Ein Gastbeitrag von Simon Stratmann
Kristina Schröder hat gesündigt. In doppelter Hinsicht: Den einen zu links, den anderen zu rechts. In einer Partei wie der CDU erfordert das entweder Abbitte oder Exkommunizierung. Die interessierte Öffentlichkeit wird bestimmt noch erleben, welche der beiden Wege sie beschreiten wird. Medial ist der Fall völlig klar, denn die Scharfrichterin und Wächterin „feministischer Theorie“ hat ihr Urteil längst gesprochen. Alice Schwarzer hat dem SPIEGEL genau das geliefert, was in herrschender Medienlogik unerlässlich ist. Eine zweite Meinung, die der ersten – vom SPIEGEL selbst hochstilisierten – möglichst diametral entgegensteht. Das ist der Mechanismus, der die Sarrazin-Debatte ermöglichte. Erst wird eine unmögliche Meinung publiziert, um dann mitsamt der vorhandenen Diskursmacht andere Akteure in Stellung zu bringen, um dieser Meinung öffentlichkeitswirksam zu widersprechen. Das selbstreferenzielle System der Medien macht es möglich.
Im Falle Kristina Schröder wird dieses System exemplarisch. Wer das Interview (Der Spiegel Nr. 45/ 8.11.10, S.54-58, Zusammenfassung siehe hier) ernsthaft gelesen hat, wird die sexistische (andere würden sagen: professionelle) Unverschämtheit der Journalisten genauso erkennen können wie die Dummheit, mit der die Ministerin vorgeht. Sich mit dem Kenntnisstand einer 18-jährigen Oberstufenschülerin auf eine bundesweit verbreitete Debatte über Feminismus einzulassen, ist mindestens naiv. Das wäre so, als ob Sigmar Gabriel sich in die Niederungen der Sozialgesetzgebung begeben würde. Klar, sein Thema – aber doch nicht im Rahmen eines wissenschaftlichen Seminars, sondern auf Parteitagen. Da geht es nicht um Differenzierung, sondern um catch phrases. Diese mediale Logik hätte Frau Schröder beherzigen sollen. Stattdessen zitiert sie Schwarzer, bekennt sogar (als Konservative), drei ihrer Bücher gelesen zu haben. Und tappt natürlich in die Falle, die jedes Erstsemester zu umschiffen versucht: Zitiere nur die Dinge, zu denen man sich in zweierlei Perspektive positionieren kann. Aber als stramm Konservative kann sie nicht anders, als den Feminismus anhand dieser Zitate abzulehnen. Und jetzt muss sie mit einem Echo leben, das ihre „politische Glaubwürdigkeit“ erschüttert. Die Linken schreien: Hat nix verstanden von unseren komplexen Gedanken. Die Rechte schweigt. Vernehmbar.
Ach Kristina – möchte man schreiben und erschrickt vor diesem personalisierten Männlichkeitsdenken – du hattest es doch so gut mit der Jungen-Förderung. Und jetzt das.
Sie wird sich fangen, sie wird lernen, die Klappe zu halten zu Dingen, in denen Andere drei Lichtjahre weiter sind und die CDU nicht den Mut hat, ihr zur Seite zu springen. Aber wird das einer Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gerecht? Nein, denn die billigen und selbstgerechten Anwürfe der Linken sind eben nicht dazu geeignet, ihre Lernfähigkeit in immerhin noch zwei Jahren der Legislaturperiode zu befördern. Stattdessen sind sie dazu geeignet, den Feminismus auf lange Zeit für junge Frauen unmöglich zu machen. Wer will denn jetzt was dazu sagen, wenn die politisch Verantwortliche in dieser Weise einen Kopf kleiner gemacht wird? Für kritisch reflektierte Debatten bleibt so kein Raum. Nicht einmal für Dummheiten. Und für die so wichtige Sache der Gleichberechtigung erst recht nicht. Kristina Schröder wird Abbitte leisten müssen, der Männerverein CDU lässt ihr keine andere Möglichkeit.
Bilder:
BILDblog / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/de/deed.de Wikimedia (Kristina Köhler) / CC-BY 2.0