sehr ungewöhnlicher Kandidat. Ein großer Teil der Republicans lehnt ihn ab, eine kleine Minderheit sogar so stark, dass sie ihn im November nicht wählen werden. Einige konservative Intellektuelle wie Max Boot, Max Salzer oder Erick Erickson haben bereits angekündigt, für Hillary stimmen zu wollen; andere wie Ben Sasse bleiben zuhause oder wählen die Constitutionalist Party. Während die meisten Republicans sich sicherlich hinter Trump stellen werden - Wendehälse wie Newt Gingrich, Marco Rubio, Ari Fleischer und andere haben das bereits getan - sollte man die Ablehnung des Kandidaten nicht unterschätzen. Die meisten republikanischen Funktionäre, Intellektuellen und Politiker haben Trumps Niederlage im November bereits eingepreist. Trump hat zudem keinerlei formellen Rückhalt in der Partei und keine eigene Wahlkampfsorganisation, die in der Lage wäre, den Sommer-Wahlkampf zu stemmen.
Das bedeutet, dass Trump in hohem Maße auf den RNC und dessen Ressourcen angewiesen ist - eine wunderbar ironische Situation für den großen Außenseiter. Denn wenn Trumps bisheriges Verhalten ein Indikator ist, wird er nicht nennenswerte eigene Geldmittel in den Wahlkampf einbringen. Und das Eintreiben von Spenden dürfte für ihn nicht leicht sein, während es schwer vorstellbar ist, dass allzuviele Kongress-Abgeordnete für ihn die Werbetrommel mehr rühren werden als unbedingt notwendig. Es ist daher kein unwahrscheinliches Szenario, dass Clinton im Wahlkampf über deutlich mehr Geldmittel verfügen wird als Trump.
Wie immer ist nichts davon in Stein gemeißelt. Die fundamentals aber - Konstanten der politischen Landschaft 2015/16 wie Demographie, wirtschaftliche Entwicklung, generelle Stimmung, etc. - weisen deutlich auf einen Kandidaten als Sieger im November hin. In den Worten Obamas: "There's no way to tell who she will be."