Einen Abend der etwas anderen Art erlebte man bei der Premiere des russischen Gastspieles „Die Stadt“ von Jewgenij Grischkowez im Schauspielhaus in Wien.
“Die Stadt” im Schauspielhaus Wien (© Moscow School of Modern Drama)
Frohen Mutes, ein Stück eines hochgelobten zeitgenössischen Autors aus Russland präsentiert zu bekommen, fand sich zahlreiches Publikum im umgebauten Bühnenraum ein. Je zwei sich gegenüberliegende Zuschauerränge ließen in ihrer Mitte nur einen schmalen Gang frei, der den fünf SchauspielerInnen zum Agieren übrig blieb. Vier Aluminiumleitern, so wie sie in vielen Haushalten anzutreffen sind, dienten als Bühnenrequisiten und mutierten zu Ehebetten, einem Sofa, Küchenstühlen und sogar einem Taxi. Der kargen aber dienlichen Ausstattung stand offensichtlich schauspielerisches Können gegenüber. Dass hier keine genaueren Aussagen gemacht werden können, liegt an der leider ausbaufähigen Bedienung der elektronischen Anzeige der deutschen Untertitel. Nicht nur, dass das Geschehen permanent abseits des Blickfeldes der Untertitelanzeige stattfand – die Bedienung derselben hatte wohl ihre liebe Not damit. Da der oder diejenige, die für die korrekte Anzeige der Untertitel zuständig war der deutschen oder russischen Sprache ganz offensichtlich unkundig ist, hüpften die Textpassagen zu Beginn wild nach vor und zurück, oder legten ein so rasantes Tempo vor, dass ein vollständiges Mitlesen derselben gewiss die Verleihung einer Tapferkeitsmedaille nach sich gezogen hätte. Warum es auch immer zu dieser Malaise gekommen war: sie war nicht die einzige Herausforderung des Abends. Zumindest für das deutschsprachige Publikum. Dieses musste nämlich neidisch jenen Lachern nachtrauern, die die russischsprachigen BesucherInnen, die an diesem Abend scheinbar in der Überzahl waren, in unregelmäßigen Abständen von sich gaben. Ob diese unterschiedlichen Reaktionen an der falschen Textanzeige, an einer ungenügenden Übersetzung, einer skurrilen Regie oder einfach einem gänzlich anderen Humor als dem deutschsprachigen lagen, ließ sich nicht verifizieren. Zwar war es schwer, inhaltlich dem Geschehen zu folgen, der Abend war aber zumindest damit ausgefüllt, dass man all diese Unstimmigkeiten ständig versuchte intellektuell zu bereinigen. All diese Widrigkeiten deckten leider fast zur Gänze nicht nur das schauspielerische Geschehen zu, sondern verhinderten auch eine qualitative Auseinandersetzung mit dem Text. Der realistische Ansatz – so viel wurde zumindest aus den Reaktionen des russischsprachigen Publikums deutlich – wurde immer wieder durch humorige Textpassagen unterbrochen, die jedoch beim reinen Lesen nicht als solche erkennbar waren. Der Plot der Geschichte – die Sinnentleerung eines jungen Mannes in der Stadt, der weder von seinem Freund, noch von seiner Frau oder seinem Vater Zuspruch findet und sich letztendlich auf eine Reise macht, deren Ausgang ihm selbst ungewiss ist, ist in Abwandlungen nicht nur in der russischen Literatur, sondern auch in der deutsch- französisch- und englischsprachigen vorhanden.
Die auf sich selbst zurückgeworfene Existenz war zur Zeit des Kommunismus nicht wirklich ein literarisch verbreitetes Thema und so scheint es hier doch noch Nachholbedarf zu geben. Dass dies bei Grischkowez mit einer kräftigen Prise Humor gewürzt vonstatten geht, weist auf seine besonderen schriftstellerischen Qualitäten hin.
Eine neuerliche Möglichkeit den Autor kennenzulernen gibt es noch am 15. und 16. März, wenn sein Werk „Das Haus“ zur Aufführung gelangt. Die Umschiffung technischer Tücken wäre wünschenswert!
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