Je öfter ich mich auf dem Festland aufhalte und je kürzer die Abstände zwischen diesen Ausflügen sind umso empfindlicher reagiere ich auf Krach und Lärm. Letzte Woche logierte ich in einem Hotel mit schalldichtgeschützten Fenstern. Nachts bei offenem Fenster schlafen war angesichts der unter mir brodelnden Kreuzung, nicht nur aufgrund der die zulässige Dezibelgrenze durchbrechenden Lautstärke, sondern besonders auch aufgrund des miesen Gestankes, nicht möglich. Hektik und Lärm nerven mich. Immer weniger nutze ich inmitten der Grossstadthektik meine Kopfhörer, um mich in klassisch, akkustisch exzellente Welten zu träumen. Während eines Festlandsausfluges höre ich immer weniger Musik. Das hat mir in den vergangenen Wochen einen völlig neuen Horizont eröffnet. Ich entwickle zunehmend eine Schwäche für Cafés und Parks in denen ich mich entspannt nierderlasse. Ich beobachte und lausche,den Gesprächen um mich herum all den Menschen die an mir vorbei ziehen. Stundenlang schaue ich dem Strom der gehetzten Menschen fasziniert hinterher. Beständig und leise brummend schaufelt er emsige Menschen von einem Ort zum anderen, ergisst sich in ShoppingMalls und Strassen, Ubahnen, Züge, Flughäfen. Hin und wieder wird der Fluss kanalisierter Grossstädter von entspannungssuchenden, zumeist Päärchen im fortgeschrittenen Alter, Menschen unterbrochen. Wie im Wind taumelnde Blätter tänzeln sie durch die MenschenWogen, rempeln hier und da wen an, werden vor und zurückgeworfen, schwanken und lassen sich erschöpft auf einer Bank nieder. Von der sicheren Insel aus betrachten sie staunend, sinnierend, träumend den rauschenden Fluss.
Die fehlende Beschallung lässt mich hin-und wieder Zeuge ganz bezaubernder Dialoge werden. Neulich zum Beispiel im ICE nach Kopenhagen.
“Moinmoin in allen Dialekten.” Aha – Urlauber auf ErstinselBesuch. Himmelfahrt und Pfingsten standen vor der Tür. Irgendwer hat Ihnen erzählt das Moin die landläufige Begrüssung ist. Das ist korrekt. Nicht korrekt ist das übertrieben laut, gedoppelte und gesungene Grusswort. Um es ganz genau zu machen schmettert der Durchschnittstourist sein Moin gerne doppelt, falsch betont und ganz laut in den Raum. Natürlich wundert er sich das wir ihm einen schönen Urlaub wünschen. Nichts lag Ihm ferner als das er bereits vor der Brücke vom Festland zur Insel als Urlauber geoutet wird. Schließlich hat er wochenlang die korrekte Intonation des norddeutschen Grusses geübt.
“Mama! Mama! MaMaaaa! Jetzt schau doch mal, alles gelb hier. Ooooooooooh, Aaaaaaaaaah ist das gelb hier. Mama!!!! das hört gar nicht auf.” (circa 3 Jahre beim Anblick der Rapsfelder)
“Boah Mama!Mama! jetzt schau mal ist das da Meeeeeer?! Oooooooooooh so gross.”
“Mama! jetzt schau doch mal was für ein riesiger See.” (noch mehr Knirpse)
Kindern, auf dem Weg ans Meer zuzuhören, ist fast mit am Schönsten. Diese unbekümmerte Vorfreude. All die Aaaah`s und Oooooh’s. Das Meer ist ja sooooo aufregend. Da kann kaum ein DisneyBlockbuster mithalten. Wahrscheinlich haben sie wirklich noch nie blühenden Raps gesehen. Kann sein. Ich war letztens im Rhein-Main-Gebiet. Ich habe es nur spärlich hier und da gelb leuchten sehen.
Da werden Schwimmflügel raus gekramt. Niveabälle aufgepustet und mit Sonnencreme gepanscht. Würden die Mütter nicht vorsorglich die Strandschaufeln konfiszieren dann begönnen die Knirpse bereits im Zug mit dem Sandburgenbau.
Erwachsene plagen hingegen andere Sorgen auf dem Weg in den einsamen entfernten Norden.
“Wir müssen auf jeden Fall noch einkaufen. Hoffentlich haben die dort einen Supermarkt. Die essen doch auch diese kleinen komischen Pfannkuchen oder?!”
Lieber Besucher, wir essen ganz normal Du haben keine keinen schuppig grünen Schwanz und erfreuen uns nicht an Schwimmhäuten zwischen den Fingern ( die wünschte ich mir manchmal tatsächlich), wir spucken kein Feuer und gehen zum Pinkeln auf’s klo. Wir wohnen in festen Häusern, mähen unseren Rasen und haben das Auto zum Sonntag hin auch ganz gern geputzt. Morgens bevorzugen wir Müsli’s, frische Brötchen, einen heissen Kaffee und die Tageszeitung. Vielleicht ist unser Fisch einen Hauch frischer als Tiefkühldorsch. Ansonsten, wage ich zu behaupten, unterscheiden wir uns wenig von Euch. Vielleicht ist unsere Haut etwas dicker von der vielen Sonne und den eisigen Nordwinden. Naja und unser Charme ist vielleicht ein wenig rauh aber deswegen nicht weniger herzlich. Hier wird niemand gebissen. Manchmal fluchen wir über zu viele Besucher, verstopfte Strassen und aus den Nähten platzende Parkplätze. Meistens besonders dann, wenn wir mal wieder zu spät das Haus verlassen haben, um zur Arbeit zu kommen oder im Supermarkt ohne Einkaufszettel waren und die Hälfte der Sachen vergassen.
“Hast Du genug Bargeld eingesteckt? Im Reiseführer steht nichts von einem Geldautomaten. Hoffentlich ist es nicht zu kalt dort oben. Ich hab nur einen Pullover mit.”
“Mama!!!!!Mamaaaaaa!!!!!!! Jetzt schau mal bitte dieses riesige Schiff. Da fährt sogar ein Zug gerade rein. Hoffentlich gehen wir nicht unter…..”