Die Schafspelzratten – Emre Akal

Von Theatertogo @MarieGolueke

Import-Export

KLICK

In der Goethestraße am Hauptbahnhof sieht es anders aus als am Odeonsplatz. Es ist dreckiger, hektischer und man sieht keine Frauen mit Luis Vuitton Handtaschen, sondern Frauen mit Kopftuch und Männer mit dunklere Haut.

Willkommen im multikulturellen Bahnhofsviertel. Hier leben und arbeiten viele der Immigranten, die damals als Gastarbeiter nach Deutschland und auch nach München gekommen sind.

Genau von diese Immigranten und deren Kinder handelt das Stück von Emre Akal, bayrisch-türkischer Regisseur, Autor und Schauspieler. Ein Jahr lang führte er Interviews mit Immigranten erster, zweiter und dritter Generation.

Im Import-Export, mitten auf der Goethestraße, feierte diese Inszenierung Premiere. Ein wirklich geiler Ort. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas in München gibt. Ein Teil des Raumes ist mit weißen Kacheln ausgelegt, gleichzeitig Bühne und Zuschauerraum. Sonst finden hier Konzerte statt, aber auch für Theater ist dieser Raum auf jeden Fall sehr  zu empfehlen!

Nun aber zur Inszenierung von Schafspelzratten. Vier Schauspieler. Zwei aus der jungen Generation und zwei aus der alten Generation. Die zwei aus der ersten Generation (Suna Tan und Erkin Arkal)  erzählen mit Witz und Humor, wie sie nach Deutschland kamen und was sie hier erlebten. Diese witzigen Erzählungen werden unterbrochen von Wortfetzen der jungen Generation.

Anja Neukamm und Arno Friedrich hüpfen und springen und klettern im Hintergrund herum. Sie unterbrechen immer wieder die Geschichten der zwei Vorderen oder ist es eher andersrum? Ganz weiß man es nie. Was kommt? Wer erzählt welche Geschichte weiter? Die Inszenierung ist eine assoziative Szenenfolge von Gesprächen und Gedankenfetzen. An dem Fenster zur Straßenseite steht eine Kamera, die die Menschen auf der Straße im vorbeigehen filmt und dies auf die Wand im Raum projiziert. Eine gelungene mediale Verknüpfung mit Köpfchen. Der Autor selbst stellt sich während der Aufführung vor das Fenster und schaut in die Kamera, genauso wie er auch am Anfang mit auf dem Bartresen sitzt. Da merkt man ihm an, dass er Schauspieler ist und die können es einfach nicht lassen auf die Bühne zu gehen, auch wenn es ihr eigenes Stück ist. In diesem Fall hat es aber funktioniert und der Inszenierung noch mal einen zusätzlichen Kick gegeben.

Das Mädchen im pinken Tütü (Anja Neukamm) und der Junge, der sich nicht findet (Arno Friedrich). Sie sollen die heutige Generation von deutsch-türkischen Jugendlichen darstellen, die nicht genau wissen wo sie hingehören. Sie sind nirgends richtig zu Hause und suchen ihren Platz in der Welt. Das gelingt den Schauspielern sehr gut und man ist am Ende selber total verwirrt und kann sie doch verstehen, vor allem wenn man die Situation ansatzweise kennt. Für mich stellte das Tütü das Kopftuch da, auf der einen Seite hat sie es gerne an, auf der anderen Seite zieht sie es immer wieder aus. Die Figur von Arno Friedrich sucht und sucht nach seiner wahren Identität, die ihm aber immer verbogen bleibt.

Es ist eine Inszenierung die viele Fragen hinterlässt aber auch Antworten gibt.  Es ist eine Inszenierung die witzig ist aber auch ernst. Es ist eine Inszenierung die Spaß macht und verwirrt. Es sind nur 60 Minuten, die viel zu schnell vorbei gehen. Es sind 60 Minuten in denen man gepackt wird und geschleudert wird durch die Zeiten und die Identitäten.

Es gibt noch so viele Geschichten zu erzählen und ich war zum Schluss richtig sauer, da ich noch mehr hören wollte, da ich wissen wollte wie es weiter geht. Aber es ging nicht weiter. Es wurde einfach das Licht ausgemacht. Die Ratten können nur im Dunkeln sehen und auch der Wolf im Schafspelz wird nicht so leicht erkannt. Eigentlich sind wir alle Schafspelzratten und bei diesem Stück ist für jeden etwas dabei.