oder: Wie man religiöse Minderheiten unterdrückt
Man könnte sagen: Jede Religion war einmal eine religiöse Minderheit und wurde von entsprechenden schon vorhandenen Mehrheiten verfolgt, gehetzt, unterdrückt – bevorzugt in ihrem Ursprungsland.
Dies trifft jedenfalls unter anderem auf die 1844 in Persien (heutiger Iran) entstandene Bahá’í-Religion zu. Der erste, der zwei Gottesoffenbarer, auf die sie sich beruft, – genannt der „Báb“ (das „Tor“) – wurde von der iranischen Regierung hingerichtet. Bahá’u'lláh („Herrlichkeit Gottes“), der vom Báb angekündigt wurde, wurde mehrmals verbannt, gefangen genommen und starb schließlich eines natürlichen Todes in einem Landhaus in der Nähe der damaligen Gefängnisstadt ‘Akká.
Seither (und auch zu Lebzeiten der beiden Zentralgestalten) werden die Bahá’í insbesondere in ihrem Ursprungsland, dem Iran, verfolgt, gedemütigt und ihrer Rechte beraubt.
Während die westlichen Medien von Menschenrechtsverletzungen und Appellen verschiedener Regierungen (u.a. der deutschen) und Organisationen (u.a. Amnesty International) an die iranische Regierung berichten, findet sich in der inländischen Presse ein ganz anderes Bild der Situation.
Im Folgenden soll die Darstellung der Situation der Bahá’í im Iran in den iranischen Medien anhand eines Artikels der Fars News Agency untersucht und diese mit der Darstellung der westlichen Medien verglichen werden.
„The Iranian government has provided the Bahai sect in Iran with all the facilities offered to other Iranian citizens,“ Najafabadi [Generalstaatsanwalt des Iran] said in an interview with press tv on Monday.
Leider lässt sich eine solche Aussage in den westlichen Medien nicht wiederfinden. So titelt CNN schon am 22.05.08 „Iran ‘plans to destroy Baha’i community’“ und die Zeitung „Die Welt“ berichtet am 12.12.08 von „Staatliche[m] Bildungsverbot für Bahai“ – „Kulturelles Verbrechen“ – „Friedhofsschändungen staatlich gelenkt“ – „Willkürliche Verhaftungen“ – um nur einen kleinen Teil des gesamten Spektrums an staatlichen Verfolgungen und Benachteiligungen zu nennen.
Jedoch steht das Volk nicht mehr vollständig hinter diesen Aktionen: „Über 240 iranische Intellektuelle haben einen offenen Brief geschrieben, in dem sie sich »beschämt« darüber zeigen, dass die Bahai »seit anderthalb Jahrhunderten ihrer Rechte in Iran beraubt werden«“, schreibt „Die Zeit“ .
The top Iranian judiciary official made the remarks in response to Western claims that the Islamic Republic has violated the rights of Bahais in Iran.
Eben diese Anklagen finden sich oben und sind durchaus berechtigt. Auf einer Pressekonferenz vom 25.09.07 antwortet der Präsident des Irans auf Anfragen die Verfolgung der Bahá’í betreffend mit seinen Zweifeln an der göttlichen Gesandtheit der Zentralgestalten der Bahá’í-Religion. Nun besagt Artikel 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aber keineswegs, dass er selbst dieser Religion zustimmen müsste: „Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“
According to the Iranian cleric, there is irrefutable evidence that many adherents of the Bahai sect are in close contact with the enemies of the Iranian nation and have strong links to the Zionist regime.
Der wahre Kern dieser Aussage ist schnell gefunden: Das wichtigste Heiligtum und Sitz der Bahá’í-Administration ist in Haifa, Israel. Der Sprecher der deutschen Bahá’í-Gemeinde in Fragen von Menschenrechtsverletzungen nennt und erklärt der Zeitung „Die Zeit“ in einem Interview weitere Anklagepunkte: „Es geht um Spionage für Israel, Beleidigung religiöser Gefühle und Propaganda gegen die islamische Republik. Alle drei Anklagepunkt sind absurd. Die Anklage auf Spionage stützt sich beispielsweise darauf, dass die inhaftierten Bahai in Kontakt waren mit dem religiösen Zentrum der Bahai, das in Israel ist. Das hat nichts mit dem Staat Israel zu tun oder mit den Interessen Israels, sondern ist einfach ein historisches Faktum. Der Spionagevorwurf hat Tradition in Iran: Wir waren zuerst Spione Russlands, dann Englands, dann Amerikas und jetzt sind wir Spione für Israel. Dahinter steckt das Befremden der konservativen Mullahs gegenüber dem modernen Gedanken, die die Bahai-Religion lehrt. In deren Augen müssen die Bahai deswegen einfach westlich unterwandert sein.“
„We have always showed great kindness to the Bahai citizens in Iran. We just oppose such relations,“ he explained.
Although members of the Bahai sect have admitted their charges in various cases, the West, especially the United States, claims that Iran has violated their human rights by making attempts to suppress the cult.
„We (as the state) offer a variety of services to the Bahai sect in Iran and respect them as human beings, but not as insiders, spies, or a political grouplet supported by Britain and Israel to cause disturbance in Iran,“ Najafabadi went on to say.
Hier finden sich die o.g. Anklagepunkte wieder. Die Verfolgung der Bahá’í wird hier erneut deutlich nicht religiös, sondern politisch begründet. Dies wird von westlicher Seite her allgemein bezweifelt.
On Wednesday, Tehran’s deputy prosecutor Hassan Haddad announced that seven members of the Bahai sect, who were evolved in espionage activities against Iran, would soon be tried.
Auch „Die Zeit“ berichtet hierüber: „Sieben führende Mitglieder des Bahai-Glaubens sollen dieser Tage vor Gericht gestellt werden. Man wirft ihnen »Spionage für Israel« und »Propaganda gegen den iranischen Staat« vor. Seit Monaten wurden die sieben ohne formelle Anklage festgehalten und ihre Anwälte schikaniert. Selbst die Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi wird unter den Augen der Behörden drangsaliert und denunziert, seit sie die Aufgabe übernommen hat, die Angeklagten zu verteidigen. Es wurden gar Gerüchte lanciert, Ebadis Tochter sei zum Bahai-Glauben übergetreten. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, droht den geistigen Führern der Bahai die Todesstrafe“ .
Ob es sich um eine korrekte Gerichtsverhandlung oder um einen Schauprozess handeln wird, ist unklar. Diese Verhandlung wird sich jedoch – trotz zweifelhafter politischer Anklage – politisch auswirken: So äußerte Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass „ohne korrektes Gerichtsverfahren [..] »eine Belastung der Beziehungen der Staatengemeinschaft mit Iran« [drohe]“7.
Es ist bemerkenswert, wie leicht eine ursprünglich religiöse Angelegenheit auf die politische Ebene übertragen werden kann.
Es lässt sich also einmal mehr feststellen, dass Medien auch und vielleicht sogar besonders in religiösen Angelegenheiten stark missbraucht werden können und es daher nicht reicht, sich mit einer Informationsquelle auseinanderzusetzen. Es bedarf verschiedener Quellen um die Wahrheit, soweit sie in den Medien vermittelt werden kann, zu finden.
Stand: April 2009. Aktuelle Informationen gibt’ s hier, eine kurze Übersicht zur Geschichte der Bahá’í im Iran hier im Blog.