Jetzt kenne ich also auch endlich die meisten Internetcafés der Stadt. Das hätte ich mir zwar gerne erspart, Union Fenosa (der einzige und – laut Nicaraguanern – von geldgierigen Chinesen geführte Stromlieferant in Nicaragua) will uns keinen neuen Transformator spendieren, was uns Dunkelheit und Candle Light Dinners beschert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Computer in schlechtem bis miserablem Zustand sind, die Bildschirme oft noch schlimmer und es in den billigsten Lokalen das schnellste Internet gibt.
Aber zurück zum Strom: Besagten Freitag waren einige Leute der Firma Claro/Enitel (Nicaraguas größter Anbieter was Telekommunikation anbelangt) am Werke um eine neue Leitung zu legen. Aus unbekanntem Grund wurde dafür ein Seil über zwei stromführende Kabel geworfen, was zur Folge hatte, dass das – offenbar zu schwere – Seil das obere Kabel nach unten zog – nennt sich offenbar Schwerkraft – und daraufhin die zwei – offensichtlich gegensätzlichen – Strom führenden Kabel kollidierten. Das wiederum legte laut Augenzeugen unter Funkenregen einen Schutzschalter beim nächstgelegenen Trafo um und – schwups – verließ ein ganzes Viertel der Strom. Darauf angesprochen behauptete die Gruppe, daran sei vermutlich wer anderer schuld.
Am Abend endlich – nach vier wenig vertröstenden Anrufen und geschlagenen 10 Stunden ohne Strom – kam ein Wagen besagter Union Fenosa vorbei und inspizierte den Trafo. Der Trafo wollte das aber nicht und sprühte unter lautem Knallen noch einmal kräftig Funken. Daraufhin kletterte einer der Beiden hinauf und inspizierte das genauer, konnte aber nachher nichts mitteilen, außer, dass sie morgen (Samstag) nach Managua den Antrag auf einen neuen Trafo stellen müssten.
Soweit so schön, nur dass am Samstag auf einmal von der Dame am Telefon behauptet wurde, dass es angeblich illegale Anschlüsse am Trafo gäbe, was den Kurzsschluss ausgelöst hätte. Das ist in Managua Gang und Gäbe, in Condega aber nicht möglich, da dies innerhalb eines Monats aufgedeckt und abgezwickt wird. Am Sonntag hieß es dann plötzlich, der Antrag sei noch überhaupt nicht gestellt worden, man müsse bis Montag warten, dann arbeite dort auch wieder jemand. Am Montag, also heute, ist die Rede von bis zu einer Woche ohne Strom, weil die (laut Nicaraguanern) befreundete Firma Claro/Enitel abstreitet an der Sache beteiligt gewesen zu sein.
Heißt im Klartext: Falls überhaupt ein neuer Transformator kommt, werden die 3000US$ die das gute Stück kostet dem Stromzahler auf die Rechnung gepackt. Und man kann offenbar nichts dagegen machen, weil sich keine Sau dagegen auflehnt. Jeder sagt „Ach, das wird schon wer anderer tun …“. Und das schon bei so einfachen Dingen, wie die Firma anzurufen und einfach zu nerven. Von den geschätzt mehr als 300 betroffenen Menschen weiß ich nur meiner Gastfamilie, dass sie anruft und nervt und Fragen stellt. Unter anderem sind wir auch eine der ganz wenigen Familien, die einen Notstromgenerator im Haus hat, der jetzt jeden Abend sein Bestes gibt.
Überhaupt ist das so in Nicaragua. Meckern, dass nichts geht, aber auch ja nicht dagegen auflehnen. Und Gemeinschaft ist was für Looser!
Dazu noch ein anderes Beispiel: Die Stadtregierung stellt jedem Stadtteil frei, was es mit dem jährlichen zur Verfügung gestellten Budget macht. Dazu formt sich für jeden Stadtteil ein Ausschuss mit bis zu 30 Frauen und Männern, die exakt dort leben. Jetzt wird seit einigen Jahren von der Bevölkerung gefordert, das Wasser, das viele Haushalte auf die Straße leiten aus dem Stadtbild zu verbannen. Und dann werden in der Wunschliste aus diversen Gründen andere Dinge vorgereiht. Aber das weiß keiner, oder aber es wird behauptet, dass in diesen Ausschüssen ja sowieso nie das durchgesetzt wird, was man selber will und man deshalb nicht daran teilnehme.
Da würde man denken, etliche Jahre kommunistische Regierung würde in den Köpfen der Menschen etwas hinterlassen haben, aber ich kann nur absolute Sturheit und Engstirnigkeit feststellen.
Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, aber mein Frust hat endlich ein bisschen Luft
Und wenn ich mal wieder Zeit habe, widme ich mich der Aufarbeitung des vergangenen Sonntags, an dem ein farbenfroher Festzug religiöser Natur durch Condega gerauscht ist. Inklusive vieler Fotos. Also bis dann