Unter Verwendung eines Fotos von Bautsch / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)
Überflüssig und unsinnig sei der “Bericht der Expertenkommission aus Anlass eines Verdachtsfalles auf sexuellen Missbrauch im November 2012 in der Charité – Universitätsmedizin Berlin” – so schreibt zumindest Julia Haak bei der Berliner Zeitung.Die ZEIT hingegen veröffentlicht eine dpa-Meldung, die des Lobes voll ist und der Charité richtiges Reagieren zuspricht.
Grund genug, selbst einmal einen Blick in den Bericht zu tun.
Die ersten Seiten berichten noch einmal, wie es zu dem Missbrauchsvorwürfen kam und welche Anstalten das Krankenhaus unternahm, um Aufklärung zu erreichen. Daran an schließt sich ein Absatz, was die Charité eigentlich ist. Das hat zwar nichts mit der Aufklärung und auch nichts mit Präventionsmaßnahmen zu tun; füllt aber immerhin 2 von den nur 32 Seiten des Berichts (schon die Einleitung braucht 3 davon). Bis zur Seite 15 wird dann über sexuellen Missbrauch generell gesprochen. Dabei wird auch erwähnt:
dass sieben Prozent der … gemeldeten Fälle in medizinischen Praxen oder Kliniken stattgefunden hatten. Dennoch gerieten Krankenhäuser und medizinische Heilberufe nicht in den Fokus der allgemeinen Bemühungen, Kinder und Jugendliche vor sexuellem Missbrauch zu schützen. (Seite 13/14)
Auf der 15. Seite des Berichtes kommen die Experten zu dem (richtigen) Schluss:
Der Anlassfall in der Charité sowie weitere Vorfälle in anderen Krankenhäusern zeigen, wie notwendig eine umfassende Beschäftigung mit dem Thema „Missbrauch in Heilberufen“ ist, wie lohnend eine wissenschaftliche Aufarbeitung möglicher sexueller Missbrauchsfälle in Krankenhäusern während der vergangenen Jahrzehnte sein könnte und wie dringend alle Heilberufe Handlungsleitlinien zu Verdachtsfällen auf Missbrauch auch aus den eigenen Reihen benötigen.
Nun sollte man davon ausgehen, dass auf den Folgeseiten genau dies geschieht. Doch leider kommt hier dann ab Seite 18 ein “Katalog mit acht Maßnahmen”, der Empfehlungen für die Charité geben will.
Diese Empfehlungen kommen aber – meiner Meinung nach – nicht über das übliche Palaver hinaus, das Berater gern Unternehmen an die Hand geben. Das wird empfohlen:
- Zur Analyse, Messung und Steuerung der Inneren Qualität sollten geeignete Management-Instrumente Anwendung finden. Um die Messbarkeit wirksam durchführen zu können, müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert und aufgefordert werden, sich freiwillig und anonym zu beteiligen.
- gewünschte Werthaltungen und Verhaltensweisen [sind] in kurzgefassten Umgangs- und Verhaltenskodizes zu formulieren und die idealerweise „kitteltaschenformatigen“ Kodizes zu verteilen, bekannt zu machen und zu bewerben.
- eine offene Fehlerkultur in der Charité erlebbar zu machen und ihre Grundsätze in die Verhaltens- und Umgangskodizes aufzunehmen.
- Wird ein Teammitglied als Täterin oder Täter verdächtigt oder überführt, empfiehlt die Expertenkommission, eine psychologische Betreuung für die übrigen Teammitglieder anzubieten. Entsprechende Rahmenbedingungen (z.B. interne Absprachen, Recherche möglicher externer Partner, Kooperationsverträge etc.) sollten präventiv geschaffen werden.
- Die Expertenkommission empfiehlt, Verfahrensanweisungen zu verschlanken und besser miteinander zu verzahnen. (das läuft im Übrigen unter dem Schlagwort “Reduzierung und stärkere Verzahnung von Instrumenten, Verfahrensanweisungen und Standard Operating Procedures”)
- die Liste der Krisenfälle um sexuellen Missbrauch im Klinikum zu erweitern, klare Verantwortlichkeiten, Entscheidungs- und Meldewege festzulegen und diese entsprechend an die Entscheidungsträger zu kommunizieren.
- die Einführung einer Whistleblower-Software in der Charité zu prüfen, um die o.g. Anforderungen bestmöglich zu erfüllen. Gegebenenfalls kann im Falle einer positiven Entscheidung auf die vorhandenen Systeme (Vertrauenstelefon / Ombudsmann) verzichtet werden.
- das erweiterte Führungszeugnis bei Neueinstellungen generell von allen Personen anzufordern, die in der Charité mit Minderjährigen zu tun haben. Das damit verbundene Signal „In der Charité ist man aufmerksam und beugt vor” ist wichtig und unterstützt das Ziel, eine Klinik mit guter Innerer Qualität zu sein.
Vielleicht irre ich; aber für mich klingt das alles sehr nach Wischi-Waschi. Für mich klingt das so, als wolle man hinter Worthülsen verstecken, dass die Sache “abgehakt” ist – der Öffentlichkeit habe man seinen guten Willen gezeigt… und ob die Empfehlungen im Inneren tatsächlich und wie durchgeführt werden – das interessiert in wenigen Tagen schon keinen Menschen mehr.
Deshalb stimme ich Julia Haak zu, wenn sie schreibt:
Dieser Bericht hinterlässt einen faden Geschmack. Er verfolgt offenbar vor allem das Ziel, die Charité von dem Vorwurf, sich falsch verhalten zu haben, zu entlasten.
Nic