Die Welt steckt in der Wirtschaftskrise, oder solte man besser sagen: in der Finanz-Kapitalismuskrise? Die UNO bekam dies zu spüren, denn die Spendenfreudigkeit im Jahr 2011 war bescheiden. Die Ausgaben der Industrieländer für die Entwicklungshilfe gingen auch spürbar zurück. In einem am Donnerstag in New York veröffentlichten Bericht zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Welt, schlugen die UN weltweite Öko- und Finanzsteuern zu Gunsten der Armen vor.
Auf diese Weise könnten 400 Milliarden Dollar, das sind etwa 322 Milliarden Euro, eingenommen und zugleich das Klima geschützt werden. Allein 250 Millionen Dollar könnten in den Industrieländern durch eine Steuer auf Kohlendioxid von 25 Dollar pro Tonne eingenommen werden. Die Verfasser des Gutachtens lobten ausdrücklich Deutschland, das Gelder zum Klimaschutz für internationale Programme bereitstelle: Wenn andere EU-Länder dem deutschen Beispiel folgen würden, stünden allein drei bis fünf Milliarden Dollar zur Verfügung.
Währungs- und Finanztransaktionssteuer-Abgabe
Durch eine winzige Steuer” in Höhe von 0,005 Prozent für die vier Hauptwährungen Dollar, Euro, Pfund und Yen bei Währungstransaktionen sind laut Experten weitere 40 Milliarden Dollar möglich. Eine generelle weltweite Finanztransaktionssteuer, wie sie in Europa diskutiert wird, steht allerdings nicht zur Debatte; wohl aber gab es den Vorschlag, genau diese ebenfalls als Einnahmequelle für die UN anzuzapfen. Alleine im europäischen raum dürfte dieser Vorschlag für Unmut sorgen, da genau die Länder zusätzlich belastet würden, die als Befürworter und Zahler der Finanztransaktionssteuer den ökonomischen Ungerechtigkeiten des Finanzkapitalismus entgegentreten, und Länder, wie die USA oder Großbritannien, die dies eben nicht tun, auch nichts weiter zahlen müssten.
Weltweite Besteuerung grosser Vermögen: Weltreichensteuer
Erwähnenswert ist noch ein weiterer Vorschlag der UN: Alle Privatvermögen mit einem Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar könnten mit einem bestimmten Satz besteuert werden – etwa ein Prozent -, um bestimmte Entwicklungsprojekte zu fördern. Da sich noch nicht einmal in reichen Demokratien wie Deutschland eine Vermögenssteuer wegen neoliberaler Hetze – alle Reichensteuer sind Neidsteuern – und wegen des finanzstarken wirtschaftspolitischen Lobbyismus durchsetzen lassen, ist auch dieser Vorschlag wohl bereits eine Totgeburt.
Mögliche Maßnahmen zu einer öko – sozialen Umstrukturierung der Weltwirtschaftsordnung
Der Versuch mehr soziale Gerechtigkeit innerhalb eines aus den Fugen geratenen und völlig enthemmten weltweiten Radikalkapitalismus hineinzubringen und gleichzeitig Einnahmen für den Kampf gegen den Klimawandel zu generieren, mag moralisch richtig sein; aber es ist der falsche Ansatz. Wir brauchen eine Reform der Weltwirtschaftsordnung, die die Handelsvorteile finanzmächtiger Ländern und Großkonzerne gegenüber der dritten Welt reduzieren, und die einen Sozial- und Öko-Ausgleich in Waren und Dienstleistungen einpreisen. Weltweite marktbeherrschende Oligopole wie sie zum beispiel im Nahrungsmittelbereich, dem Agrarsektor, der Düngemittelindustrie, der Chemie- und Pharmabranche existieren, müssen aufgebrochen werden – notfalls auch durch die Zerschlagung grosser Konzerne. Die terms of trades, das sind die Austauschverhältnisse zwischen Rohstoffen und Endprodukten, müssen zugunsten der Rohstoffanbieter aus unterentwickelten Ländern austariert werden.
Fazit: Milderung der Symptome, aber kein Vorschlag zum notwendigen Strukturwandel
Der UN Bericht bietet einige wichtige Impulse. Vor allem denkt er in die richtige Richtung: ein Finanzregulativ soll die sozialen und ökologischen Folgen der aktuellen weltweiten Raubbauwirtschaft zumindest abmindern, und die Verantwortlichen finanziell stärker in die Verantwortung ziehen. Denk – Tabus werden mit den Vorschlägen gebrochen. Allerdings stellen die vorgesschlagenen Maßnahmen nur ein Kurieren von Symptomen in Aussicht, und keine Konzeption zu einer Umstrukturierung der Weltwirtschaft, die uns in ihrer jetzigen Form die grösste Krise gebracht hat.
es grüsst euch René Brandstädter – humanicum