Seien wir ehrlich: The National könnten ausgewählte Bierfürze aufnehmen und die Musikpresse würde darin noch Mozart-gleiches Genie erkennen. Pitchfork lobte anlässlich des 2013er-Albums „Trouble Will Find Me“ die Zuverlässigkeit der Band. Das einzig zuverlässige, dachte ich, sind diese penetrant positiven Reviews, die The National sich einheimsen. Das Album aber ist so gut, dass ich ihm einen Platz in dieser Jahresbestenliste mit Vergnügen zugestehe.
Die Songs auf „Trouble Will Find Me“ sind Stimmungslieder, Openair-Sonnenuntergangs-Fantasien, sanfte Klagen bei einem guten Glas Rotwein. Sänger Matt Berningers dunkle Stimme, gereift in einem tonnenschweren Eichenfass, klingt melodieseliger als auch schon, behält aber ihre Grundtraurigkeit bei. Manchmal wirkt das schlicht gelangweilt, in den besseren Fällen aber geht eine unergründliche Faszination aus von diesem vollen Bariton.
Und die besseren Fälle sind auf „Trouble Will Find Me“ ganz klar in der Überzahl. Das Soundgerüst dieser extrem gut aufeinander abgestimmten Musiker bildet den samtüberzogenen Armsessel, in dem Berninger an seinem Wein nippt und philosophiert. Es gab zugegebenermassen schon bessere bildliche Vergleich, doch dafür ist nun nicht die Zeit.
Zurück zur Musik: „I Should Live In Salt“ heisst der Opener. Vollkommen banal, der Song. Er besteht aus gerademal zweieinhalb melodischen Ideen, nicht einmal einer Handvoll Akkorden und repetiert sich dementsprechend häufig. Und doch: Da ist dieses gewisse Etwas, diese… Stimmung, eine gewisse emotionale Leere bei all dem Gefühlsdrama. „Learn to appreciate the void!“ So funktionieren diese Lieder.
„Demons“, „Fireproof“, „Graceless“, „Heavenfaced“, „I Need My Girl“: auch viele weitere Glanzlichter des Albums dümpeln in scheinbarer Belanglosigkeit vor sich hin, faszinieren aber auf anderen Ebenen. Das dichte und präzise Zusammenspiel der Instrumentalisten schreit nach der textilen Metapher: Klangteppich! Darunter, darüber, darin immer wieder stilvoll verwebt: Berningers Lament. Es entstehen kunstvolle Oden an die besonnene und besinnliche Wehmut.
Mit „Trouble Will Find Me“ ist der Band aus Cincinnati bzw. Brooklyn (momentane Heimat – natürlich!) ein homogenes Set aus dreizehn wunderbaren Songs gelungen. Für einmal waren die Lobhudeleien der Presse gerechtfertigt. Was dieses Werk so grossartig macht, ist eben auch dieser „sense of perfect order among the chaos“. Den braucht der Mensch von Zeit zu Zeit.
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