Die Staatsanwaltschaft findet keine Beweise für einen Verrat von Dienstgeheimnissen im Fall Uli Hoeneß und legt ihn zu den Akten. Die Süddeutsche erkennt hingegen eine spektakuläre Nachricht, weil so viele Beamte, im folgenden "Hinz und Kunz" genannt, offenbar Kenntnis hatten.
Bei der Süddeutschen Zeitung Online Ausgabe hat sich heute alles um den Fall Uli Hoeneß und den Bruch des Steuergeheimnisses gedreht. Die Redaktion konnte es kaum fassen, dass über 1000 Beamte Zugriff (zeitweilig noch mehr, was inzwischen zurückgewiesen wurde) auf die Steuerakte des ehemaligen Bayern-Bosses hatten. Missstände beim bayerischen Fiskus, lautete eine Bewertung, die sich aus dem Untersuchungsergebnis der ermittelnden Staatsanwaltschaft speist. Das Verfahren hatte Hoeneß selbst angestrengt, um den gemeinen Whistleblower aus der Steuerbehörde einer gerechten Strafe zuzuführen. Doch das Ergebnis lautet: Einstellung des Verfahrens. Und das ist auch gut so.
Die Süddeutsche sieht das mal wieder anders. Sie ignoriert die eigentliche Nachricht und bläst den massenhaften Zugriff auf sensible Daten zu einem Skandal auf. "Hinz und Kunz lesen Akten von Müller und Hoeneß", heißt es in einem Kommentar von Ulrich Schäfer. Der Staat dürfe ihnen (also Hinz und Kunz Beamter) den Zugriff nicht erlauben, fordert er, da sonst das Vertrauen schwinde und der Wille zur Ehrlichkeit weiter abnehme. Die Ermittlungsbehörden haben damit aber kein Problem, weshalb sie den Fall auch zu den Akten legten. Offenbar hat mindestens ein Beamter oder eine Beamtin, aber mit Sicherheit nicht alle Zugriffsberechtigten dem Stern brisante Informationen zugespielt. Warum das Steuergeheimnis dann kein Geheimnis mehr sein soll, weiß offenbar nur die SZ.
Das Recht auf ein Steuergeheimnis hat nur dann einen Sinn, wenn die Amtsverschwiegenheit ein Vertrauen schafft, das die Bereitschaft zur Offenlegung steuerlicher Sachverhalte erhöht. So steht es bei Wikipedia, das aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zitiert. "Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist der Zweck des Steuergeheimnisses, durch besonderen Schutz des Vertrauens in die Amtsverschwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung steuerlicher Sachverhalte zu fördern, um so das Steuerverfahren zu erleichtern, die Steuerquelle vollständig zu erfassen und eine gesetzmäßige, d.h. insbesondere auch gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen."
Im Fall Hoeneß gab es dieses Vertrauen aber nicht, als er seine Einkünfte bewusst vor dem Finanzamt verschleierte. Statt auf Transparenz vor den zur Verschwiegenheit verpflichteten Beamten zu setzen, hoffte Hoeneß lieber auf eine Gesetzesänderung, die ihm als Betrüger Amnestie in Aussicht stellte, aber letztlich nicht zustande kam. Warum diskutiert also die SZ dann nicht die Frage, ob es überhaupt statthaft ist, dass sich ein Steuerbetrüger, der sich nicht nur finanziell, sondern auch politisch verzockte, nun im Nachhinein auf das Steuergeheimnis beruft? Und wo bleibt die Parteinahme für Menschen, die Sozialleistungen beziehen und damit per amtlichen Datenabgleich gar keine Geheimnisse mehr haben dürfen?
Wäre es den Ermittlern hingegen gelungen, den Whistleblower im Finanzamt zu enttarnen und ihn von einem Gericht wegen der Weitergabe eines Dienstgeheimnisses verurteilen zu lassen, Hoeneß hätte zivilrechtliche Schadenersatzansprüche geltend machen können. Was das erst für eine komische Nummer gewesen wäre, möchte sich wohl niemand ausmalen. Im übrigen ist das Gejammer über ein gebrochenes Steuergeheimnis ziemlich daneben, wenn man bedenkt, dass Hoeneß mit Millionen, die er für transparentwürdig hielt, öffentlich um sich warf und Respekt für eine bloß zur Schau getragene Wohltätigkeit einforderte.
Ergänzung: Die Steuergewerkschaft findet den breiten Zugriff auf die Hoeneß-Akte in Ordnung und nicht ungewöhnlich, wie von der Süddeutschen dargestellt.
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