San Francisco soll ja recht schön sein, sagt man. Meine eindrücklichste Erinnerung an diese Stadt war aber, dass mir ununterbrochen kalt war und der Wind ununterbrochen durch Haare und Ohren wehte. Mein absolutes Lieblingswetter. Abgesehen davon, glaube ich, kann es tatsächlich eine sehr reizvolle Stadt sein: ein weltoffenes, bohèmes Flair und gutes Essen – eine Stadt mit Geschmack!
Irgendwie passte San Francisco gar nicht so wirklich zu unserer Reiseroute, denn es ist so ganz anders als unsere bisherigen Destinationen im Südwesten. Nicht nur die Physiologie der Stadt ist ganz verschieden zu den meisten US-amerikanischen Städten, sondern auch ihr Charisma. Man muss sich erst einstimmen auf diese Stadt voller unterschiedlicher Kulturen, Sprachen und Lebensstile, die alles zwischen einer alternativen Rest-Hippie-Szene und modernen IT-Nerd-Geeks beheimatet.
In Frisco kann man sich an jeder Ecke von seinen klischeehaften Kopfbildern bedienen lassen. Mit der Hommage an San Francisco, diesem einen bekannten Songtext in den Ohren, schwingt man sich in eine überfüllte, bimmelnde Cable Car und fährt damit über das ständige Auf und Ab der steilen Straßen, die niemals verebnen, an den bunten viktorianischen Häuserkulissen vorbei, die von den Painted Ladies verkörpert werden. Im nächsten Moment läuft man an einem Obdachlosen vorbei, der gerade eine Straßenlaterne markiert oder an einem Flower-Power-Überlebenden, in dicke Rauchwolken eingehüllt, bevor man sich im nächsten Asia-Imbiss eine Sushi-Rolle gönnt und während dem köstlichen Verspeisen die getönten, voll technologisierten Busse des Silicon Valley vorbeirasen sieht, die ihre Mitarbeiter täglich südwärts chauffieren.
Die Stadt lebt ihren Eigenwillen, dem man Meter für Meter begegnet und nicht müde wird immer weiter zu suchen, was sich hinter der nächsten Ecke verbirgt. Sehenswürdigkeiten gibt es einige und hier kann man sie tatsächlich zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln abklappern. Mit dem Auto ist man in den engen und steilen Straßen hingegen nicht gut beraten, aber Spaß hat es dennoch gemacht mit einem riesen SUV durch die Lombard Street zu fahren, die so steil ist, dass man Serpentinen reingebaut hat. Auch wenn die Stadt einen großen Sicherheitsabstand zu Hollywood hat, findet man hier die obligatorischen Ausläufer des Entertainments wider. Fisherman’s Wharf ist mit den zahlreichen Piers, Geschäften und Restaurants ein wahrer Touristenmagnet. Der Fisch-Imbiss mit der hiesigen Spezialität Clam Chowder und der heulende Seehunde-Zoo am Pier 39, wo es noch mehr Spiel und Spaß gibt, bilden mit einem Ausflug zum legendären Alcatraz die Highlights der Uferpromenade. Wenn wir schon in der Abteilung Spiel und Spaß sind, empfiehlt sich das Exploratorium, ein viel gelobtes, tatsächlich sehr spannendes Museum, wo man unendlich viele Experimente aus allen möglichen Disziplinen selber ausprobieren kann, um die Phänomene unserer Welt besser zu verstehen.
Kein anderer Teil aber hat San Franciscos Bild intensiver geprägt als die Viertel The Castro, wo Harvey Milk Geschichte schrieb und The Haight, wo sich der Inbegriff des Summer of Love manifestierte. Heute findet man in den bunten, gentrifizierten Vierteln Hippie-Homo-Tourismus zwischen moderner Bohème und Überbleibseln der einstigen revolutionären Ursprungskultur. Zwischen Headshops und Boutiquen und Zielgruppen orientierten Lokalen trinkt man seinen Chai-Latte, isst Crêpes und schwebt dabei in selbstkonstruierter Nostalgie der 60er und 70er Jahre und wäre am liebsten selber dabei gewesen.
Hinter diesem heutigen Bilderbuchgesicht San Franciscos verbirgt sich im Gegensatz zur ganzen Hollywood-Riege der Westküste allerdings eine „echte“ Stadt mit „echten“ Menschen, die sich bei näherem Hinsehen in Wirklichkeit als schmuddelige, zum Teil heruntergekommene, laute und dreckige Stadt zeigt. Gepaart mit den Witterungsbedingungen wirkte sie zeitweise eher triste und bedrückend auf mich.
War da aber nicht noch etwas? Das Wahrzeichen von San Francisco? Ha, die Golden Gate Bridge gibt es nicht wirklich, die ist nur ein Touristenmythos. In 3 Tagen haben wir es kein einziges Mal geschafft sie unter den ganzen Nebelschwaden zu sichten. Aber anscheinend sind wir drüber gefahren …