Die Idee bei einem unbekannten Roman die Seite 99 zu lesen, um sich von der Qualität zu überzeugen, geht auf den britischen Autor Ford Maddox Ford (u.a. „Keine Paraden mehr“) zurück. Gefällt einem diese Seite, will man erfahren, was auf den 98 Seiten zuvor geschah, wird man neugierig auf das, was noch folgen mag. Das erste Mal von dieser Idee von Maddox habe bei Béla Bolten gelesen. Auf der Internetplattform Seite 99 findet Ihr viele entsprechende Leseproben.
Und hier nun die Seite 99 meines zweiten Romans „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“:
“Sie hätte mich ja auch wirklich sehr gern. Richtig verliebt hätte sie sich in mich. Doch dann sagte sie, in einem Tonfall, als wäre dies das Selbstverständlichste auf der Welt, ja, gerade als sie ihre liegende Haltung verlassen hatte und auf mir sitzend ihre Arme und Beine um mich schlang, da meinte sie mir ins Gesicht lächelnd: »Ich habe meinem Freund die letzten Tage so viel von dir erzählt, er ist schon ganz gespannt, dich kennenzulernen!«
Hier hatten wir also den wahren Grund für Magdalenas Zurückhaltung, ihr Noch nicht! usw., ihr Jetzt bin ich soweit! Sie erklärte mir, dass sie ihrem Freund treu sei, deswegen hätte sie mit mir auch erst was angefangen, als er von einer Reise zurückkehrte und sie ihm von mir erzählen konnte. Tja, so kann man sich also täuschen. Ich hätte sie am liebsten… Auf der Stelle. Während Magdalena versuchte, mich über die nicht ausgeschöpften, nur von unserer Erziehung verschütteten Möglichkeiten des Konzeptes Liebe aufzuklären…
Aber ich bin ganz ruhig geblieben, sah nicht rot. Denn mittlerweile war ja mein Mörder in mein Leben getreten, und während Magdalena versuchte, mich über die Chancen der Liebe aufzuklären, wenn man sie nur endlich aus den Zwängen der Normalität befreien könnte und sie als etwas Offenes begriff, das in einer klassischen Zweierbeziehung – diesem Mythos, wie Magdalena es nannte, der allein selig machenden Zweierkiste – zugrunde gehen würde, da spann ich schon an meinem Roman weiter, verwob Magdalena ins Netz meiner Geschichte, genauso wie ich es mit Johanna und Raphaela und all den anderen tat, die ich aus meiner Brust heraus aufs Papier riss.
You can’t always get what you want, but sometimes you get what you need! heißt es doch so schön. Ja, da es endlich mit meinem Roman zügig voranging – und wie es voranging, wie im Rausch, Seite um Seite, in etwa einem halben Jahr schrieb ich ihn nieder – trat alles andere, also vor allem meine Hoffnung auf Liebesglück, in den Hintergrund. Ich stellte meine ganze Kraft, meine Gedanken, meine Gefühle, meine Phantasien, in den Dienst meines Mörders und ließ den roten Faden selbst im Schlaf, wo ich im Traum seine Geschichte weiterspann, nicht mehr aus der Hand. Was für ein Gefühl der Befriedigung und Erfülltheit, und wie ruhig ich doch, trotz allen Schaffensfuror, war, ein Gefühl, als wäre ich nach endloser Odyssee endlich zu Hause angekommen.”
Zum Roman:
Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman von Ralf Boscher
Liebe, Lust und Leichen im Keller. Leben und Sterben zwischen Nietzsche, dem Niederrhein und der Müllverbrennungsanlage in Wuppertal, in einer Nebenrolle: die Imperia in Konstanz außer Rand und Band.
„Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“ – ein Buch, das in vielen Genres wildert.
Der Roman ist als eBook (für 2,99 Euro) und Taschenbuch (8,99 Euro) erhältlich.
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