Die Sache mit dem digitalen Verlust

Von Mktrout

Es ist kaum zu glauben, die Segnungen der Digitalen Welt bringen uns Verluste zuhauf. Wie ich zu dieser Aussage kommen? Nun ja, ich unterhielt mit mit Tilla-Sohn, besser wir redeten über seine Facharbeit und die Facharbeiten seiner Mitschüler. Einer davon befasst sich mit einem für mich interessanten Thema – die fachtheoretische Bezeichnung habe ich vergessen – in der er sich über die Leistung des menschlichen Gehirns im digitalen Umfeld auslässt. Anders gesagt, er zeigt die Leistung des menschlichen Gehirns auf, um digitale Lücken zu füllen.

Fakt ist, digital werden gewissen Bereiche abgeschnitten, um günstige Speichergrößen zu erreichen. Dieses Verfahren wird insbesondere bei Audio-, Video- und Bild-Medien einsetzt. Als Nicht-Techniker fällt es mir sehr schwer dies richtig zu erklären, obwohl es mir schon häufig aufgefallen ist. Ganz ehrlich, ich bin kein Musiktyp, kann aber mit MP3′s nicht viel anfangen, weil sie mir zu platt klingen. Ganz besonders dann, wenn ich das Musikstück von der guten alten Schallplatte her kenne wir es für mich schwierig. Video ist auch nicht so ganz mein Ding und da ist mir eine mögliche Plattheit bisher noch nicht aufgefallen. Bilder hingegen, da sehe ich auf Anhieb was fehlt, auch wenn ich ein analoges Original nicht kenne. Was geht da vor?

Um noch einmal den oben angeführten Schüler zu zitieren, ergänzt das menschliche Gehirn all jene digital abgeschnittenen Bereiche durch Erfahrungswerte – wenn alles gut läuft. Somit wäre das „Stück“ für jede konsumierende Wahrnehmung wieder komplett, wenn das Gehirn das Verfahren der permanenten Anreicherung gelernt hat. Very strange my dear. Nun nehme ich mich als Beispiel. Auch wenn keine Musikaffinität bei mir vorliegt, kenne ich bezüglich der Klangmodulation das „Original“ und mein Gehirn hat nicht das Ergänzen gelernt. Deshalb werde ich mit MP3 nicht glücklich, jetzt weiß ich es. Videos sind mir eher wurscht. Wenn ich ein solche „Stück“ sehe, wird es einfach konsumiert und fertig. Mein Gehirn aktiviert keine Ergänzungsleistung, es ist sowieso nur ein „durchlaufender Posten“. Ganz anders verhält es sich bei mir mit Bildern. Fotografie ist mein Leben, seit über 30 Jahren, und ich weiß sehr genau, was da alles drin sein muss. Somit fallen mir schon die kleinsten Reduzierungen auf. Mein Gehirn lehnt sich sozusagen gegen jeden Beschnitt auf. Ich kann es nicht steuern, es ist eben so. Das unterbewusste Arbeiten des Denkkastens ist nun einmal ein recht komplex arbeitendes Ding.

Neugierig geworden habe ich mich auf die internetweite Suche gemacht und bin auf verschiedene Ansätze gestoßen, die zumeist von Psychologen und Verhaltensforschern verfasst wurden. All das Dargestellte zu begreifen, wäre ein nahezu kompletter Studiengang. Aber eines habe ich verinnerlicht, es gibt zumindest zwei unterbewusste Vorgangsstrukturen.
Vorgang 1: Das im Falle des digitalen Konsums aktivierte Gehirn vergleicht aktuelles Aufnehmen mit Erfahrungswerten, findet keine Alterfahrungen und nimmt das Aktuelle als Ist-Wert. Dies stellt den einfachen Konsum dar, der in meinem Beispiel bei Videos zum Zuge kommt.
Vorgang 2: Bei digitalem Konsum wird des Gehirn aktiviert und ergänzt über Erfahrungswerte die fehlenden Teile. Dabei können nun zwei unterschiedliche Reaktionen auftreten – entweder das Unterbewusste macht das Spiel mit, oder lehnt es ab. Wie weit diese Ablehnung geht, ist dann eine Sache der persönlichen Prägung. Je weiter sich ein Konsument mit dem Konsumgut identifiziert, um so intensiver kann es zu Befürwortung, Duldung oder Ablehnung führen. In meinem Beispiel wären das dann Musik und Bilder.

Interessante Gedanken, nicht neu aber überlegenswert. Sicher werden hier wesentlich gebildetere Geister zum Thema mehr beitragen können. Klar könnte nun jedermann sagen, das war uns doch allen schon lange bewusst. Aber warum wird akzeptiert, dass ein Digitalverluste zum modernen Leben gehören? Macht es der Mehrheit nichts mehr aus, wenn sie etwas Gewohntes (Besseres) aufgeben und mit Reduzierung leben? Für mich liegt die Antwort nahezu auf der Hand: Duldung. Da ist es einfach egal geworden, ob hohe oder niedrige Qualitäten konsumiert werden … es ist doch sowieso nur Konsum, schnell aufnehmen, verdauen und vergessen.

Über das Ganze werden ich noch einmal intensiv nachdenken müssen.

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