Die Spielberg-Retro #11: "Amistad" [USA 1997]


"Amistad" blickt den Amistad-Prozessen über die Schulter in einem ausgeschmückten Epochenstück, in einer opulent ausgestatten Geschichtsnachhilfestunde diffiziler Verstrickungen erbittert gegeneinander debattierender Nationen im Gerichtssaal, wo es um Zuständigkeiten, Geburtsorte und Eigentumsurkunden geht, in Wahrheit den Wert der Freiheit über alle kulturellen Sprachbarrieren hinaus zu bemessen. Viele beteiligte, ideologisch gespaltene Personen sieht Spielberg ulkigerweise jedoch als ein handlungsgehemmtes (Gerichts-)Publikum, das darauf zu reagieren hat, Kontroversen mitzutragen und abzunicken, anstatt sie mitzugestalten. Authentisch?
Spielberg widerstrebt es zumindest, figurativ mehrschichtig zu charakterisieren, was an und für sich speziell in der verschenkten Persönlichkeit Morgan Freemans herauszufinden ist, dessen Hintergrund, hauptsächlich nach seinem Zusammenbruch auf dem Sklavenschiff, vollkommen im Dunkeln verbleibt. Auch die spanische Königin Isabella (Anna Paquin) forciert vielmehr den Gedanken einer grotesken Karikatur historischer Verzerrung, während  Matthew McConaughey das Stigma eines rechtsverdreherisch-spitzfindigen Strubbelkopfs im Laufe der Handlung nicht loswerden will. Die Unfähigkeit, gleichermaßen absurd-komische wie pragmatisch-vertiefende Erzählmomente adäquat gegenüberzustellen: Davon kann sich Spielberg folglich auch in seinem Film "Amistad" nicht lösen, und es sollte ein entscheidendes Markenzeichen seines Spätwerks in der Post-"Jurassic Park"-Ära werden.
Mit Hilfe der treibenden Gestaltungskraft eines durchweg lebendigen, gegen universelle Unterdrückung schreienden Williams'-Chors sowie unzähligen Eindrücken von zusammengepferchtem Fleisch (vgl. "Schindlers Liste"), den Händen, die angekettet sind und sich irgendwann endlich in völliger Zwanglosigkeit berühren dürfen (exemplarisch im nahezu wortbefreiten, stroboskopflackernden Prolog, der ausschließlich über den sichtbaren Zorn in Männer- und Frauengesichtern samt Nässe und Finsternis intensiv nachwirkt), den wehenden Schiffssegeln im Wind, vor allem der Träne, die an der Wange hinabfließt, zementiert Spielberg derweil aber einen visuellen Sprachausdruck, der sich gänzlich im Zeigen, im Erfühlen zwischenmenschlichen Grauens manifestiert. Dieser begnadete Ausdruck vermag bisweilen gar, schlimmsten spirituellen Erbauungsschlock zu übertünchen. Ab dem Zeitpunkt, als ein wackelig auf den Beinen stehender, verknitterter, leidenschaftlicher Anthony Hopkins seine aufwühlende Rede der Nation hält, hat Spielberg den Zuschauer sowieso längst gepackt. Und am Ende, da zeigt sich naturgemäß die Sonne. 
6.5 | 10

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