Die Rechthaberei ist der Tod jeder Freudschaft

Die Rechthaberei ist der Tod jeder Freudschaft
"Je höher die Rechthaberei in einem Menschen steigt, desto seltener hat er recht,
das heißt, desto seltener stimmen seine Aussagen und Behauptungen mit der Wahrheit überein."

Johann Heinrich Pestalozzi
Ihr Lieben,

heute möchte ich Euch die Geschichte eines unbekannten Autors erzählen:
"Die Statue"
"Einst waren sie Freunde: der Bäcker, der Bürgermeister und der Schmied.

Sie trafen sich einmal in der Woche am Stammtisch des Dorfwirts, spielten Poker und sprachen über Gott und die Welt.
Sie hatten zusammen viel erlebt, Krankheiten, Krieg und Hunger ebenso wie ihre Hochzeiten und den Tag, an dem mit großer Feier der neue Kirchturm eingeweiht worden war.
Sie waren sich sicher, ihre Freundschaft würde nur am Grab getrennt werden, wenn es nicht gar eine Ecke im Himmel gäbe, wo sie sich danach wieder treffen und die speckigen, abgewetzten Karten hervorholen konnten auf ein Spielchen.
Wenn nicht eines Tages ein Fremder in das abgelegene Dorf gekommen und diese seltsame Statue mitgebracht hätte, als Geschenk an die gastfreundlichen Bewohner.
Mitten auf den holprigen Dorfplatz hatte man das Ding aus Holz und Metall gestellt, damit alle Bewohner, also auch unsere drei Freunde, jeden Tag daran vorübergehen und das Kunstwerk besehen konnten.

Bald war es wieder Zeit, um sich beim Wirt zu treffen.
Also machte sich der Bürgermeister auf, trat zur Tür des Gemeindehäuschens heraus, ging über den Dorfplatz, an jener Figur vorüber, und betrachtete, was es wohl darstellen konnte.
Zur gleichen Zeit zog auch der Bäcker seinen Mantel über, zog hinter sich die Tür ins Schloss seines Ladens und schritt von der rechten Seite über den Dorfplatz, an der Statue vorüber und erreichte die Dorfgaststätte beim Nachdenken über jenes Mitbringsel an dem er gemächlichen Schrittes vorübergegangen war.
Nur wenige Minuten nach dem stämmigen Bäcker, erreichte am Ende auch der Schmied das Tor zur Wirtschaft , nachdem er von links über den Platz aus seiner Werkstatt getreten war, wie an jedem Donnerstagabend.
Sie saßen wie gewöhnlich, packten die Karten auf den runden Holztisch in der Ecke, stießen an mit einem kühlen Bier und plötzlich geschah es.
Der Bürgermeister, das weiß man heute noch genau, hatte das Gespräch zuerst auf diese Statue gebracht. „Ich sage euch, es ist ein weithin sichtbarer, eleganter Turm, der sich in den Sonnenaufgang erhebt.“
Der Bäcker lachte mit lauter, herzhafter Stimme und widersprach.
„Dir muss Dein Amt zu Kopfe gestiegen sein, mein Lieber. Es ist eine riesige Kornähre, die durch die Sonne reife Frucht trägt bis es zur Ernte ist.“
Der Schmied hustete, prustete in seinen Bierkrug und schlug mit der Faust auf die Tischplatte.
„ Alles Quatsch, Unfug! Ihr habt ja keine Ahnung! Seht doch genauer hin, oder hat Euch das Alter einen Streich mit den Augen gespielt? Es kann eindeutig nur ein stolzes, prächtiges Pferd sein, das in Anmut und Schönheit alles übersteigt.“
Und so kam es, wie es kommen musste. Ein Wort gab das nächste. Jeder von den drei Freunden bestand darauf, dass er das einzig Wahre in jener Statue sehen konnte.

Die Worte wurden deftiger, die Stimmen lauter, zum Kartenspielen kam man an diesem Abend nicht mehr.
Die Freundschaft wurde gekündigt, man sah keine Gemeinsamkeiten mehr...
Das ganze Dorf teilte sich schnell in drei „Lager“. Die des Bäckers waren nicht Freund derer des Schmiedes und die des Bürgermeisters waren weder Freund des einen noch des anderen...
Es hätte nie ein Ende gefunden, wenn nicht eines Tages ein kleiner Junge mit Tränen in den Augen, die Augen aller mit seinen einfachen Worten geöffnet hätte.

Er ging allein, während die Erwachsenen miteinander und übereinander stritten, um jene Gestalt in der Mitte des Dorfplatzes herum; ein Mal, noch ein Mal ...
Dann blieb er stehen und schrie in das aufgewühlte Dorf:
„Seid doch still! Ich sehe ein Pferd von links, einen Turm von vorn und eine Ähre von rechts - aber vor allem sehe ich, wie dumm und einfältig ihr alle seid, wenn ihr glaubt, solch eine Figur habe nur eine einzige, richtige Seite!“

Ihr Lieben,
ich bin immer wieder erschüttert, wenn ich im Alltag Menschen erlebe, die miteinander in Streit leben, und ich dann feststellen muss, dass der Anlass für den Streit eigentlich ein ganz nichtiger ist, so wie bei dem Beispiel in unserer Geschichte. Wegen eines Kunstdenkmals sind Freundschaften zerbrochen, hat sich die Dorfgemeinschaft gespalten.
Das hängt mit der Eigenschaft vieler Menschen zusammen, unbedingt Recht haben zu wollen. Wenn ich früher als 14-Jähriger der Meinung meiner Mutter nicht zustimmte, bekam ich so lange und so heftig Prügel, bis ich unter Tränen der Meinung meiner Mutter zustimmte.
Ich habe eine solche Haltung noch nie verstehen können.
Wenn ich immer nur an meiner eigenen Meinung festhalte, wie langweilig!
Meine eigene Meinung kenne ich ja nun schon 62 lange Jahre lang! Ich finde es viel spannender, auch andere Meinungen zu hören, mich neben meinen Mitmenschen zu setzen und zu sagen: "Ach, so siehst Du das, das ist interessant, so habe ich das noch nicht gesehen, darüber werde ich nachdenken!"
Das eröffnet mir neue Wege und neue Sichtweisen. Ich finde mich in dem kleinen Jungen aus unserer Geschichte wieder, der entdeckt, dass es oft nicht nur eine Sicht der Dinge gibt, sondern mehrere, von denen keine "die richtige" ist.
Ihr Lieben,
ich kann jedem von Euch nur empfehlen, macht Euch auf die spannende Reise, andere Meinungen kennenzulernen.
Verlasst das Haus Eurer eigenen Meinung und lernt viele interessante neue Meinungen kennen.
Und bevor Ihr beim nächsten Mal zu jemandem, der zu einem bestimmten Thema eine andere Meinung äußert als Ihr, sagt: "Ja, aber!", denkt darüber nach, ob man die Dinge nicht auch aus dem Blickwinkel Eures Gesprächspartners sehen kann.


Ich wünsche euch einen fröhlichen Start ins Wochenende und grüße Euch alle ganz herzlich

Euer fröhlicher Werner

 

Die Rechthaberei ist der Tod jeder Freudschaft

Das Foto wurde von Karin Heringshausen zur Verfügung gestellt



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