Der Konflikt tritt in die heiße Phase – Die Türkei und ihre westlichen Verbündeten setzen libysche Kämpfer, die sie ausgebildet und bewaffnet haben, um Muammar Gaddafi beseitigen zu lassen, jetzt auch in Syrien ein.
Etwa 600 libysche „Freiwillige“ sind bereits in Syrien eingetroffen. Die britische Zeitung The Daily Telegraph berichtete über geheime Treffen, die am Freitag zwischen Offiziellen der Türkei, Vertretern der syrischen Opposition und libyschen Kämpfern in Istanbul stattgefunden haben. Quelle: M. K. Bhadrakumar, informationclearinghouse - Luftpost
Schon seit Monaten werden über die Türkei und Jordanien große Mengen Waffen nach Syrien geschafft, damit dort ein Bürgerkrieg angezettelt werden kann, jetzt wurden aber erstmals auch „Freiwillige“ eingeschleust.
Diese Maßnahme wurde notwendig, weil es nicht gelungen ist, eine größere Anzahl Soldaten der syrischen Streitkräfte zum Überlaufen zu bewegen – desertiert sind nur ganz wenige. Die Türkei und die Westmächte versuchen verzweifelt den Mythos eines von starken Kräften getragenen „syrischen Aufstandes“ zu schaffen, damit ihre eklatante Einmischung nicht zu deutlich wird.
Moskau hat heute mit der Ankündigung reagiert, dem syrischen Regime Waffen liefern zu wollen, damit es sich verteidigen könne. Der russische Außenminister Lawrow war kurz davor, jedes Waffenembargo gegen die syrische Regierung als „unfair“ anzuprangern. Moskau hat bestätigt, dass eine russische Flugzeugträger-Kampfgruppe zum syrischen Flottenstützpunkt Tartus im östlichen Mittelmeer in der Nähe der türkischen Grenze mit Syrien unterwegs ist. Lawrow kritisierte die Einmischung des Auslandes in Syrien – ohne die Türkei, Jordanien oder andere Staaten zu nennen.
Alles deutet auf den Ausbruch eines Flächenbrandes hin. Ein weiteres sicheres Anzeichen dafür ist auch die für das Wochenende angekündigte Reise des US-Vizepräsidenten Joseph Biden nach Ankara. Er dürfte der Türkei signalisieren, dass sie in Syrien intervenieren kann – ohne Angst vor einem Einspruch (der USA) haben zu müssen. Der jordanische König Abdullah reiste wieder einmal nach Israel. Er stellt die Verbindung Saudi-Arabiens zu Israel her und ist ein wichtiger Verbündeter der westlichen Geheimdienste in dieser Region. Die Türkei ist dabei, ihre Zurückhaltung aufzugeben und in dem Syrien-Konflikt offen Partei (für die Aufrührer) zu ergreifen. Der türkische Außenminister Ahmet Davitoglu ließ heute zum ersten Mal durchblicken, dass die Türkei zu einer Invasion Syriens bereit ist, falls sie von ihren westlichen Verbündeten grünes Licht dafür erhält.
Er sagte das, bevor er zu einem Treffen von EU-Außenministern mit Vertretern der Arabischen Liga – aus Saudi-Arabien und Katar – abreiste.
Der 29. November, der Tag, an dem Davutoglu das sagte, wird als denkwürdiges Datum in der Geschichte der von Kemal Atatürk gegründeten türkischen Republik in Erinnerung bleiben. Die von Atatürk gezogene „rote Linie“ bedeutete, dass sich die Türkei niemals wieder in die Angelegenheiten muslimischer Länder im Mittleren Osten einmischen und stattdessen auf ihre eigene „Modernisierung“ konzentrieren sollte. Offensichtlich hält die heute (in Ankara) an der Macht befindliche, dem Islam verpflichtete Regierung die Türkei bereits für „modern genug“ und glaubt jetzt, das (nach dem Ersten Weltkrieg untergegangene) Osmanische Reich wiederbeleben zu können.
Wenn eine türkische Armee in ein arabisches Land einfiele, wäre das ein historischer Wendepunkt – fast ein Jahrhundert, nachdem die Türken durch die „arabische Revolte“ vertrieben wurden. Diese Entwicklung entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Die Arabische Revolte gegen die Türken wurde damals von Großbritannien inszeniert. Und obwohl Großbritannien heute eine viel schwächere
Macht ist, spielt es wieder eine Schlüsselrolle – nur dass es dieses Mal die Türken dazu ermuntert, wieder mehr Einfluss auf die arabischen Welt auszuüben. Vor hundert Jahren hetzten die Briten die Araber erfolgreich gegen die Türken auf. Heute verbünden sich die Türken mit einigen Arabern, die Händel mit anderen Arabern haben.
Botschafter M. K. Bhadrakumar war Karriere-Diplomat im Diplomatischen Dienst Indiens. Er vertrat sein Land in der Sowjetunion, in Südkorea, in Sri Lanka, in Deutschland, in Afghanistan, in Pakistan, in Usbekistan, in Kuwait und in der Türkei. Unter blogs.rediff.com betreibt er einen eigenen Blog.
Linkverweise
IRAN-EILMELDUNG Der Spiegel 4.12.11: 16:20
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