Die Schönheit von Akzeptanz

„And God, tell us the reason
Why Youth is wasted on the young“ 
(Adam Levine, Lost Stars)

Liebe Sue, Freundin seit 25 Jahren und Inspiration bei zahlreichen Streichen. Du zählst zu den wenigen Menschen, die Kritik bemerkenswert sportlich nehmen. Du bist immer neugierig darauf was Menschen denken und fühlen. Zum Geburtstag der Künstlerin Sade hast du auf Instagram geschrieben 60 sei das neue 30 (...)

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Happy Birthday Sade! Keinen Winter ohne den Smooth Operator - Danke Sade und lass Dich feiern. 60 ist das neue 30. we love you💙 Heute auf dem Blog . . . .. . #sade #birthday #love #smoothoperator #sweet60 #icon #inspirational #superwoman #silentstar #hero #heroofmylife #denim #girl #celebration

Ein Beitrag geteilt von SoSUE OFFICIAL (@sosue_official) am Jan 16, 2019 um 10:24 PST

Ich bin 55 und sehe meistens auch so aus. Ich bin fünf Jahre älter als Du und damit, aus der Perspektive 30-jähriger Frauen, relativ alt. In meinem Job habe ich täglich mit Kolleginnen zu tun, die meine Töchter sein könnten. Das Miteinander ist entspannt, mir würde jedoch nicht im Traum einfallen unsere Lebenswelten zu vergleichen. Und obwohl ich die Courage dazu besitze, verzichte ich auf Fotos im Bikini. Vielleicht verzichte ich bald sogar ganz und gar darauf einen Bikini zu tragen. Ein Kaftan vielleicht? Ich finde deinen Bikini-Spleen amüsant und als deine biografische Begleiterin verstehe ich auch, warum Du es immer wieder machst. 

Du siehst fabelhaft aus im Bikini. Jetzt existieren sogar Bananenblätter in deinem Repertoire – Paul Gauguin wäre entzückt gewesen. Offen gestanden finde ich es bemerkenswert, dass du hinter so ein Blatt passt. Aber bei deiner Aussage „60 sei das neue 30“ muss ich dir wiedersprechen. Diese ehrgeizige und sicher schmeichelhaft gemeinte Beauty-These sollte keiner Frau zugemutet werden. 

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Ein Beitrag geteilt von SoSUE OFFICIAL (@sosue_official) am Jan 13, 2019 um 9:41 PST

Wovor fürchten sich Menschen, die unter keinen Umständen so alt aussehen wollen sie sind? Ist äußerliche Reife ein Makel? Ich selbst ringe ja auch mit diesen unvermeidlichen Veränderungen, an doofen Tagen erschrecke ich sogar vor dem Spiegel und bin froh, im Nahbereich schlecht zu sehen. Mein inneres Empfinden deckt sich dann überhaupt nicht mit meinem Hautbild. Auch ich spüre die Kränkung, die mir das Alter zufügt. Aber ich registriere auch die Ideale unserer Kultur, meine eigene Prägung aus 25 Jahren in Redaktionen von Frauenmagazinen. Die ewige Jugend ist ein Wettbewerb bei dem wir spätestens ab dem 30. Lebensjahr automatisch angemeldet sind.

Eine Frau scheint nur begehrenswert zu sein, wenn sie faltenlos, mit tollem Tonus und Teint unschlagbar frisch und rosig durch die Gegend rennt. Oder zumindest alles, wirklich alles dafür tut, um „Mimik-Fältchen zu vermeiden“. Nichts darf hängen oder runzeln oder weich sein. Der natürliche Collagenverlust wird diskutiert wie ein Kollateralschaden. Die Behandlungsliegen der modernen Superwunderkosmetikerin oder Dermatologinnen werden zu Tempeln stilisiert und mit dem Glauben aufgeladen, ausgerechnet wir müssten uns der Keule des Alterns und der Vergänglichkeit nicht stellen. 

Bitte, bitte, gib mir das Serum der ewigen Jugend! Ich heiße Doris Gray und ich habe solche Angst davor, nicht mehr begehrenswert zu sein, nicht geliebt zu werden. Meine alterslose Beauty ist mein Marktwert.

„Doris, deine Falten kotzen mich an. Bitte geh’ mir bitte aus den Augen!“ Vielleicht sagen das manche Männer. Und – das ist viel schauderhafter und kein Vielleicht – noch viel mehr Frauen.

Die Falten kommen aber ganz bestimmt. Und eine kostspielige „du-kannst-dich-optimieren“-Industrie dreht sich nur um Straffheit und Dünnheit und Schönheit (und aus meiner persönlichen Sicht Blödheit). Und ja, wir müssen trotzdem sterben. Dann vielleicht ganz glatt. „Keiner von uns kommt lebend hier raus“, sagt Anthony Hopkins, „also hört auf, Euch wie ein Andenken zu behandeln (...)“. 

Nein, nein, jammert Doris Gray, ich kann aber noch ein paar Jahre rausholen. Es steht mir zu. Andere Frauen machen es genauso, es gehört zu unserer Kultur das Alter zu verbannen!

Viele von uns praktizieren Yoga, reden über Spiritualität, sie postulieren Weisheit ohne Alters-Flecken. Sie duschen ohne nass zu werden. Sie betreiben Kosmetik.

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Meine Töchter sagen zu mir „Mami, du siehst älter aus, aber du bist schön.“ In ihren Augen bin ich eine ganze Geschichte. Ich zensiere diese Geschichte nicht, auch nicht im Außen. Was nicht bedeutet, dass ich auf Pflege verzichte. Aber ich möchte nicht 30 sein und auch nicht so aussehen. Wie soll das gehen? Den Aufwand, den das bedeuten würde, kann ich in meinem Alltag gar nicht leisten. (An guten Tagen schaffe ich vielleicht eine 40). Ich möchte, dass meine Töchter von mir lernen, dass das Älterwerden nicht zum Fürchten ist. Selbst wenn es durchaus so ist. Aber das verrate ich ihnen nicht. Man erzählt Schwangeren ja auch nicht wie es im Kreissaal zugeht. Das Altern ist ein Prozess, der viel Courage erfordert. In stillen Momenten mit meinen Töchtern spüre ich wie sie mich betrachten. Bei meiner älteren Tochter huscht dann manchmal etwas Wehmütiges über ihr noch makellos glattes Gesicht. In ihrem Blick sehe ich Zuneigung, ich sehe ihr Werden, ich sehe meine eigene Vergänglichkeit. Ich sehe, was damals meine Mutter sah, als ich sie betrachtete. Es schmerzt. Ich möchte es akzeptieren. 


Über den Autor:
Die Autorin Stefanie Wilke ist 1964 auf Sylt geboren, dort war es damals ganz schön wild. Sie ist am Strand unter Piraten aufgewachsen. Heute lebt sie in Hamburg und hat Magazine wie AMICA, Allegra, Emotion und enorm mit Ideen und Texten begleitet. Aktuell arbeitet sie als Texterin in einer Agentur. Das Schreiben über Psychologie und die Liebe zählt zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. 

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