Die Türkei spricht Almanca

Von Jacqueline Jane Bartels @by_JJ_Bartels

Serie, Teil 3

Hochkonjunktur für Dolmetscher & Übersetzer

Willkommen in der Realität deutschsprechender Einwanderer

Ganz ohne die Sprache geht es nicht – in keinem Land dieser Welt. Und obwohl viele Deutsche, Schweizer und Österreicher bereits wenigstens ein Jahr vor ihrer Auswanderung fleissig türkisch büffeln, stellen sie im Land ihrer Träume rasch fest, dass sie bereits für das Ikamet (Aufenthaltsgenehmigung) einen Dolmetscher benötigen. Die Original-Geburtsurkunde muss ins Türkische übersetzt und vom Notar notariell beglaubigt werden. Eine türkische Krankenversicherung, ein Bankkonto und eine Steuernummer muss her und das Ikamet-Anmeldeformular muss richtig beantwortet werden. Viel Papierkram in einer fremden Behördensprache und wir wissen ja alle, dass wir oftmals schon Mühe haben, das Beamten-Deutsch richtig interpretieren zu können. Demzufolge boomt das Geschäft für Übersetzer und Dolmetscher in der Türkei.

Die vereidigte Dolmetscherin und Übersetzerin Gülay Karadayı pendelt zwischen Alanya und Istanbul hin- und her. Sie hat sich auf die Fahnen geschrieben, den vielen Deutsch-Ansässigen in Alanya mit den neuen vereinfachten Gesetzen des Ikamet (Aufenthaltsgenehmigung) vertraut zu machen. Gülay übersetzt die türkischen Gesetzestexte ins Deutsche und postet diese im Worddokument auf ihrer Facebook-Gruppe Übersetzungen Alanya. Ein grossartiger kostenloser sozialer Dienst, den sie hier leistet. Diese professionelle gebündelte Hilfe fand der türkische Auswanderer 1961 weder in Deutschland, Österreich noch in der Schweiz vor.

Fatih Kuru (39) ist in Berlin geboren und bis zu seinem 14. Lebensjahr dort aufgewachsen. Seine Eltern kehrten mit ihrem Sohn vor 25 Jahren an die türkische Ägäis nach Bodrum zurück. „Ich musste erst mal türkisch lernen. Als Kind und Teenager lernst du schnell, doch ich musste als Kind erst einmal kapieren, dass meine Seele mehr deutsch als türkisch ist. Und das kannst du nie mehr ablegen – dieses deutsch sein. Meine türkischen Freunde amüsieren sich über meine Genauigkeit, doch ich weiss – insgeheim beneiden sie mich für meine preussische Tugenden. Als junger Mann stellte ich dann schnell fest, dass viele Deutsche, die sich in Bodrum ein Haus kaufen, Hilfe bei den Übersetzungen der deutschen Papiere benötigen, die anschliessend notariell beglaubigt werden müssen. So wurde ich Übersetzer. Das Geschäft läuft gut. Bei polizeilichen Anzeigen werde ich genauso zur Hilfe gerufen wie vom Gericht. Mein wichtigster Kunde war bisher der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, der sich vor zwei Jahren in Bodrum ein Haus kaufte.”

Hoşgeldiniz Herr Bundeskanzler Schröder a.D.

Der Ex-Kanzler (71) und seine vierte Ehefrau Doris Schröder-Köpf (51) gönnten sich vor zwei Jahren in Bodrum Gümüşlük ein Ferien-Domizil im Wert von rund 250.000 €. Die Wahl des Ehepaares fiel auf ein typisches Haus im mediterranen Stil, klein, weiß gekalkt und mit lila leuchtenden Bouganville bewachsen. Hier wollten sich Gerhard Schröder und Doris Schröder-Köpf zurückziehen, wenn sie genug vom tristen Wetter in ihrer Heimat haben. Aber erstens kommt es immer anders und zweitens als man denkt, denn im März 2015 trennte sie das Ehepaar nach 18 Jahren offiziell. Nun bleibt abzuwarten, wer von den beiden tatsächlich in Zukunft die Sommermonate hier verbringen wird. Vielleicht verkaufen sie ihre Sommerresidenz aufgrund der neuen familiären Situation auch einfach wieder.

Anette Hanisch (51) kam als 20-jährige mit ihrer Familie nach Bodrum. Sie arbeitet unter anderem für türkische Rechtsanwälte und europäische Haus-Käufer: “Ich übersetze von deutsch, englisch, französisch ins türkische und umgekehrt. Grundsätzlich läuft das Geschäft im Sommer immer besser als im Winter.” Einer ihrer wichtigsten Kunden ist die deutsche Honorar-Konsulin und Rechtsanwältin Dr. Gülay Kaman Kaplan in Bodrum. Sie wuchs in Hannover-Stadthagen auf und machte dort ihr Abitur. In Bielefeld studierte sie Rechtswissenschaften ehe die Honorar-Konsulin Güylay Kaman Kaplan mit ihrer Familie 2001 nach Bodrum auswanderte.

Vor der Kanzlei der Deutsch-Türkin in Bodrum Bitez weht die europäische, deutsche und die türkische Fahne. Seit 2006 wurde die Rechtsanwältin seitens der Bundesrepublik Deutschland zur Honorarkonsulin für die Provinz Mugla ernannt. Ja, das Geschäft für Dolmetscher und Übersetzer in der Türkei boomt. Doch wie sieht es tatsächlich mit der Integration in der Türkei aus? Leben Deutsch-Türken unter sich? Lernen Deutsche, Schweizer und Österreicher die türkische Sprache und finden sie Anschluss in der türkischen Gesellschaft? Die deutsche Honorar-Konsulin Dr. Gülay Kamaran Kaplan sagt: „Die rund 200 zugewanderten Deutschen und Deutschtürken haben ein anderes Knowhow im Gepäck. Dieses wirkt sich sowohl positiv als auch negativ aus. Meines Erachtens ist der Begriff Integration allerdings nicht unbedingt der richtige, da die hiesige Gesellschaft in Bodrum, nicht die Erwartungen an Hinzugewanderte stellt sich integrieren zu müssen. Jeder lebt nach seiner eigenen Fasson und eher nebeneinander her. Natürlich finden in binationalen Lebensgemeinschaften Schnittmengen statt, diese werden als Bereicherung angesehen. Die Deutsch-Türken haben es dahingehend möglicherweise schwerer, da die Grundhaltung der türkischen Gesellschaft die ist, dass man sich „türkisch” verhält, „türkisch” denkt. Da Deutsch-Türken andererseits aber genauso deutsch oder vielleicht sogar mehr deutsch als türkisch sind, fallen sie entsprechend eher auf.” 

Willkommen in Deutschland – hier in Bodrum Bitez residiert die Honorar-Konsulin Dr. Gülay Kaman Kaplan seit 2006.

Bedauerlicherweise gibt es keine exakten Statistiken über die Einwanderungszahlen in der Türkei – ganz anders als in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Ebenso gibt es keine Registrierungspflicht, so dass eine Datenerfassung nicht ohne weiteres möglich ist.​ Das Gleiche gilbt für die Deutsch-Türken.

Dr. Gülay Kaman Kaplan weiss: „Bei den Deutsch-Türken handelt es sich meistens um Menschen, welche aufgrund einer Eheschließung nach Bodrum ziehen. Da sie sich „unauffälliger” in die bereits bestehende türkische Gesellschaft integrieren, kann man dahingehend gar keine bestimmte Zahl äußern. Zufällig trifft man in einem Café, beim Einkaufen oder im Kindergarten jemanden, der ebenfalls deutschsprachig ist und hier lebt. Dennoch ist Migration in Bodrum ein Thema.
Es leben inzwischen Menschen verschiedenster Nationen in Bodrum. Dies erhöht den Bedarf von fremdsprachigem Bürgerservice, dem sich auch die Stadt Bodrum nunmehr anzupassen versucht. Mitunter haben sich Nicht-Türkische Ansässige zu einem Verein formiert.​”

25.000 Deutsche zieht es jährlich von Deutschland weg

Fast vier Millionen deutsche Auswanderer leben mittlerweile außerhalb der Bundesrepublik. Wie eine Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration zeigt, zieht vor allem der Wunsch nach Karriere und einem besseren Lebensstandard die Menschen in die Ferne. Oft spielen aber auch familiäre Gründe eine Rolle. Für die deutschen Unternehmen wird das zum Problem. Pro Jahr verliert die Bundesrepublik etwa 25.000 deutsche Staatsangehörige. Rund 1,5 Millionen Deutsche haben zwischen 2004 und 2013 ihrer Heimat den Rücken gekehrt. Davon wanderten allein 43’000 Deutsche in die Türkei aus. In der Regel handelt es sich um Akademiker oder Studenten, die den Sprung ins Ausland wagen – Talente, die auch in der hiesigen Wirtschaft immer knapper werden. Auch wenn die Mehrheit von ihnen früher oder später nach Deutschland zurückkehrt, bleibt der Wanderungssaldo seit den 60er-Jahren stets negativ, das heisst das weniger Deutsche zurückkehren als abwandern.

Mehr als 400’000 Deutsch-Türken gehen in die Heimat ihrer Großeltern

In den Jahren 2007 bis heute sind bereits 245.483 Deutsch-Türken in die Türkei zurückgekehrt beziehungsweise ausgewandert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Erhebung der türkisch-deutschen Stiftung für Bildung und wissenschaftliche Forschung (TAVAK). Bis im Jahre 2017 sollen weitere 200’000 “Deutschländer” sein, Almançı – so nennen einheimische Türken gern die Deutsch-Türken, welche in die Türkei zurück gehen beziehungsweise gehen werden. Doch nicht alle der deutsch-türkischen Einwanderer bleiben dauerhaft in der Türkei.

Eine davon ist Idil Bozdağ (41). Sie ist in Flensburg geboren und aufgewachsen. Ihr Vater Erol und ihre Mutter Asiye stammen aus Istanbul. Idils Liebe zu beiden Ländern hat sie zu ihrem Beruf gemacht. Seit zehn Jahren vermarktet sie erfolgreich die orientalischen Haar-Entfernungsmethoden mit Zwirn und Zuckerpaste. Mit 20 starb Idils geliebter Vater Erol, „ein echter Gentleman aus Istanbul”, sagt sie. „Ich entschied mein Studium als Fremdsprachenkorrespondentin aufzugeben, um das Land meiner Ahnen zu entdecken. Vermutlich wollte ich meinem Vater auf diese Weise trotz seines Todes besonders nahe kommen.” Nach einem Streitgespräch mit Idils Mama Asiye schleuderte Idil ihr entgegen: „Ich gehe in die Heimat meines Vaters. Meine Mama konterte damals: „Ich überlege seit 20 Jahren, ob ich in meine Heimat zurückgehe und du brauchst gerade mal zwei Minuten um diese Entscheidung zu fällen. Bravo!”

Daraufhin packte Idil ihre sieben Sachen und ging nach Istanbul. Sie fand sofort einen Job als Dolmetscherin bei der Firma Sessan, der drittgrössten synthetischen Sackfabrik in der Türkei. „So bildete ich die Brücke zwischen Holland, Deutschland und der Türkei. In kürzester Zeit bot man mir in dieser Firma einen Job in der Chefetage an, stellte mir einen Firmenwagen vor die Türe doch mein Gehalt war im Vergleich zu Deutschland lausig. Nach zwei Jahre Erfahrungen in Istanbul war ich erschöpft. 1995 war es als unverheiratete alleinstehende junge Frau verdammt schwer in Istanbul. Türkische Männer sind türkische Männer und sie unterscheiden sich sehr von deutschen Männern. Ständig musste ich länger arbeiten als meine männlichen Kollegen. Oft nach Feierabend holländische Kunden vom Flughafen abholen, ins Restaurant führen und unterhalten bis der Chef Stunden später dann mal endlich aufkreuzte. Irgendwann war es genug. Ich kehrte in den sicheren Hafen Flensburg zurück. Mein Fazit: Ich bin türkische Orientalin made in Germany.”
Heute sieht Idil Bozdağ ihre Leidenschaft für ihrem Beruf als Brücke zwischen den Kulturen. „Als Inhaberin der Firma Sugarlation Academy bilde ich seit zehn Jahren professionelle weibliche Kosmetiker, Friseure, Masseure in der Haarentfernung mit einer Zuckerpaste aus. Doch wann immer ich kann, kaufe ich mir ein Ticket und fliege nach Istanbul oder an die türkische Riviera. Allerdings sorge ich mich um die türkische Sprache meiner beiden Töchter. Weder die Ältere noch die Jüngere mag die Sprache sprechen und zwingen kann ich sie schwer. Es ist zum Heulen, aber so ändern sich die Zeiten. Je mehr wir Türken in Deutschland integriert sind, desto mehr geraten unsere türkischen Wurzeln in Vergessenheit.”

Ja, es stellt sich die Frage, wie viele Generationen braucht es tatsächlich, bis Auswanderer ganz in einem Land angekommen sind und ihre eigentliche Herkunft keine Rolle mehr spielt? Drei, vier oder fünf Generationen?

Serhat Gün (29) ist einer von den 784 Österreichern (Statistik Austria), die 2013 in die Türkei einwanderten. Seine Eltern sind Türken. Serhat besitzt den europäischen Pass. Er arbeitet als Stuckateur. Vor zwei Jahren entschied er spontan: „Ich will endlich wissen, wer ich bin. Österreicher oder Türke?″ Aufgrund des Baubooms in Bodrum fand er sofort einen gut bezahlten Job als Geschäftsführer in einem Marmor-Geschäft: „Das Arbeitsleben ist deutlich anstrengender als in Österreich. Ich arbeite sechs Tage die Woche von morgens um 7 Uhr bis 21 Uhr. In den Frühlingsmonaten oft auch weit nach Mitternacht. Überstunden werden nicht extra honoriert. Arbeitsverträge wie in Österreich gibt es nicht. Mein Chef zahlt meine Krankenversicherung. Dazu ist er gesetzlich verpflichtet. Alles andere ist in der Regel eine mündliche Absprache zwischen deinem Chef und dir.” Nach zwei Jahren kommt Serhat zur Erkenntnis: “Ich bin mit sehr hohen Erwartungen in das Land meines Vaters gegangen. Heute bin ich ernüchtert. Ich bin österreichisch geprägt, aber mein Herz schlägt türkisch. Tatsache ist aber, dass das Leben in Österreich deutlich einfacher ist. So sehr ich die Türken liebe, so sehr ich Bodrum liebe, aber mich erwartet ständig Chaos, das macht auf Dauer ganz schön müde. Wahrscheinlich kehre ich nach Wien zurück, denn dort lebt mein Sohn Polat, der inzwischen vier Jahre alt ist und der kein einziges Wort türkisch kann. Meine deutsche Frau spricht kein türkisch und sie hat kein Interesse mit meinem Sohn in die Türkei einzuwandern. Also werde ich zurückkehren, wenngleich mit sehr gemischten Gefühlen.”

Ist denn aufzuhalten, was naturgegeben ist?

Ist es nicht schon immer so gewesen, dass sich irgendwann alles so vermischt und zusammen wächst, dass es gar keine Rolle mehr spielt von woher man eigentlich stammt? Die Honorar-Konsulin Gülay Kaman Kaplan sagt: „Heimat ist dort, wo man sich wohl fühlt. Mein Ehemann und meine Kinder und ich fühlen uns in Bodrum zu Hause auch wenn sie nicht unsere Geburtsstadt ist. Ich habe mich bewusst entschieden hier zu leben. Bodrum ist keine typische türkische Stadt. Sie vereint viele Kulturen und Lebensgewohnheiten, sodass die freie Entfaltung möglich ist.​ Manchmal vermisse ich Deutschland.​ Dabei handelt es sich aber mehr um Familienmitglieder, Freunde und verschiedene Lebensgewohnheiten und Speisen. Allerdings und das sage ich ganz ehrlich: in Deutschland leben würde ich nicht wollen.”

Deutsche Studenten zieht es nach Istanbul

Vor fünf Jahren zählte das deutsche Austausch-Studentenprogramm Erasmus 30 Studenten aus Deutschland die in Istanbul studieren. Inzwischen sind es 300 – Tendenz weiterhin steigend. Der Erasmus-Jahresbericht 2013 verrät noch mehr: Noch nie war die Türkei reizvoller für deutsche Studenten als heute: 2013/14 studierten 1.781 Studenten an türkischen Universitäten. 2009/2010 waren es erst 106 Studenten aus Deutschland!

Bitte klicke auf das Foto, damit du die Tabelle und den Textauszug lesen kannst.

Marie Hartlieb (26) aus Oldenburg ist eine dieser Austausch-Studentinnen. Sie kam 2010 das erste Mal nach Istanbul um hier zu studieren. Vor einem Jahr kehrte sie an den Bosporus zurück und mietete sich ein kleines Apartment in Şişli. Gemeinsam mit deutschen, englischen und türkischen Studenten betreibt sie den Blog Maviblau. Junge Fotografen, Videografen, Künstler und Studenten, die “ihr” Istanbul den Deutsch- und Englisch sprechenden und Türken mit ihren Augen präsentieren: „Meine Eltern lieben diese bunte Stadt genauso wie ich. Ich kann mich hervorragend verständigen, aber ich werde nie in der Lage sein in der türkischen Sprache das zum Ausdruck zu bringen, was ich denke und fühle wie in meiner Muttersprache.”

Deutsch-Sprechende pauken Türkisch auf Facebook

Ein Blick auf Facebook in den verschiedenen Gruppen wie in der öffentlichen Facebook-Gruppe Türkisch für Deutsche, die bereits 5.341 Mitglieder zählt, verrät wie viele unterschiedliche Sprachkurse für Deutsche, Österreicher, Schweizer und Deutsch-Türken angeboten werden. Da werden Vokabel-Kärtchen gepostet, Grammatik-Tests zur Verfügung gestellt und mancher bittet darum zu überprüfen ob seine Übersetzung vom deutschen ins türkische fehlerfrei ist – und umgekehrt.

Die Deutsch-Türkisch-Community boomt wie nie

Facebook spiegelt auf eindrückliche Weise wieder, wie stark die deutsch-türkisch-sprechende Community boomt. Da gibt es die Facebook-Gruppe Deutsch-Türkische-Freundschaft mit 2.775 Mitgliedern, die in grossen Lettern auf ihrer Entré-Seite schreibt: „Wir sind alles Menschen.” Hier geht es vor allem unter den Deutschen, Türken und Deutsch-Türken humorvoll zu. Dann gibt es die Facebook-Gruppe Die Liebe zu der schönen Türkei mit 457 Mitgliedern, die vor allem die Türkei als wunderschönes Reiseland präsentiert, oder die geschlossene Gruppe Deutsch Türkisch Kultur mit 1.327 Mitgliedern, die ebenfalls gern Fotos von türkischen Essen bis zu schönen türkischen Reiseziele zeigt. Die geschlossene Gruppe Wir sprechen Deutsch und leben in der Türkei mit 2.369 Mitgliedern, Türkei Türkiye – pazari tausche mit 1.272 Mitgliedern und die Facebook-Gruppe Türkei-Rückkehrer / Türkiye´ye dönüs mit 3.138 Mitgliedern. Last but not least Türkische Akademiker mit sage und schreibe 23.047 aktiven Mitgliedern und Integration durch Bildung mit 7.054 Mitgliedern! Es gibt weitaus noch mehr deutsch-österreichisch-schweiz-türkische Gruppen. Selbsthilfegruppen für deutsch-sprechende Frauen, die Liebeskummer mit einem Türken oder Deutsch-Türken haben. Koch- und Sprachkurse. Job- und Tausch-Börsen. Ein entsprechender Suchbegriff auf Facebook und du wirst fündig.

Karman Isamyil engagiert sich auf Facebook in Sprach-Gruppen. Er bastelt Lern-Karten auf seinem Handy und postet diese.

Kamran Ismayil (26) ist weder Deutscher noch Türke, doch er spricht hervorragend beide Sprachen: „Meine Eltern und ich sind aus Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans. Wir leben seit vier Jahren in Neuwied (Rheinland Pfalz). Mein Vater Ilka ist Maler von Beruf. Meine Mama Sayara Hausfrau. Sie lernt fleissig Deutsch in einem Kurs. Vor acht Monaten bin ich in die Facebook-Lerngruppe Türkisch für Deutsche beigetreten. Inzwischen habe ich dort sehr viele Freunde. Ich lerne immer besser Deutsch und gleichzeitig kann ich meinen Freunden behilflich sein noch besser die türkische Sprache zu lernen. Mit dem Picsart Foto-Programm mache ich schöne Lernkarten, die ich in der Gruppe teile. Da ich keinen Computer habe, mache ich das alles mit meinem Handy. Das ist ein wenig anstrengend, aber so etwas gab es vorher kaum. Viele in der Gruppe drucken die Kärtchen einfach aus und heften sie überall in der Wohnung an, damit sie so ständig üben können. Das ist doch toll.”

Karman Isamyisl grösster Wunsch ist es, in Neuwied oder Umgebung eine Ausbildung als Sanitär-Installateur (Heizung, Wasser) zu machen. „Manchmal wünschte ich, ich wäre schon vor 15 Jahren nach Deutschland gekommen. Ich fühle mich hier sicher und zu Hause. In meiner Heimat ist es gefährlich und es gibt keine Perspektive für Jung und Alt. Doch hier in Deutschland kann jeder alles schaffen. Ganz ohne Vitamin B”, sagt Karman überzeugt. „Sicherlich fehlen mir meine Freunde manchmal. Aber ich bin in Neuwied sehr glücklich.”

Fortsetzung morgen: Serie, Teil 4:

Lese morgen die spannende Reportage über Cevat Oflu (77), den ich zufällig auf der Haliç – am Golden Horn in seinem Elternhaus traf. Cevat Oflu ist Istanbuler, doch er lebt mit seiner Familie seit mehr als 40 Jahren in Flensburg. Was ich unmittelbar zu Beginn unserer Begegnung nicht wusste: Der Rentner ist der Vater des berühmten Schauspielers Aydoğan Oflu (†38) alias ,Kurti’. Wie viele andere Türken pendelt Cevat Oflu seit vier Jahrzehnten zwischen zwei Welten hin- und her: “Meine Kinder sind inzwischen erwachsen und haben eigene Kinder in Flensburg. Da kann ich nicht mehr so einfach in meine Heimat zurück, denn meine Heimat ist jetzt da, wohin ich meine Familie 1972 hinbrachte und das ist nun mal Deutschland.”

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