Ihr Lieben,
heute Abend möchte ich Euch eine Geschichte von Ludolf Ulrich erzählen:
„Mensch, hast Du es gut!“
„Ich stand auf dem Bahnsteig unseres Bahnhofs unserer Kleinstadt.
Es regnete in Strömen. Ein Betrunkener mit einer Bierflasche in der rechten Hand wankte auf mich zu. Ich wollte mich von ihm anwenden, aber er kam direkt auf mich zu und tippte mit seiner Flasche gegen meine Brust und fragte mich:
„Glaubst Du an Gott?“
Auf diese Frage war ich nicht gefasst. Sollte das ein Witz sein?
Mir war die Sache peinlich.
Aber ich konnte dem Betrunkenen nicht ausweichen. So antwortete ich spontan und unüberlegt: „…Ja!“ Ich wollte weiterreden und ich erwartete die Reaktion von dem Betrunkenen: „Na, dann zeig ihn mir doch mal!“
Aber er sagte nur zu mir: „Mensch, hast Du es gut!“
Erst in diesem Augenblick schaute ich ihn richtig an. Sein Gesicht schaute müde aus, er wirkte kaputt, ausgelaugt, ohne Hoffnung.“
Ihr Lieben,
ich weiß nicht, ob der Betrunkene seine Frage nach Gott ernst gemeint hat, aber das ist auch nicht entscheidend. Entscheidend ist die Sehnsucht, die hinter seiner Antwort steckt: „Mensch, Du hast es gut!“
Wir alle sehnen uns danach, geliebt zu werden.
Wir alle sehnen uns danach, in Geborgenheit zu leben.
Wir alle sehnen uns nach glücklichen Augenblicken.
Wir alle sehnen uns nach Freude und dem Frieden mit anderen Menschen.
Wir alle sehnen uns nach Harmonie in unserem Leben.
Wir alle sehnen uns nach Zuversicht und Hoffnung in unserem Leben.
Wir alle sehnen uns nach etwas, für das es sich zu leben lohnt.
Wir alle sehnen uns nach einem Hafen, wo wir sagen können: „Hier bin ich zuhause!“
Das alles ist das, was der Betrunkene aus unserer Geschichte vermisst.
Die meisten Menschen, die einen Betrunkenen sehen,
sehen in Wirklichkeit nur sein Äußeres.
Sie riechen nur seine Alkoholfahne,
sie sehen nur seinen unsicheren Gang,
seine ungepflegtes Äußeres,
seine Flasche voll Alkohol.
Das alles ist aber nur äußerlich.
Antoine de Saint-Exupéry würde es so ausdrücken:
„Nur mit dem Herzen sieht man gut!“
denn er ist in Wirklichkeit ein Suchender nach Geborgenheit und Glück,
der vom Wege abgekommen ist.
Ob wir ihm helfen können? Die Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden.
Denn ein Süchtiger kann nur dann von seiner Sucht geheilt werden, wenn er selbst davon freikommen will.
Unsere Aufgabe ist es nicht, den Süchtigen von seiner Sucht zu befreien,
eine solche Aufgabe wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Unsere Aufgabe ist es, dem Süchtigen zu vermitteln, dass auch er ein liebens-wertes Geschöpf ist, dass auch er frei von seiner Sucht werden kann, wenn er selbst es will.
Wir können dem Süchtigen nur dann helfen, wenn wir ihm zeigen, dass es etwas gibt, für das es sich zu leben lohnt und zwar zu leben ohne Sucht.
Wir müssen für den Süchtigen ein Leuchtturm sein, der ihm den Weg zum Glück und zur Geborgenheit weist, der ihm zeigt: „Auch ich kann glücklich werden! Es ist niemals zu spät für mich, umzukehren! In jedem Augenblick meines Lebens habe ich die wundervolle großartige Chance und Möglichkeit, meinem Leben eine neue Richtung zu geben."
Ihr Lieben,
ich wünsche Euch einen friedvollen und glücklichen Abend und grüße Euch herzlich aus dem schönen Bremen
Euer fröhlicher Werner
Quelle: Karin Heringshausen