Nas erklärte HipHop Ende 2006 für tot. Und wirklich widersprechen konnte man dem Mann nicht.
Im Musikfernsehen ertrank alles unter weichgespülter, als HipHop getarnter Popmusik und die verbliebenen Großtiere im Gehege entdeckten entweder ihr Faible für Autotunegesang – Kanye West – oder schlossen sich gleich zusammen, um in einem Akt unnötigen, wenn auch großartig produzierten Größenwahns den nie in Frage gestellten Trohn zu verteidigen – wieder Kanye zusammen mit Jay-Z. Wie bei im Mainstream kulminierenden Genres häufig zu beobachten, bildete sich jedoch auch hier eine veritable Undergroundszene aus, die vor allem durch eine Form von Rock´n´Roll Lebensstil auffiel.
Jung, unbekannt und pleite rebellierten sie gegen den bestehenden Zustand der medialen Gangsterinszenierung und bildeten eigene, alternative Lebensmuster wie Hippietum – die californische Black Hippy Crew um Kendrick Lamar, Schoolboy Q, Jay Rock und Curren$y – eine Jackass-motivierte Skatermentalität – Odd Future, um den letztjährigen Hypejungen Tyler, the Creator- oder afrofuturistische Utopien – Shabazz Palaces – aus und produzierten dabei auch wieder spannende Musik, die sich bei so verschiedenen Stilen wie Jazz, Soul, Dubstep und Chillwave bediente und aus diesem Potpourri eine scharfe Suppe kochte.
Und dann stand da plötzlich ein niedlich aussehendes Mädchen mit Micky Maus Pullover und Astrid-Lindgren-Kinderbuch-Zöpfen in schwarz-weiß vor einer Backsteinwand und ballerte dem überraschten Hörer eine Elektrosalve um die Ohren, dass dieser kaum sitzen bleiben konnte und am liebsten so wie die Interpretin, Azealia Banks, und ihr Gast, Lazy Jay, durch das Zimmer tanzen würde. Über diesen Beat wechselte die Stimme leichtfüßig zwischen scharf gespittetem Ghettorap und gesungenen, abzählreimähnlichen Teilen. Der zuletzt disktutierte „Schmerzensmann“ verkroch sich da noch etwas weiter in die Ecke seiner schummrigen Bar, obwohl auch für ihn ein Song bereitsteht: eine gesungene Cover-Version von Interpols „Slow Hands“. Während eines Nicolas Jaar Konzerts im Berghain dreht sich ein Typ zu seinen Freunden und fragt: „Und, wie fandet ihr das Video, was ich euch geschickt hab?“ „Also eigentlich mag ich ja kein HipHop, aber das hat mich ziemlich geflasht“ Darauf der erste wieder: „Ja, war auch ganz geschmissen. Und ich sag euch, diese Azealia Banks wird dieses Jahr ganz groß!“ Auf jenen Song, „212“, folgte eine Kollaboration mit Machinedrum, der Ms Banks um ein Aaliyah- Sample herum einen deepen PopSong erster Güte bastelte und damit ihre Wandlungsfähigkeit unterstrich.
Es scheint, als würde das Genre der letzten Jahre, also elektronische Musikspielarten, sich seinen Nachfolger selbst aussuchen und gleich mit ihm verbünden.Der männliche Gegenpart, Harlem Rapper A$AP Rocky, kollabortiert auf seinem Mixtape „LiveLoveA$ASP“ ebenfalls mit Elektroproduzenten, unter anderem dem früheren Chillwave/ Glitch-Pop Nachwuchsstar Clams Casino. Auf „Wassup“ rappt A$AP mit Swagger-Zunge über ein Gebräu aus weichgespülten Synthies und verhallten, an Bands wie „How To Dress Well“ erinnerden Vocalsamples, erhebt diese hustensaftgetränke Langsamkeit in „Purple Swag“ sogar zum Hauptthema und liefert mit „Peso“ auch noch einen eingängigen Konsenshit mit.
Wo Ms. Banks also eher den Club im Blick hat, liefert Mr. A$AP den Soundtrack für die Afterhour. Oder um es auf den Punkt zu bringen: HipHop lebt wieder und dürfte in 2012 noch für einige Überraschungen gut sein.
Azealia Banks Songs legal online über Tonspion.
Mixtapes der anderen Interpreten über Asapmob.
Autor: Johannes Hertwig
Gefällt mir. Gefällt mir nicht mehr …