Die Vegetarierin von Han Kang #Rezension

Von Elizzy @Elizzy_91

Die Vegetarierin| Roman| 190 SeitenAufbau Verlag | Cover | ISBN: 978-3-7466-3333-6
gelesen vom 02.04. bis 05.04.2018


Klappentext

Yong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht beflissen seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine zwar leidenschaftslose, aber pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yong-Hye beschließt, sich fortan ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt entfernt. „Ich hatte einen Traum“, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt der Vegetarismus als subversiv. Doch damit nicht genug. Bald nimmt Yong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet. Die Vegetarierin ist eine kafkaeske Geschichte in drei Akten über Scham und Begierde, Macht und Obsession sowie unsere zum Scheitern verurteilten Versuche, den Anderen zu verstehen, der ja doch, wie man selbst, Gefangener im eigenen Leib ist. Der Roman wurde mit dem Man Booker International Prize 2016 ausgezeichnet. (Quelle: Aufbau Verlag)

Zusammengefasst

Das Leben von Yong-Hye war bis anhin ruhig und beschaulich. Ihr Mann beschreibt sie als gewöhnlich und nicht sonderlich attraktiv.

„Bevor meine Frau zur Vegetarierin wurde, hielt ich sie in jeder Hinsicht für völlig unscheinbar.“

Die Geschichte beginnt harmlos, entwickelt sich aber rasant und wird immer bizarrer. In drei Akten wird hier aus der Sicht des Ehemanns, Schwagers und ihrer Schwester erzählt. Die Gedanken von Yong-Hye kommen dabei nur kurz am Anfang vor und so fällt es einem schwer während der Geschichte zu begreifen was mit ihr passiert. War es zu Anfangs nur der Verzicht auf Fleisch, so steigert sich dies schnell zu „keine tierischen Produkte mehr“ bis hin zu „Ich brauche nur Wasser“.

Schockierend, brisant, emotionslos und doch kraftvoll erzählt Han Kang das Schicksal einer Frau, die in jeder Hinsicht besonders ist.

Darüber Gedanken gemacht

Bevor ich diese Rezension schreiben konnte, musste ich mir erstmal ein paar Tage Zeit nehmen, um meine Gedanken zu sortieren. Ich nahm mir ausserdem auch die Zeit, um andere Rezensionen vom Buch zu lesen und mir so ein umfangreiches Bild zu machen. Denn der erste Eindruck täuscht und hinter diesem seltsamen Buch steckt mehr, als man zu Anfangs erwartet.

*** ab hier folgen Spoiler ***

Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit der Entscheidung von Yong-Hye, die plötzlich beschliesst Vegetarierin zu werden. Auf die Fragen Ihres Mannes antwortet sie immer nur mit „Ich hatte einen Traum.“ Dieser Traum, der wirklich abstossend ist, verursacht eine Kettenreaktion und die Gedanken von Yong-Hye werden immer wirrer. Sie nimmt rasant ab und wird immer schweigsamer. Bei einem Geschäftsessen wird sie von den Arbeitskollegen ihres Mannes beinahe bemitleidet und die Entscheidung zum Vegetarismus, kann beinahe niemand so recht begreifen. Ihre Träume werden immer schlimmer und blutiger und mittlerweile, kann sie nicht einmal mehr ihren Mann ertragen, denn dieser riecht ihrer Meinung nach aus allen Poren nach Fleisch.

„Es ist mein Herz, das schmerzt, und in meiner Magengrube spüre ich einen undefinierbaren Druck. Er ist immer da. Im Moment sogar, wenn ich keinen BH trage. Auch ein tiefer Atemzug bring keine Erleichterung. Was sich dort angesammelt und festgesetzt hat, das sind Schreie und Gebrüll. Und die kommen vom Fleisch. Ich habe zu viel davon gegessen. All die Seelen sind dort eingeklemmt, da bin ich sicher. Blut und Fleisch werden verdaut […] Der Rest wird ausgeschieden. Aber die Seelen klammern sich hartnäckig in meinem Magen fest…“

Sie verliert weiterhin viel an Gewicht und ihr Mann zieht ihre Familie zur Hilfe, diese reagieren leider kaum verständnisvoll und bei einem Essen entsteht eine schreckliche Szene, in der ihr Vater sie schlägt und ihr tatsächlich Fleisch in den Mund stopft. Dieses spuckt sie sogleich aus, greift nach einem Messer und schneidet sich, vor den Augen der ganzen Familie, den Arm auf.

Sie landet in der Psychiatrie und auch dort versucht sie niemand zu verstehen, sondern weist immer wieder darauf hin, wie abartig sie nun ist und das dies alles dem Verzicht von Fleisch zuzuschreiben ist. Am schlimmsten fand ich aber die Reaktionen ihres Mannes.

„Aber am Tag darauf sollte Yong-Hye entlassen werden, was bedeutete, dass ich wieder mit dieser seltsamen und angsteinflössenden Frau zu Hause sein würde.“

In mehreren Szenen konnte man lesen, wie er sich vor allem über sich selbst und seinen Ruf sorgen machte. Er verstand nicht, wieso er nun ebenfalls kein Fleisch mehr zu Hause essen durfte und fühlte sich von seiner Frau zurückgewiesen. Anstatt zu versuchen ihr zu helfen vergewaltigte er sie stattdessen und dachte während der ganzen Zeit nur an sich und seine Bedürfnisse.

Im zweiten Akt erfährt man das nun einige Jahre vergangen sind und die Geschichte wird aus der Sicht des Schwagers geschildert. Dieser ist Künstler und mit der Schwester von Yong-Hye verheiratet. Als er erfährt, dass Yong-Hye einen Mongolenfleck auf ihrem Körper hat, beginnt er Fantasien zu entwickeln. Diese sind vor allem sexuell gesteuert und schnell entwickelt sich daraus ein Projekt.

Auch hier war wieder zu spüren, dass ein Protagonist sich nicht so gab, wie er eigentlich war und Dinge tat oder dachte, die von der Gesellschaft nicht akzeptiert wurden. So überredete er nämlich Yong-Hye, die mittlerweile die Psychiatrie verlassen durfte, führ ihn Nacktmodell zu stehen. Er bemalte ihren Körper mit lauter Blumen und plötzlich erwachte in ihr der Gedanke „Ich bin eine Blume.“ Bereits in der Psychiatrie zog sie sich öfters nackt aus und setzte sich so in die Sonne, sie hatte also kaum ein Problem damit, sich vor ihrem Schwager auszuziehen. Dieser verlor sich immer mehr in seinen Fantasien, die letzten Endes dann auch wahr wurden. Als seine Frau, die Schwester von Yong-Hye, die beiden dann erwischte, rief sie sofort den Notarzt, da sie überzeugt war, dass beide in die Psychiatrie gehören.

Im dritten Akt, kommt noch einmal alles zusammen und die Tragik wird einem noch bewusster. Yong-Hye hat nun endgültig das Gefühl eine Pflanze zu sein und lebt in ihrer eigenen Welt. Der letzte Abschnitt wird aus der Sicht der Schwester erzählt und lässt auch hier erblicken, dass auch sie kein Verständnis für sie hat und sich am liebsten wünschen würde, alles einfach zu vergessen. Auch hier wird noch einmal thematisiert, dass höchstwahrscheinlich das nicht essen von Fleisch, die Ursache allen Übels ist. Doch ganz am Ende wandelt sich die Sicht der Schwester und sie gibt dem ganzen noch einmal einen anderen Blickwinkel.

Gefiel mir sehr

Das Buch setzt keine Tabus und Han Kang nimmt kein Blatt vor dem Mund. Egal bei welchem Thema, sie wagt Dinge anzusprechen, die oft verschwiegen werden und so findet man in ihrem Buch nicht nur Themen wie Vegetarismus sondern auch Gewalt, Unterdrückung, Sexualität, Kunst und Freiheit wieder. Dies alles mischt sie auf eine bizarre Art und Weise miteinander und gibt dem Ganzen mit ihrem kühlen und beinahe abstossendem Schreibstil das gewisse Etwas.

Am Ende war ich zugleich schockiert und beeindruckt von dieser Geschichte. Es steckte so viel mehr darin, als man vermutet und umso länger ich über das ganze nachdenke umso klarer werden manche Szenen und die Tragik wird einem von einmal viel klarer.

Gefiel mir nicht

Der Stil der Geschichte war an manchen Stellen meiner Meinung nach zu krass und so war ich teilweise so abgestossen, dass ich mich zum weiterlesen zwingen musste.

Schreibstil & Cover

Den Schreibstil habe ich so bis anhin noch nicht gelesen. Sie schreibt auf eine Art kühl und distanziert und im nächsten Moment holt sie einen ganz nah an sich heran. Es ist wirklich nur schwer zu umschreiben. Das Cover ist wunderschön und versteckt aber auch die Botschaft des Buches darin.

Fazit

Ein sehr aufwühlendes Buch, dass einen schockiert, begeistert, abstosst sowie auch anzieht. Von mir gibt es deshalb eine bedingte Leseempfehlung, da ich finde, dass vielleicht nicht jeder mit diesem Thema umgehen kann und zugleich finde ich die Themen darin wichtig. Niemand sollte sich in seinem Leben unterdrücken lassen. Man sollte so sein können wie man möchte und vor allem auch das Essen dürfen, was man möchte.

Bewertung
Buchlänge (5/5)
Schreibstil  (4/5)
Botschaft  (4/5)
Lesevergnügen (4/5)


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