Die Solidarität, die bestreikt wird

Wenn ich täglich unterwegs bin, kommen für mich im Regelfall nur drei Radiosender in Betracht. Entweder hr1, SWR3 Rheinland-Pfalz oder harmony.fm. Nachdem am letzten Mittwoch, am Tag des (mittlerweile vorletzten) Lokführerstreiks, bei SWR3 ein kurzer Einspieler Stimmen von Zugreisenden brachte, die bitter über die Lokführer klagten, drehte ich auf hr1. Dort sprach kurze Zeit später ein Experte und warf der GDL vor, sie würde nicht verhandeln wollen und alles auf den Rücken der Reisenden austragen. Womit ich auch schon bei harmony.fm landete und abermals der Empörung von Zuggästen lauschte, die sagte, dass sie keinerlei Verständnis aufbringe für den Streik. Und so gingen mir die Sender aus und letztlich auch das Radio.

Die Solidarität, die bestreikt wird

Der Streik, Robert Köhler, 1886

Das war an jenem Streiktag zuvor, der weitestgehend in der Nacht stattfand, noch ein bisschen anders. Da überwogen noch jene Stimmen, die zustimmten und sich solidarisch zeigten. Da war die Einschränkung ja auch überschaubar. Am letztem Mittwoch verfehlte der Streik aber dann nicht seine Wirkung. Er versprach das, was das Konzept des Streiks eigentlich möchte: Auffallen, den Wegfall einer Tätigkeit bemerkbar machen. Die Leute sollen ja gerade Notiz davon nehmen, dass die Verrichtung einer Arbeit eben keine Selbstverständlichkeit ist. Und das geht nur, wenn man seinen Dienst einstellt, die Kundschaft auflaufen lässt. Das ist unangenehm, aber auch unumgänglich. Wer nachts streikt, der gibt diesen wesentlichen Aspekt des Streikkonzepts auf und kann es genauso gut gleich sein lassen.

Würden die Medien zum Thema Bahnstreik nicht nur ständig irgendwelche Motzköpfe einspielen, die ihr Unverständnis über den Streik kundtun, sondern vermehrt solche Stimmen, die den Lokführern solidarisch begegnen, würde man die Stimmungslage sicherlich zugunsten dieser Arbeitnehmer beeinflussen können. So aber setzen die Medien die GDL perfide unter Druck. Sie stellen sie hin wie eine rücksichtslose Bande, die im Tarifstreit eindeutig die Rolle der unvernünftigen Erpresser einnimmt. Eine Bande, die vom »rabiaten Machtmensch Weselsky« (Stern) vertreten wird. Die Bahn jedoch ist fein raus.
Mit dieser einseitigen Darstellung der Ereignisse impft man den Menschen in diesen Lande die Vorstellung ein, dass Streik etwas zu sein hat, was allgemein nicht behindern soll. Arbeitnehmer können ruhig ihre Arbeit niederlegen. Schließlich gibt es ein Streikrecht. Aber bitte so, dass sie niemanden stören. Nachts. Oder nach Feierabend. Die Medien verinnerlichen mit dieser unredlichen Schilderung, dass die Störung des Betriebes nicht vorkommen sollte. Das ist die neoliberale Vorstellung von Arbeitskampf. Da man so tut, als gäbe es keine Klassen mehr, sollten auch alle Maßnahmen, die daran erinnern, dass es sie eben doch noch gibt, so vollzogen werden, dass sie keiner bemerkt.
Nur die Gewerkschaft der Lokführer hält sich mal wieder nicht daran. Zuletzt trieb sie es 2008 so bunt. Und noch ein Jahr zuvor attestierte gar ein Gericht, dass die GDL illegale Streiks abgehalten hätte. Später wurde dieses Urteil allerdings aufgehoben. Jetzt lässt sie abermals die Öffentlichkeit schmerzhaft merken, dass es eben nicht die große Partnerschaft zwischen Partikularinteressen ist, die diese Gesellschaft ankurbelt, sondern der Widerstreit von Positionen, der manchmal mit harten Bandagen geführt werden muss. Es ist nicht so, dass die GDL sich zurücknehmen müsste, damit sie als Gewerkschaft der schönen neuen Welt akzeptiert werden kann. Man wünschte sich eher, dass die großen Gewerkschaften von der GDL lernten. Schade, dass der DGB nicht den großen Ausstand probte, als die Agendapolitik über uns kam. Vielleicht auch so ein Grund, weshalb die Politik kleinen Gewerkschaften jetzt den Garaus werden will.
Mehrere Stimmen in den Radiosendern meiner Wahl ereiferten sich, weil Lokführer gar nicht so schlecht verdienen würden. Sie seien ja keine Niedriglöhner. Eine Frau schimpfte, denn sie arbeite in der Pflege und verdiene noch weniger. Was für eine Moral soll das sein? Wäre es nicht richtiger, auch die Löhne aus dem Pflegewesen anzuheben? Überhaupt ist der Versuch, die Streikabsichten mit der Höhe der Löhne zu entkräften, ein Blindgänger. Darum geht es überhaupt nicht. Es geht doch einzig und alleine darum, wie eine Gesellschaft mit dem Recht eines jeden Arbeitnehmers umgeht, sich gegen die Bedingungen an seinem Arbeitsplatz aufzulehnen. Als die GDL im Jahr 2008 massiv streikte, vernahm man Stimmen aus der Politik und Presse, die das Streikrecht am liebsten ausgesetzt hätten. Bei allem verständlichen Ärger der Bahnreisenden, jede Stimme, die den Streik als etwas angreift, was nicht sein dürfte, unterstützt die Befürworter solch undemokratischer Maßnahmen.
Dass es aber auch solidarische Pendler- und Reisendenstimmen gibt, daran gibt es keinen Zweifel. Eine sitzt neben mir. Meine Frau. Mehrere ihrer Kollegen ebenso. Alles Pendler. Fast alle haben dafür Verständnis. Von nichts kommt nichts, sagen sie. Und mancher Radiosender, den ich nicht höre, soll auch solidarische Anklänge gesendet haben, habe ich mir sagen lassen. Es ist also nicht so, dass die GDL völlig alleine steht. Vielleicht stimmen ihr sogar weitaus mehr Menschen zu, als man sich vorstellt. Aber was hilft das, wenn man sie nicht richtig hört, wenn sie nicht in Funk und Fernsehen sprechen? Diese Stimmen weitestgehend medial zu unterlassen, kann man durchaus einen medialen Eingriff in den Tarifstreit betrachten. Objektivität und Neutralität und folglich die Solidarität sind auch so Werte, die von diesen Qualitätsmedien chronisch bestreikt werden.
Nachtrag: Hier hätte der Text eigentlich enden sollen. Tut er aber nicht. Kaum war er abgetippt, wurde für das Wochenende ein weiterer Streik gemeldet. Dasselbe Stimmungsbild in den Radiosendern. Einige Stimmen forderten Einhalt. Man müsste vor Streiks geschützt werden. »Streikrecht schön und recht, aber...«, sagen sie. Und wer bitte schützt uns vor Menschen, die gerne solcherlei kurzen Prozess sehen würden?
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