Heute eine Einladung zu einer Zeitreise in eine andere Welt.
Genauer gesagt in die Sechshauserstrasse 43 im fünfzehnten Wiener Gemeindebezirk. In eine dort seit über 50 Jahren ansässige Institution, die SüsswarenAG, kurz SÜWAG.
Nun bin ich erstens ein sehr nostalgisch veranlagter Mensch, und zweitens ein Wiener Kind.
Das eine potenziert das andere, zu mindestens in meinem Fall.
So kommt es, dass, in welcher Stadt ich auch bin, ich die Orte, die ein wenig versteckt, mit ihrer eigenen Geschichte, etwas abseits der Hauptmeridiane, und in ihrer ureigenen Form erhalten, lieber mag, als die geleckten, mit Geld und forschem Aufmotz-Zwang von gewieften Geschäftsleuten errichteten Läden… (Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel)
Mein Herz möchte Stimmungen einfangen, meine Fantasie versucht, Geschichten vergangener Tage zu erahnen, meine Augen wollen Ungewöhnliches sehen.
Und ungewöhnlich, ausserordentlich, einzigartig, das ist die SÜWAG mit Sicherheit!
Allein der Name in seiner wunderbaren, etwas verschrobenen Nüchternheit ist wahrlich ein Relikt aus einer anderen Zeit!
Eine Zeit, in der man Geschäfte noch nach ihren Waren benannte und es nicht nötig hatte, sich Modetrends anzupassen, backwütige Bobos mit Cupcake-Präsentiertellern anzulocken und sich mit Cake-Pops-Sets kessen Hausfrauen anzubiedern…
(Bitte keine Protest-Emails zur Ehrenrettung von Cupcakes und Cakepops zu schreiben, ich esse diese Dinge sehr gerne. Sie sind nur Sindflut- artig über uns gekommen, als wenn wir in Mitteleuropa keine eigene Backtraditionen hätten.)
Erst seit ein paar Jahren kenne ich diesen Hauptsitz der SÜWAG.
Als ich ein kleines Mädchen war, pilgerten meine Mutter und ich immer in die Josefstädter Strasse, wo die SÜWAG eine kleine Dependance hatte. Wir kauften Rosen aus Oblaten-Teig, Zucker-Blümchen, kandierte Veilchen und, ganz wichtig, sogenannte Ehrenkerzen, die auf keiner Geburtstagstorte fehlen durften. Das sind die Kerzlein, die, in Gold, mit grünen Verziehrungen und entweder mit gelbem, roten, blauen oder rosa Dekor, in der Mitte einer jeder Torte, die etwas auf sich hält, prangt. Inmitten der anderen Kerzen in der Anzahl der Lebensjahre.
Sie werden heute noch immer verkauft, zum Glück, denn ich wüsste nicht, wo ich sie sonst finden würde!
Nun ist dieses Geschäft zu und ich entdeckte spät, aber doch, den Hauptsitz.
Er ist, wie schon erwähnt, in der Sechshauserstrasse, etwas versteckt in einem typisch wienerischen Hof, den man durchquert und dort, wo die vielen Pflanzen stehen, die Eingangstür findet. Und Very Vintage, indeed..!
Es empfängt einen der Junior-Chef ‘Schoko-Michi’ inmitten seiner Schätze, assistiert von einer Verkäuferin, der man den Titel ‘Wiener Original’ verleihen müsste!
Immer ein Gruss, wenn man eintritt, immer ein Rat, wenn man ihn braucht, immer eine Einladung zum Verkosten der Leckereien, die das Geschäft anbietet!
Tortenspitzen aller Art und Form, unglaublich viele Dekorationen für Taufe und Hochzeit, die ergiebigsten Lebensmittelfarben (ich glaube, ich werde mit diesen kleinen Tütchen bis an mein Lebensende Baiser und Zuckerglasuren einfärben können!), die Spezialität des Hauses, Schicht-Nougat, alle möglichen Backformen, unzählige kuriose Keks-Ausstecher, Spritztüllen, Backspray, wie ihn die Profis verwenden, speziell geformte Oblaten für Kokoskuppeln (siehe mein Post Wiener Mocca-Kokoskuppeln), Marzipan-Dekor und und und!
Auch wurde das Geschäft vor kurzem umgestellt, der Laden ist nun, nennen wir’s, begehbarer ( davor handelte es sich um ein charmantes, aber unglaublich enges Labyrinth, das sich dem nicht geübten Besucher nur langsam und mit einem gewissen Zeitaufwand erschloss. Man musste, wenn man etwas bestimmtes gefunden hatte, sich sehr konzentrieren, um es nachher wieder zu finden).
Nun wurde ein bisschen Platz geschaffen und es erfreuen sogar Vitrinen mit alten Blechschachteln und Sammlerstücken den Besucher ! Auch eine wunderschöne alte Registrier-Kassa gibt es zu bewundern. Ich finde es sehr schön, dass man diesen Objekten Ehre erweist und sie ins rechte Licht gerückt hat!
Wer nun Lust auf eine Reise in das Wien der fünfziger Jahre bekommen hat, der setze sich, nach einem Café im Palmenhaus im Burggarten, in den Bus 57a vis-à-vis des Hauptausganges beim Mozart-Denkmal (Endstation: lauter freie Sitzplätze!), reise eine Viertel Stunde quer durch Wien und steige bei der Station Stiegergasse aus !
Man muss dieses versteckte Eck von Wien einmal gesehen haben!
Zuckerbäcker werden mit vollen Taschen und einem seligen Lächeln wieder rauskommen.
Die SÜWAG, eine Wiener Institution.
P.S. Danke dem lieben Junior-Chef für die Aufnahmen, ich weiss, der Senior ist kein Photo-Fan… !
Dieser Post lag mir aber sehr am Herzen und ohne diese Photos wäre alles nur halb so schön gewesen!