Ihr Lieben,
heute möchte ich Euch eine Geschichte aus meiner Göttinger Zeit als Dozent erzählen:
In meiner Zeit als Dozent an der Göttinger Universität hat es mich auch sehr interessiert, wie die Studenten in früheren Zeiten in Göttinger gelebt und gelernt haben. Dabei stieß ich auf eine fast amüsante, aber zugleich auch bedenkenswerte Geschichte aus dem 18.Jahrhundert.
„Die Studentenrevolte – 14 Studenten landen im Göttinger Universitätskarzer“
Im 18.Jahrhundert verfügte die Universität Göttingen über ein eigenes kleines Gefängnis, genannt der Karzer, in den Studenten bei kleineren Vergehen bis zu 14 Tage eingesperrt wurden.
Allein dies ist etwas, was wir uns heute kaum noch vorstellen können, denn heute liegt die Strafverfolgung allein im Verfügungsbereich des Staates.
In der damaligen Zeit verdiente ein Professor in Göttingen, vergleichen mit heute, sehr wenig, er bekam ein Gehalt, mit dem er und seine Familie kaum leben konnten.
Um das geringe Gehalt aber ein wenig auszugleichen, stellte man den Professoren große Häuser mit einem Garten und vielen Zimmern zur Verfügung.
In dem Garten konnten die Professoren und ihre Familien Obst, Gemüse und Salat anbauen und Kaninchen und Hühner halten und so die eigene Kasse ein wenig entlasten.
Außerdem bekam jeder Professor von der Universität für jeden armen Studenten, den er in sein großes Haus aufnahm, dem er eine warme Stube zum Wohnen gab und den verköstigte, einen bestimmten monatlichen Geldbetrag ausgezahlt.
Manche Professoren kassierten das Geld, das sie für die einzelnen Studenten bekamen, ließen ihre Studenten aber hungern und frieren und steckten das eingesparte Geld in die eigene Tasche.
Ein Professor trieb das so weit, dass einer seiner Studenten in seinem Haus fast verhungerte und ins Armenspital (Armenkrankenhaus) eingeliefert werden musste.
Daraufhin brach unter den 14 Studenten, die er beherbergte, eine Revolte aus und die Studenten brachen, als der Professor samt Familie nicht zu Hause war, in dessen Wohnung ein, warfen seine sämtlichen Möbel aus den Fenstern und zerbrachen alle Fensterscheiben.
Von dieser Geschichte wissen wir heute nur deshalb, weil die Studenten dafür 14 Tage im Universitätsgefängnis landeten und das natürlich in den Akten der Universität vermerkt wurde. Dem Professor wurde allerdings fristlos gekündigt, als offenbar wurde, warum es zu der Revolte gekommen war.
Ihr Lieben,
ich habe diese Geschichte heute erzählt, weil ich glaube, dass unsere heutige Welt auch in manchen Dingen den Zuständen in dieser Geschichte ähnelt.
Während in dem einen Teil der Welt Menschen nicht wissen, wo sie zum Abendessen etwas Essbares herbekommen sollen, überlegen sich in einem anderen Teil der Welt Menschen, ob sie sich nicht einen neuen Flachbildfernseher kaufen sollten, obwohl der Röhrenfernseher noch ein wunderbares Bild liefert.
Ich habe nichts gegen Neuanschaffungen, aber wir sollten auch daran denken, zu teilen, zu teilen mit denen, denen es nicht so gut geht wie uns, die sich freuen würden, wenn wir ihnen helfen,wenn wir ihnen Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen, wenn wir ihnen Hoffnung schenken.
Ihr Lieben,
ich wünsche Euch einen besinnlichen Nachmittag und grüße Euch herzlich aus Bremen vom Weserstrand
Euer fröhlicher Werner
Das Foto wurde von Karin Heringshausen zur Verfügung gestellt