Die Tasche mit den Sieben Sachen


Die Tasche mit den Sieben SachenEs war einmal ein Vater. Der schenkte seiner
Tochter eine kostbare Tasche. Für deine
"Siebensachen," sagte er. Der
Vater machte nie viele Worte.
An welche "sieben Sachen" denkst du, fragte
die Tochter.
"Das musst du selbst
herausfinden", antwortete der Vater,
„Diese Tasche wird dir Glück bringen, füllst
du sie mit den richtigen sieben Sachen!“
Da ging die Tochter des Weges und überlegte,
wie die Tasche zu füllen sei.
F r e i h e i t fiel ihr als erstes ein.

Freiheit fülle ich ins größte Fach!
Sie packte alle Freiheiten hinein,
die sie lockten, die das Leben ihr
bot. Eine nach der anderen. Nicht lange
danach verliebte sich die Tochter.
Leichtfüßig ging sie durchs Land. Die sieben
Himmel der Glückseligkeit taten sich ihr
auf. Und sie sammelte alle Funken der Liebe
ein, die ihr entgegen sprühten.
L i e b e dachte sie, kannst du nie genug

haben.
Sie füllte sie mit glücklicher Hand in ihre
Tasche.
Und dann fiel ihr ein drittes ein:

V e r t r a u e n !
Sie saß auf einem Stein,
die Beine hochgezogen und träumte
vor sich hin. Ohne Vertrauen -
so dachte sie - geht nichts.
Ohne Vertrauen zerbrechen Freundschaften.
Ohne Vertrauen wachsen Ängste ins Uferlose,
verliert die Liebe ihre Farbe.
Auf etwas vertrauen können, an etwas glauben können
muss der Mensch. Das gibt ihm Halt zum
Weitergehen.
Sie sprang auf und sortierte
Vertrauen in die großen Seitenfächer ihrer
Tasche. Nach dem ersten Eifer verlor
die Tochter die Lust, weiter nach den
Siebensachen zu suchen. Sie hatte
Wichtigeres zu tun. Sie stellte die
Tasche in eine Ecke und hängte sich
einen leichten Beutel über
die Schulter.
So tauchte sie unter im Getriebe der Tage.
Was auf sie zu kam, kam auf sie zu.
Was verloren ging, ging verloren.
Die Liebe litt Schmerzen.
Die Freiheit nahm Züge
von Verlorenheit an.
Sieben Jahre gingen so
ins Land.
An einer Wegkreuzung hielt die
Tochter an, die Jahre zu überdenken.
Ein Kunterbunt wirbelte durch ihren Kopf.
Sie erinnerte sich an vieles, an Reisen
durch die Welt, an Glücksmomente, an Strähnen
der Trauer, an Stillstand und Aufbruch.
Da fiel ihr die Tasche wieder ein.
Sollte sie wieder anfangen zu suchen
nach den wichtigen Siebensachen?
W a c h s a m k e i t schoss

es der Tochter durch den Kopf.
Wachsamkeit gehört noch in meine Tasche. Ohne
Wachsamkeit läuft nichts!
Und an M u t dachte sie. Davon

brauche ich ganz viel, sagte sie sich.
Mut gehört für mich zu den wichtigsten
Siebensachen. Er ist die Triebfeder zum
Vorwärts kommen!
Auch T o l er a n z legte

sie behutsam hinzu. Toleranz, die zulässt
und auffängt. Toleranz, die den Horizont
weitet, Toleranz, unter der Verstehen
aufblüht im Grau des Alltags.
Aber - sprach der Vater

nicht von „sieben“ Sachen?
Die Tochter hatte
erst sechs gesammelt.
Sie überlegte: Freiheit
- Liebe - Vertrauen - Wachsamkeit - Mut -
Toleranz. Die Tasche war schon voll und sehr
schwer.
Konnte sie noch mehr aufnehmen?
Waren sechs Dinge nicht genug?
Was könnte zum Glück noch fehlen?
Ein wenig ratlos ging die
Tochter ihrem Tun nach.
Sie malte gerne und schnitzte.
Nach sieben Tagen legte sie ihr
Schnitzmesser an die Seite. Vor ihr stand
eine Holzfigur. „Hoffnung“ nenne ich dich,
flüsterte sie und stellte die kleine
„Hoffnung“ ins Licht ihres Fensters.
H o f f n u n g, ich hab es gefunden, rief

die Tochter überglücklich.
Die Hoffnung fehlte noch!
Und sie füllte Hoffnung in die letzten
Freiräume und Ritzen der Tasche.
Hoffnung oben drauf als letztes und siebtes
der Siebensachen.
Vorsichtig schloss sie nun ihre
Tasche. Und –sie staunte –
beim Hochheben war
sie nun federleicht.
 
Da wusste die Tochter,
dass das Maß stimmte, dass mit der Hoffnung
die Gewichte des Lebens tragbar werden.

Verfasser unbekannt

Die Tasche mit den Sieben Sachen

Das Bild wurde von Karin Heringshausen zur Verfügung gestellt


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