Wie Machtpolitik inszeniert wird, kann der interessierte und mündige Bürger unschwer nachvollziehen. Es gibt zahlreiche Beispiele von Umstürzen und geheimdienstlichen Operationen, mit denen ein militärisches Eingreifen möglichst ohne großen Widerspruch legitimiert werden sollte.
Diese Vorgehensweise ist inzwischen sowohl durch geöffnete Archive und die eingelagerten Daten, deren Sperrfrist abgelaufen ist, als auch durch die historische Forschung belegt. Damit zeigt sich aber auch ein dem Prozess innewohnendes Problem: es vergehen mithin etwa 50 Jahre, bis aus den bisherigen Verschwörungstheorien belegbare historische Vorgänge werden.
An diesem Punkt ist der mündige Bürger gefragt. Das Zeitalter der Aufklärung hat einige der großartigsten Errungenschaften unserer Zivilisation herbeigeführt – gegen erhebliche Widerstände. Auch heute wird dieser Kampf gekämpft. Denn allein die Tatsache, dass jedermann jederzeit Zugriff auf jedwede Information hat, genügt nicht.
Die Kunst ist, die erlangte Information in einen Kontext einzuordnen. Und es ist tragisch zu sehen, wie unsere Gesellschaft daran scheitert. Anscheinend vertraut der Bürger unserer Tage lieber dem, der ihn zuverlässig hinters Licht führt, als dem, von dem man dies noch nicht weiß.
Wirklich interessant ist die reflexartig anmutende Reaktion selbst historisch oder politisch interessierter Menschen. Schlussfolgert man auf der Grundlage der bekannten Fakten, lässt sich folgende These aufstellen: was in früheren Zeiten üblich war, um seine politische Macht und Position zu stärken, wird auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Bereich des Möglichen liegen. Je geringer der zeitliche Anstand zwischen den betrachteten Gegenständen ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit ihrer weitergehenden Anwendung. Damit sollten sie auch einer genauen Prüfung und wissenschaftlichen Diskussion unterzogen werden.
Wie sieht die Realität aus? Die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache: es ist gegenwärtig bekannt und hinreichend belegt bzw. eingestanden, dass einige der Casus Belli der letzten Jahrzehnte inszeniert worden sind. Allerdings nahezu ohne Folgen für diejenigen, die diese Kriege herbeigeführt haben.
Wir wissen, dass dies bis in unsere Zeit ein Mittel der Politik ist. Aber wir weigern uns beharrlich, dies zur Kenntnis zu nehmen und anzuerkennen. Das, was in der Vergangenheit an Fehlern gemacht worden ist, kann uns ja unmöglich erneut wiederfahren. Im Gegenteil sprechen wir denen, die eben nicht glauben sondern hinterfragen, ihre Reputation ab und verorten sie im Reich der Verschwörungstheorien.
Dabei ist die Zerstörung der oppositionellen Reputation an sich eher ein Vorgang, der an totalitäre Strukturen erinnert und nicht an demokratische oder gar wissenschaftliche Auseinandersetzungen. Denn eigentlich müsste der Sieg im Diskurs schnell von jenen erlangt werden, die die besseren Argumente oder belastbareren Fakten ins Feld führen.
Jedwede andere Vorgehensweise sollte uns stutzig machen, wir sollten hinterfragen. Stattdessen nehmen wir hin. Wir nutzen die großartigen Informationskanäle, über die wir verfügen, aus um uns weiter auszuliefern.
Es ist ein historischer Fakt, dass zu Zeiten des Kalten Krieges westliche, demokratisch gewählte Regierungen ihr eigenes Volk mit Terror überzogen haben um den Kampf gegen den Kommunismus sowohl im äußeren als auch im inneren zu legitimieren. „Bewiesen“ sollte an dieser Stelle allerdings nicht mit „bekannt“ verwechselt werden.
Sollte so etwas heute nicht mehr möglich sein? Nun, wir hoffen es – andernfalls wären wir belogen und betrogen worden und müssten handeln. Wie schwer uns das fällt, zeigt ein anderes Beispiel. Hierzu muss nur die erstaunliche Passivität der Deutschen in Bezug zur NSA-Spähaffäre erwähnt werden.
Ein weiteres Beispiel soll zeigen, wie sehr es mehr um Meinung als um Tatsachen geht: rund ein Jahrhundert hat die Forschung benötigt, um die Kriegsschuldfrage des Ersten Weltkrieges in neuem Licht zu sehen. Zumindest scheint es uns in Deutschland so. Eine Diskussion, die schon wesentlich länger stattfand, tauchte in der öffentlichen Wahrnehmung erst sehr viel später auf. Und hat uns in unserer lange einstudierten, überzogenen Selbstkritik verunsichert. Die politisch Verantwortlichen sogar so sehr, dass sie keine Rücksicht auf den Stand der Forschung nehmen sondern diesen lieber ignorieren.
Der Schaden, den unser politisches System momentan erleidet und in den letzten Jahren erlitten hat, verursacht durch Skandale, Lügen und Lobbyismus, scheint den Verantwortlichen entweder gleich zu sein oder sie sehen ihn nicht. Parteien, denen es nicht länger um Überzeugungen geht sondern um Machterhalt, gefestigt durch das Heranzüchten passender Nachfolger, passen so gar nicht in unsere Demokratie.
All jenen muss ein weiterer historischer Fakt klar sein: der Deutsche braucht lange, um sich aus seiner Bequemlichkeit zu erheben. Steht er erst einmal, sind die Folgen unabsehbar. Demokratie und Rechtsstaat nehmen mehr und mehr unheilbaren Schaden an den Ereignissen und treiben mehr und mehr Menschen in eine Richtung, in die sie eigentlich niemals wollten, niemals sollten aber umso schwerer wieder herauskommen.