Lange war er „Tafelwein“, wenige Jahre „Landwein“ und erst seit dem Jahrgang 1994 ist er „Qualitätswein“ als Unterstufe der DOC »Bolgheri«. Egal, welche Klassifizierung der Wein der vergangenen 45 Jahren erfahren durfte, eines ist klar: Er hat Kult-Status und die üblichen Jahrgangstabellen für toskanische Weine gelten meistens nicht für Sassicaia, Ornellaia, Le Macciole und einige weitere berühmte Weine dieses Landstriches. Die klimatischen Unterschiede zum Binnenland sind einfach zu groß.
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Zurück zu Sassicai: Der Name ist unter den italienischen Weinen zu einer Legende geworden und dies begann schon viel früher, als er bei uns bekannt wurde. Die „Tenuta San Guido“ liegt in der Gemeinde Bolgheri, südlich von Livorno in der toskanischen Maremma. Weingut und Weinberge sind nur rund 10 km von der Küste entfernt. Die Nähe zum Meer, steinige Böden auf etwa 50 Metern Seehöhe sowie ein besonderes Mikroklima, bringen erstaunliche Ähnlichkeiten zu „Graves“ in der Region Bordeaux.
Mario Incisa della Roccetta, war der Vater des heutigen Besitzers des Weingutes. Er war ein großer Liebhaber von Bordeauxweinen. Und nachdem es während des 2. Weltkrieges immer schwerer wurde, diese französischen Edelgewächse nach Italien zu importieren, versuchte er, auf seinen ausgedehnten Landgütern in der Maremma einen gewissen Ersatz zu finden. Schon 1942 bat er Baron Rothschild von Château Lafite Rothschild um Cabernet–Pflanzen aus Bordeaux. 1944 war es dann soweit und er konnte mit 2 Kisten Stecklingen den ersten Weinberg bepflanzte. Dann dauerte es einige Jahre bis die erste Abfüllung in nennenswerter Menge möglich war.
Zunächst war der Wein ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Aber im Jahre 1965 wurden zwei weitere Weinberge mit Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc angelegt. Erst auf Drängen seines Sohnes Nicolò, dem heutigen Besitzer von „San Guido“ und seinem Verwandten Piero Antinori wurde der Wein dann auch vermarktet. Der erste, nach den vielen Steinen (Sassi) in den Weinbergen als „Sassicaia“ benannte Rotwein, war der Jahrgang1968. Nur 7.300 Flaschen wurden damals abgefüllt und seither gibt es regelmäßige kleine Steigerungen. Der für Italien und besonders für die Toskana untypische, sortenreine Weine aus Cabernet Sauvignon mit etwas Cabernet Franc erregte international viel Aufsehen. Im eigenen Land gab es allerdings reichlich Ablehnung.
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Bald wurde der Wein zur Legende und musste seinen Anhängern zugeteilt werden. Ich erinnere mich selbst noch daran, dass ich bei meinem Händler nicht mehr als 3 Flaschen pro Jahr bestellen konnte. Der Wein wurde konsequent verbessert und die Produktion ausgeweitet. Die internationale Weinwelt wurde in den 70er Jahren auf den Sassicaia aufmerksam und es begann der Siegeszug um den Globus. Nicht selten konnte er bei Blindproben die berühmtesten Weine aus Frankreich und Kalifornien schlagen. Er war der erste bekannte Kultwein Italiens und einer der allerersten Vertreter der später als „Super-Toskaner“ bezeichneten Weine.
Sassicai wird noch immer überwiegend aus Cabernet Sauvignon mit einem kleinen Anteil an Cabernet Franc gewonnen. Nach einer temperaturgesteuerten Gärung in Edelstahltanks und dem obligatorischen biologischen Säureabbau reift er 18 bis 24 Monate in Barriques aus Tronçais und Allier. Zur weiteren Verfeinerung ruht er noch ein Jahr in der Flasche.
Nachdem Cabernet-Trauben in der Toskana untypisch waren, durfte der Wein viele Jahre lang nur als „Tafelwein“ (Vino da tavola) vermarktet werden. Kurzfristig brachte diese Klassifizierung auch Probleme beim Import nach Österreich in 0,75 Liter-Flaschen. Schließlich mussten Tafelweine wegen unserem strengen Weingesetz damals in 1- oder 2- Liter Flaschen abgefüllt werden, zur besseren Unterscheidung zu den „Qualitätsweinen“.
Das Etikett, das den Sassicaia ziert, wurde einst von Mario Incisa della Rocchetta entworfen und lehnt sich an das Siegel der adeligen Familie an. Diese hatte schon immer großen Einfluss in der Region und es ging soweit, dass die Familie eigene Münzen prägen durfte. Heute ist Sassicaia der Wein aus der einzigartigen Lage, dem als einzigem in Italien eine eigene DOC-Klassifizierung zuerkannt wurde – die DOC „Bolgheri Sassicaia“.