Die US-Wahlen und Syrien

von Thierry Meyssan

Die westliche Presse und die der Golfstaaten berichteten über die Wahlen in den Vereinigten Staaten, so als seien sie der Beweis für die Vitalität "der mächtigsten Demokratie der Welt". Stattdessen beschrieben sie zu Beginn des Jahres das Referendum und die Parlamentswahlen in Syrien als "Witz" und riefen auf zum Sturz der "Diktatur". Wie ist dem nun wirklich? Vergleichen Sie die beiden Pläne mit den gleichen Kriterien, obwohl der eine so viel mächtiger ist als der andere, den man sich in der Regel verbietet zu kritisieren.

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Die Verfassung der Vereinigten Staaten wurde im Namen des Volkes verkündet, doch erteilt sie die Souveränität den Föderierten Staaten und nicht den Bürgern. Infolgedessen sind die Vereinigten Staaten keine Demokratie im Sinne von Lincoln ("die Regierung des Volkes durch das Volk, für das Volk"), sondern ein Bund zwischen dem Volk und einer Oligarchie. Vor kurzem hat die Occupy Bewegung und ihr Slogan, "Wir sind die 99 %", daran erinnert, dass in den USA der Reichtum und die Macht von weniger als 1% der Bevölkerung monopolisiert werden. Im Vergleich dazu anerkennt die neue Verfassung von Syrien die Souveränität des Volkes, das ihre Führer wählt, aber – um mit einer Situation von einem regionalen permanenten Krieg fertigzuwerden – stellt sie eine undurchsichtige Regierungsweise ein, die das Volk der Kontrollmittel beraubt, die für eine tägliche demokratische Funktionsweise nötig sind.

Nach der Verfassung der Vereinigten Staaten wird der Präsident nicht vom Volk, sondern von einem Gremium von 538 Wählern, die die Föderierten Staaten vertreten, gewählt. Jedoch setzte sich im Laufe der Zeit die Idee durch, dass die Gouverneure ihre Einwohner konsultieren müssten, bevor sie die Vertreter ihres Staates im Wahlkollegium ernennen. In einigen Staaten ist diese Konsultation obligatorisch, in anderen ist sie jedoch nur beratend, der Gouverneur kann daher machen was er will. Wie auch immer, die Wahl vom 6. November hatte keinen konstitutionellen Wert. Und man erinnert sich, dass im Jahr 2000 der Oberste Gerichtshof die Abstimmung der Einwohner von Florida ignoriert, und den Sieg von Bush Jr. gegen Gore verkündet hatte.

Die Hauptfunktion der Umfrage, die wir nun erlebten, ist nicht, einen Präsidenten zu wählen, sondern den nationalen Pakt zu erneuern. Durch die Teilnahme der US-Bürger bestätigen sie ihre Zustimmung zu den Institutionen. Allerdings nimmt sie weiter ab (außer bei den Wahlen 2008). So beteiligten sich nur etwa 120 Millionen Erwachsene von 230 an der Wahl. Dies entspricht einer Wahlbeteiligung, die viel niedriger ist als diejenige, die bei dem Referendum und den Parlamentswahlen in Syrien konstatiert wurde, obwohl die Wahl in vier in Krieg befindlichen Bezirken nicht stattfinden konnte.

Obama bekam 50.38 % der abgegebenen Stimmen, während Romney 48.05% erreichte. Die 1,67 restlichen Prozente gingen an die 18 anderen Kandidaten, von denen Sie noch nie gehört haben und die keinen Zugang zu den Medien haben, um sich ihren Mitbürgern vorzustellen. Entgegen einer weitverbreiteten Meinung sind die Demokratische und die Republikanische Partei staatliche Einrichtungen. So wurden die Vorwahlen innerhalb der Partei nicht von den Parteien, sondern von den Föderierten Staaten und auf ihre Kosten organisiert. Darüber hinaus, was auch immer die Abstimmung der Bürger ergibt, verwalten die beiden Großparteien zusammen verschiedene Verwaltungen, z. B. das NED (politische Vitrine im Ausland der CIA). Schließlich ist das parteiübergreifende US-System dem ehemaligen syrischen Ein-Partei-System gleichzusetzen. Im Gegensatz erlaubt das Syrien von heute eine Litanei von politischen Parteien, die nun beginnen, in den Medien Zugriff zu bekommen.

Per Definition ist der American Dream nur ein "Traum", eine Illusion. Wer es zum Modell nimmt, sollte aufwachen.

Dieser kurze Vergleich sollte den syrischen, mit den bisherigen Reformen unzufriedenen Leser, nicht verzweifeln. Er soll ihn im Gegenteil ermutigen, indem man zeigt, dass die Institutionen des Landes sich in die richtige Richtung entwickeln, auch wenn es noch vieler Mühe bedarf.

Kommen wir noch einen Moment zu den US-Wahlen zurück und zu den Lehren, die man daraus ziehen kann. "Demokrat" oder "Republikaner" sind zwei verschiedene Marken des gleichen Produkts. Sie können Pepsi oder Coca wählen, jede Marke wird in Ihrer Phantasie mit unterschiedlichen Mythologien in Verbindung gebracht. Sie können einen klaren Vorzug für das eine oder andere Produkt empfinden. Aber wenn Sie eine blinde Kostprobe unternehmen, werden sie sie nicht voneinander unterscheiden können, denn es ist das gleiche Produkt.

In dieser Perspektive waren die Botschaften die Vereinigten Staaten Meinungsforscher, die die Durchführung von Marketing-Umfragen ausführten. Sie hielten gespielte Wahlen in verschiedenen Ländern ab. Dies ermöglicht, den Geschmack der ausländischen Verbraucher besser zu verstehen. Sie wählen auch. Entscheiden Sie sich für Obama oder Romney (unnötig die anderen 18 Kandidaten zu erwähnen). Ihre Stimme ist nutzlos, weil Sie kein US-Bürger sind? Aber jene der US-Bürger auch! Man bittet Sie nur mitzuspielen.

Dieser Pseudo-Pluralismus wird mit der Siegesrede von Barack Obama klar. In gleicher Weise hätte sie auch von Mitt Romney gelesen werden können. Sie feiert den Bund zwischen dem Volk und der Oligarchie: jeder muss im Leben erfolgreich sein können; unsere Armee ist die mächtigste der Geschichte; unsere ethnischen Gemeinschaften bilden ein Volk.

Der politische Inhalt beschränkt sich auf einen Satz, ein einvernehmlicher: "ich werde daran arbeiten, mit den Führern der beiden Parteien den Herausforderungen gerecht zu werden, die wir nur gemeinsam lösen können: Unser Defizit reduzieren. Unser Steuersystem erneuern.

Thierry Meyssan

Thierry Meyssan Französischer Intellektueller, Präsident und Gründer des Réseau Voltaire und der Konferenz Axis for Peace. Er veröffentlicht Analysen über ausländische Politik in der arabischen, Latein-amerikanischen und russischen Presse. Letztes, auf Französisch veröffentlichte Werk : L’Effroyable imposture : Tome 2, Manipulations et désinformations (hg. JP Bertand, 2007).

Unser Einwanderungssystem verbessern. Uns (von der Abhängigkeit) von ausländischem Öl befreien.“ Am Rande ist zu bemerken, dass zwei der Ziele der zweiten Amtszeit von Obama sich im Nahen Osten auswirken werden. Die Verringerung des Defizits enthält die Fortsetzung der Haushaltskürzungen des Pentagon, daher die Fortsetzung des Rückzugs von den GIs aus der Region. Das Ende der Abhängigkeit von ausländischem Öl bedeutet, dass es für Washington nicht mehr notwendig sein wird, das Königreich Saudi-Arabien und das Dschihad-System zu schützen, das es entworfen hat.

Thierry Meyssan

Übersetzung
Horst Frohlich


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