Stell Dir vor, es sitzt ein Cowboy im Saloon, im Wilden Westen. Und dann kommt sein Freund, der Sheriff, und sagt ihm, dass er einige mächtige Feinde hat, da draußen.
Und er gibt ihm eine Beschreibung dieser Schurken - was sie über ihn sagen, und dass die Bande öffentlich gedroht hat, ihn zu erledigen, wenn sie ihn zu fassen kriegen. Dann hängt der Sheriff noch ein paar Fahndungs-Plakate an der Wand auf. Mit unscharfen Schwarzweißbildern der Ganoven. Und er sagt: Wenn Du eines dieser Gesichter siehst, dann schieß besser zuerst. Denn eine zweite Chance bekommst Du nicht.
Und der Cowboy ist alarmiert. Und er fragt, wo er diese Schurken treffen kann. Er ist ja mutig, und möchte das gleich hinter sich bringen, statt sich dauernd Sorgen zu machen und aufzupassen.
Doch der Sheriff erzählt ihm, dass diese Schurken sich irgendwo in den Bergen verstecken und sich derzeit nicht zu uns hertrauen, weil ja viele Bürger gewarnt sind. Die Banditen hätten deshalb keine Chance am helllichten Tag. Doch sie schlagen überraschend und hinterhältig zu. Und sie warten auf ihre Zeit.
Erst kürzlich habe es an der Grenze zu Texas einen Überfall gegeben: sie haben Farmer überfallen, die scheinbar niemand gewarnt hat. Die Banditen haben fürchterlich gewütet und auch die Frauen und Kinder nicht verschont.
In den folgenden Nächten träumt der Cowboy schlecht. Und jedesmal, wenn er im Salon sitzt, versucht er sich diese Typen auf den Fahndungsplakaten genauestens einzuprägen. Und je mehr er sich mit der Sache beschäftigt, desto nervöser wird er, wenn ein neuer Gast den Saloon betritt.
Er beginnt zu überlegen, ob dieser große hagere Typ - nicht der Oberschurke am Plakat sein könnte. Wenn man sich den Schnurrbart wegdenkt, den kann er ja abrasiert haben. Und der Cowboy hält die Hand immer nahe am Colt und lässt den Fremden nicht aus den Augen. Da! Hat er jetzt höhnisch gegrinst? Will er mich provozieren?
Der Cowboy beginnt unter irgend einem Vorwand Streit mit dem Fremden. Geht ihn aggressiv an. Möchte die Gefahr gleich vorsorglich abwenden.
Und der Fremde ist völlig perplex. Er wollte bloß ein Mittagessen kaufen und dann mit seiner Herde weiterziehen.
Derartige Vorfälle häufen sich nun. Der Cowboy entwickelt sich immer rasanter zum Paranoiker. Er beginnt Streit bei jeder Gelegenheit.
Und sogar dem Sheriff wird das nun zuviel. Und er redet mit seinem Freund. Doch der lässt sich nicht mehr bekehren. Das Misstrauen hat sich ganz tief reingefressen.
Schließlich muss der Sheriff seinem Freund die Waffen abnehmen. Er ist zu unberechenbar geworden. Bald wird er inhaftiert, weil er stattdessen eben dauernd Raufhändel anfängt. Und schließlich verschreibt ihm der Arzt starke Beruhigungsmittel.
Ohne Beruhigungsmittel - das sieht der Cowboy mittlerweile selbst ein - kann er gesellschaftlichen Kontakt nicht mehr ertragen.
Eines Tages am Weg zum Drug-Store übersieht er - von Medikamenten schwer zugedröhnt – eine Postkutsche. Er wird mitgerissen, gerät unter die Räder und stirbt. – Der Sheriff trauert ein wenig um den Cowboy. Nur ein wenig, denn er ist ihm in den letzten Jahren ziemlich unheimlich geworden und der Sheriff ist ihm, ehrlich gesagt, immer mehr aus dem Weg gegangen.“
Und weißt du, wo die Banditen von den Fahndungsplakaten in Wahrheit waren? – Keineswegs in den nahen Bergen, sondern schon vor langer Zeit weit über die Grenze nach Mexiko.