Die Spur des Geldes

Von Hartstein

“…Holzhausen ist Japanologe. Er hat in Tokio studiert und an der Freien Universität Berlin. Später ging er zur Dresdner Bank, dann zur Allianz-Versicherung. Dort heißt er “Senior Economist”, gehört zur Abteilung “Economic Research & Corporate Development” und leitet die Unterabteilung “Insurance and Wealth Market”. Auf Deutsch: Holzhausen untersucht die Verteilung des Vermögens auf der Welt, er spürt den Millionen und Milliarden nach. Eigentlich macht er das, damit die Allianz weiß, wo sie welche Versicherungen verkaufen kann. Doch wer wie Holzhausen auf die Welt blicken muss, hat gute Chancen, sie zu verstehen. Er sieht, was gesund und was krank, was gerecht und was ungerecht ist in der Welt. Die Krankheiten der Gegenwart tragen alle den gleichen Nachnahmen, sie heißen Griechenland-Krise, Euro-Krise, Banken-Krise, Finanz-Krise, System-Krise. Es geht immer um Geld. Um Geld, das fehlt.

Er drückt auf eine Fernbedienung, auf dem kinogroßen Bildschirm erscheinen die erste beiden “Kernaussagen” seines Berichts: “Globales-Brutto-Geldvermögen wächst 2010 um 6,2 Prozent.” Und: “Dank Schuldenreduktion steigen die Netto-Geldvermögen wieder stärker.” Die Welt scheint zu gesunden. Aber es geht um Privatvermögen, nicht um Staatsvermögen.

Wenn er in der Zeitung lese, jetzt würde sich zeigen, dass unser ganzes System nur auf Pump gebaut sei, dann sage er: “Das ist nur die halbe Geschichte. Es gibt ja viel Vermögen. Privatvermögen.” Während er spricht, tanzen seine Füße in den pinkfarbene Socken einen Twist auf dem Teppich. “Alle apokalyptischen Untergangsszenarien sind verfrüht”, sagt Holzhausen. “Denn: Die Substanz ist ja da.” Genug Geld ist da. Man könnte die Lage so beschreiben: Es gibt genügend Vermögen auf der Welt, aber es befindet sich nicht in den richtigen Händen. Nimmt man das Vermögen aller Millionäre und Multimillionäre Europas zusammen, ergibt das die geschätzte Summe von zehn Billionen Euro. Rechnet man die Schulden aller EU-Staaten zusammen, kommt man ebenfalls auf zehn Billionen Euro. Kann man daraus den Schluss ziehen, dass Millionäre nun die Gläubiger der Staaten sind? Und sollte das heißen, dass diese Reichen jetzt ihren Beitrag leisten müssen, um ein System zu retten, das ihnen all die Jahre geholfen hat, so reich zu werden? Brauchte es nicht eine Umverteilung des Vermögens, auch wenn das Wort lange so altmodisch wirkte wie das Sparbuch oder der Brustbeutel?
…“

Quelle und gesamter Text: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-80450996.html