Sicher, Merkel gehört abgewählt. Und dann? Was bleibt mir? Soll ich zufrieden werden? Ich bin als trauriger Chronist des neoliberalen Imperialismus freilich nur eine Randnotiz. Jeder hat seine Rolle. Und wie es aussieht, werde ich mit oder ohne Merkel immer in der Opposition bleiben. Für mich gibt es keinen anderen Plan.
Aber diese Merkel wird mir immer unerträglicher. Die Arroganz, mit der sie Kritik herunterspielt und wie infantiles Gemeckere aussehen läßt, läßt mich in Ekel zerfließen. Das deutsche Wesen, das sie Europa einpflanzen will, die Deckung der Überwachung, alleine dieser Satz letztens bei einer Kundgebung in Aschaffenburg, wo sie einigen Zuschauern, die buhten, doch tatsächlich Trost spendete mit dem Worten, die könnten doch froh sein, dass sie hier so offen ihre Meinung kundtun dürften. Ich spüre es schon körperlich, dass diese Administration weg muss. Nur bei all diesen Motiven, warum die Frau weg muss: Was kommt dann?
Meine Wahl bei der
Bundestagswahl 1998.
Aber Leute, wenn ich heute lese, was die Sozialdemokraten damals so von sich gaben, so kurz vor der Wahl - und wenn ich schon der "anständige Kerl" gewesen wäre, der ich heute bin: Ich hätte mich versündigt! Jung genug um naiv genug zu sein, war ich seinerzeit ja. Politik vor Ökonomie, Neoliberalismus bändigen, weil der Mensch zählt - da gab es tatsächlich Positionspapiere dazu bei den Sozis. All das geschah aber noch vor Der Weg nach vorn für Europas Sozialdemokraten. Was daraus wurde, wissen wir heute. Rot-Grün war das mieseste Schwarz-Gelb, das es je gegeben hat.
Ähnlich klingt es aus dem Lager Steinbrücks jetzt. Man hat den traditionellen Weg scheinbar wiedergefunden. Problem, lieber Peer: Ich bin zu alt, um diese Kacke zu glauben, die noch 1998 bei mir gezogen hätte - also wenn ich nicht zu stark an Strohhalmen mit Unmengen von B52 darunter gezogen hätte, meine ich. Auch wenn ich die Abwahl Merkels unbedingt will, so betrunken, um dafür Steinbrück zu wählen, bin ich dann ja auch nicht. Und wäre ich so betrunken, bliebe ich wahrscheinlich im Bett, wie schon vor 15 Jahren.
Dass ich mir vorstelle, ich hätte 1998 den Wechsel wählen können, ist mir schon Lehre genug. Wer garantiert denn, dass es nicht erneut heißt: Sorry, aber die Wirtschaft gibt den Takt an, nicht die Politik. Wir schaffen nur Rahmenbedingungen und sonst nichts. Am Ende kommt dieselbe angebotsorientierte Suppe heraus, die, wenn ich sie schon löffeln muss, mir wenigstens nicht selbst in den Teller kippen will.
Hört mir jetzt mit dem Unsinn auf, dass die SPD immer schon ein Scheißverein war! Schon vor 1998. Damals 1914 und so. Klar, stimmt irgendwo ja auch. Als Hardliner muss man sagen: Ich wähle die SPD seit '14 nicht mehr. Pragmatischer gesehen kann man aber behaupten, dass sie immer noch eine Hoffnung war, bis sie von Schröder geritten wurde.
Ab 1998 hat sich der totale Umbruch dieser Partei vollzogen. Bis dorthin hätte sie noch eine Option sein können, wenngleich nur eine begrenzte. Aber immerhin! Es war immer ein wenig so, als hätte man in der Hölle Vorstandswahlen abgehalten, bei denen zwischen verschiedenen CEOs entschieden werden konnte. Alle führten sie im Wahlprogramm Schlagworte wie Grillen, Aufspießen, Pökeln und mit "Käse und Schinken füllen" an. Nur der eine CEO ganz hinten, der Diabolus Socialdemoctraticus hieß, gab sich moderater und erklärte, ihm reiche es aus, wenn die verlorenen Seelen über heiße Kohle laufen müssten, während sie mit heißem Wasser übergossen würden. Zwischen solchen verschiedenen Teufeln zu wählen: Ist das nicht auch eine Wahl? Deswegen sprechen wir ja durchaus immer noch von der Hölle. Zwischen Höllenmodellen zu wählen ist wenig, aber immer noch mehr als das Wort Alternativlosigkeit meint.
Steinbrück gibt sich jetzt als so ein Freund von glühenden Sohlen. Nicht mal das nehme ich ihm ab. Das Blair-Schröder-Geschwafel vom Dritten Weg, von der Neuen Mitte, hatte er doch stets verinnerlicht. Chancengleichheit hat er durch Chancengerechtigkeit ersetzt. Solidarität dürfe nicht falsch verstanden werden. „Soziale Gerechtigkeit muss künftig heißen, eine Politik für jene zu machen, die etwas für die Zukunft unseres Landes tun [...] Um sie – und nur um sie - muss sich Politik kümmern." So definierte Steinbrück Sozialdemokratie damals und so wird er sie wahrscheinlich nachher wieder definieren.< Der B52 kommt mir diesmal nicht dazwischen. Ekelhaftes Zeug. Aber wenn 1998 der Umbruch der Sozialdemokratie und letztlich auch die Zeitenwende von der alten Bonner zur neuen Berliner Republik war, dann kann die Lehre nur sein: Die SPD wählt man nicht! Dann wähle ich doch die originale Sozialdemokratie, die neuerdings Die Linke heißt. Und saufen werde ich erst, wenn der Urnenzauber rum ist. Aus Frust.