Die Sprachen der Gesellschaft – “Kabale und Liebe” der Gruppe Südsehen

Einstein-Kultur München

„Kabale und Liebe“ gehört vermutlich zu einem der meist-inszenierten Stücke in der deutschsprachigen Theaterwelt. Wahrscheinlich kennt auch jeder – zumindest aus dem Deutschunterricht – die Geschichte um Luise und ihren Ferdinand, den Konflikt zwischen dem Bürgertum und dem Adel, zwischen Vater und Sohn… Ich selbst habe schon drei – auch qualitativ – völlig unterschiedliche Inszenierungen des Stücks gesehen, gestern folgte Nummer vier.

Bereits im März feierte Kabale und Liebe – Ein bayerisches Trauerspiel im Einstein-Kulturzentrum Premiere, nach einer Pause wird es nun nochmals gezeigt. Die neugegründete Gruppe Südsehen um den Regensburger Schauspieler und Regisseur Robert Ludewig nimmt sich den Kontrast zwischen den bürgerlichen und adeligenKabale 2 Figuren zum Schwerpunkt und zeichnet diesen vor allem mit großen sprachlichen Unterschieden. Die Bürger sprechen im bairischen Dialekt, die Adeligen in der schiller’schen Hochsprache. Dieser naturalistische Touch verfehlt seine Wirkung nicht: die Differenzen zwischen den Ständen wirken noch größer, als es in der Textvorlage aus dem 18. Jahrhundert der Fall ist. Dabei sind die Bayern in dieser Inszenierung keinesfalls humoristische Figuren, wie es häufig bei „Übersetzungen“ von Klassikern ins Bairische der Fall ist. Gerade der Musiker Miller (Erwin Brantl, der auch die bairischen Passagen des Stücks verfasste) ist die menschlichste Figur dieser Inszenierung und seine Sprache verdeutlicht, dass er nicht einen künstlichen Schein aufrecht erhalten will wie viele Mitmenschen.

Auch Luise (Désirée Siyum) und Sekretär Wurm (Robert Ludewig) sprechen Bairisch, jedoch wechseln sie je nach Situation und Ansprechpartner zwischen Dialekt und Schriftdeutsch. Luise etwa redet mit ihren Eltern Bairisch, wenn sie jedoch mit oder über Ferdinand spricht, verwendet sie die Sprache Schillers. Wurm hingegen scheint seine Sprache zu benutzen, um in Bürgertum und Adel gleichermaßen akzeptiert zu werden und sein Gegenüber zu beeinflussen. Gerade in diesen beiden Figuren zeigt sich, dass ein Dialekt – wie im wirklichen Leben – vor allem mit Emotionalität zu tun hat. Es ist auch ein Anliegen der Gruppe, den Wandel des Bairischen von Generation zu Generation zu zeigen. Die jüngeren Figuren scheinen sich „höher gestellten“ Gesprächspartnern gegenüber für ihren Dialekt zu schämen und verbergen diesen deshalb.

Ansonsten ist die Inszenierung sehr traditionell gehalten, was jedoch wegen des hervorragenden Ensembles alles andere als langweilig ist. Vor allem die beiden Vaterfiguren sind mit Erwin Brantl als Miller und Amadeus Bodis als Präsident großartig besetzt und sehr stark. Die tiefe Gläubigkeit Millers passt vor allem auch zu seinem Dialekt, schließlich werden Bayern gerne als sehr gläubig dargestellt.

Quelle: Facebook

Quelle: Facebook

Die Dialoge zwischen Luise und ihrem geliebten Vater sind wundervoll gespielt und wirken vor allem durch die natürliche Sprache sehr intensiv. Ulrike Dostal spielt sowohl Frau Miller, die in der Beziehung ihrer Tochter zum Major ihren eigenen gesellschaftlichen Aufstieg sieht, als auch Lady Milford. Die Adelige wird hier deutlicher als Antagonistin gezeichnet, als es in vielen anderen Inszenierungen des Stücks der Fall ist. Sie will Ferdinand für sich. Am Ende scheint sie nicht aus Erschütterung über Luise zu verzichten, sondern um nicht aus Verliererin aus dem Streit hervorzugehen. Sekretär Wurm, gespielt vom Regisseur Robert Ludewig, ist der wahre Intrigant der Inszenierung. Er wirkt ruhig und unterwürfig, spielt jedoch geschickt die anderen Figuren gegeneinander aus. Die Beziehung zwischen Luise und Ferdinand (Thomas Trüschler) bröckelt schon zu Beginn des Stückes. Während er sie glücklich machen will weist sie ihn bereits im ersten Dialog zurück, da sie weder sich noch ihren Liebsten den Problemen dieser unstandesgemäßen Liebschaft aussetzen will. Ferdinand will sich zwar von seinem Vater distanzieren, scheint jedoch dessen Jähzorn geerbt zu haben, was vor allem das Bühnenbild zu spüren bekommt.

Die Kostüme sind historisierend und zeigen deutlich die Stände der Figuren. Gerade Lady Milford und von Kalb nutzen ihre Kleidung vor allem als Fassade. Bei der Figur des Hofmarschalls sind noch Reste eines Dialektes zu hören, umso aufwändiger gestaltet er sein aristokratisches Aussehen und Verhalten. Das Bühnenbild (wie die Kostüme von Aylin Kaip) hingegen ist sehr schlicht und wird im Laufe der Vorstellung immer mehr zerstört.

Klar ist die Übertragung von Klassikern ins Bairische nichts Neues mehr, jedoch wird vermutlich sehr selten auch innerhalb des Stücks zwischen verschiedenen Ebenen des Dialekts unterschieden. Dies zeigt also nicht nur einen Unterschied zwischen Bürgertum und Adel, sondern auch zwischen Generationen und Individuen. Eine spannende Herangehensweise an den schiller’schen Text. Dieses Spiel mit der Sprache funktioniert auch deshalb besonders gut, da die Darsteller das Bairische wirklich beherrschen. Es ist die wichtigste Voraussetzung, um die Sache nicht lächerlich wirken zu lassen. Man darf gespannt sein, was die Künstler von Südsehen in Zukunft auf die Beine stellen.

Die Inszenierung ist noch von heute bis einschließlich Sonntag bei Einstein-Kultur zu sehen. Infos zum Stück und zur Kartenreservierung gibt es auf der Homepage von Südsehen.

http://www.suedsehen.de/termine.html

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=YAkrhfeUAyA


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