Absolut faszinierend!
Oliver Ryan ist allem Anschein nach das Musterbeispiel einer gelungenen bürgerlichen Existenz: als Kinderbuchautor international erfolgreich, als Ehemann im Bekanntenkreis geschätzt. Doch eines Abends geschieht etwas, was sein Kartenhaus der Wohlanständigkeit zum Einsturz bringt.
„Was immer es mit Olivers Herkunft auf sich haben mochte, sie war ganz offensichtlich sein wunder Punkt. Und auch wenn ich damals noch nicht ahnte, zu welcher Gewalt Oliver fähig war, so verhieß sein Blick doch nichts Gutes“ (Klappentext)
„Ich hatte eine stärkere Reaktion erwartet, als ich das erste Mal zuschlug“. So beginnt die Geschichte von Oliver. Ich musste heftig schlucken und war mir gar nicht sicher, ob ich das lesen wollte. So ein unsympathischer Kerl. Das erste Kapitel, in dem er erzählt, hat in mir fast Übelkeit erzeugt. Aber … das hat sich mit jedem Satz geändert. Liz Nugent lässt alle zu Wort kommen. Alle außer Alice natürlich. In loser Reihenfolge erzählen Olivers Weggefährten und Menschen, die mit Alice befreundet waren, Begebenheiten, die irgendwie alle etwas mit Oliver zu tun haben. Ich fand es faszinierend, wie immer mehr von Olivers Vergangenheit aufgedeckt wurde. Jeder erzählt zwar seine eigenen Geschichten, aber es gibt immer Berührungspunkte mit Oliver. So lerne ich ihn Stück für Stück kennen und komme ihm sogar ziemlich nah, was ich mir anfangs absolut nicht vorstellen konnte.
Man sollte schon sehr aufmerksam lesen. Denn Liz Nugent verschwendet keine Worte. Sie hat einen sehr dichten Schreibstil, da ist wirklich kein Wort zu viel. Es sind „nur“ 236 Seiten und ich erfahre so viel! Beim Erzählstil dachte ich sofort an Harry & Sally. Jeder erzählt in der Ich-form und jeder erzählt mir, spricht mich an beim Erzählen. Dadurch werde ich zu einem Teil dieser Geschichte, ja ich werde fast eins mit ihr. Ich mag diese Art nicht immer, oft ist es mir zu persönlich oder zu banal. In diesem Buch liebe ich es.
Je tiefer ich eindringe, um so faszinierter bin ich. So viele Perspektiven, die mich anfangs etwas ratlos machten, fügen sich am Ende zu einem perfekten Ganzen. Und jedes noch so kleine Puzzleteilchen hat einen wichtigen Platz und am Ende entsteht ein überraschendes und absolut „rundes“ Bild. Auch das Bild von Oliver verändert sich, je mehr ich über ihn erfahre. Er ist am Ende zwar immer noch kein Sympathieträger. Aber ich verachte ihn nicht mehr so sehr wie am Anfang und „wie das Leben so spielt“ passt hier perfekt!
Ein gelungenes Debüt, das mich sehr fasziniert hat!
Das Buch ist im Bastei Lübbe Verlag erschienen.
Meine Rezension bei Amazon und weitere Infos zum Buch findet ihr hier.