Die Rabtaldirndln mit einem a – Theater mit Langzeitwirkung

Von European-Cultural-News

Von wegen Volksmusik

Die Rabtaldirndln aus der Steiermark kamen Ende April mit einem straffen Programm nach Wien. 29. und 30. April abends: Generalversammlung des Unternehmens “Einkochen” im Brut, Donnerstag 15 Uhr: Wallfahrt im Wiener Prater. Der 1. Mai ist alles andere als ein typisches Wallfahrtsdatum – unter den Auspizien der steirischen Powerfrauen war dies aber durchaus sinnvoll.

Wer meint, die Rabtaldirndln würden doch mit einem Doppel-aa geschrieben werden, der denkt an jene Formation, die mit Songs wie „I wart auf a Busserl von dir“ oder „Die Blumen blühen für alle“ das Publikum unterhält. In Modetracht lässt es sich mit ihnen formidabel in den Kitschhimmel der ländlichen Parallelwelt entfliehen. Die Rabtaldirndln, die jedoch nur mit einem a in ihrem Namen auskommen, haben da ganz andere Intentionen. Richtig fies können sie sein, auch ohne aktiv gegen die Volksverdümmlichungsmusik aufzutreten, tauchen sie doch subversiv zwischen den Bildern der Volksmusikantinnen bei der Google-Suche auf. Oberkörperentblößt stehen sie zu fünft in Reih und Glied mit einem schwarzen Schaf in ihrer Mitte und blicken grimmig in die Kamera. „Schwarze Wolle“ hieß ihr Programm, für das sie sich so präsentierten und in dem sie ihren eigenen katholischen Wurzeln auf den Grund gingen.

Bereits seit 2003 bilden Barbara Carli, Rosi Degen, Bea Dermond, Gudrun Maier und Gerda Strobl jenes Theaterkollektiv, in dem alle alles machen aber doch jede ihren bestimmten Bereich betreut. Das Rabtal, nach denen sie sich nennen, ist ein imaginärer Ort, einer, der überall im ländlichen Raum sein könnte – vorzugsweise dann aber doch in der Oststeiermark. Jenem Gebiet, in dem sich die Kreativen auskennen, deren seelischschen Bodensatz sie verstehen, hinterfragen und aufs Korn nehmen, dass es manchmal quietscht.

Das Veredeln von Eingemachtem

Alles Theater! Oder doch nicht? Die Rabtaldirndl hinterfragen bei ihren unkonventionellen Auftritten beinahe im Minutentakt soziale, ökonomische oder religiöse Konventionen und rütteln zugleich dabei gehörig daran. Und sie unterhalten. In High Heels, schwarzem Rock, weißer Bluse und – nicht zu vergessen, dem allerwichtigsten Accessoire – einem Trachtentüchlein, neckisch um den Hals gebunden – präsentierten sie bei der “Einkochen”-Generalversammlung ihre Idee vom “Goldenen Satz”. In Anlehnung zum “Gemischten Satz” – bei dem mindestens drei Weinsorten miteinander verarbeitet werden müssen – werden beim Unternehmen “Einkochen” jedoch noch wesentlich mehr Grundprodukte zu einem einzigen veredelt. Die Ausgangsbasis stammt nicht aus Produktion der Rabtaldirndln selbst, sondern wird von ihnen gesammelt. Wie zum Beispiel am Samstag vor der Generalversammlung auf dem Karmelitermarkt, aber auch via Aufruf in der Brut-Ankündigung. Jede und jeder, der Lust hatte und einen gefüllten Vorratsschrank, beteiligte sich durch Abgabe von einem oder mehreren Gläsern Eingemachtem. Ziel war es, dieses durch den schon erwähnten “Goldenen Satz” zu veredeln und dann mit möglichst hohem Profit weiterzuverkaufen. Ganz nach dem Motto: Selber Einkochen bringt nichts, wir lassen einkochen, sind die Rabtaldirndln mit ihrer Geschäftsidee im Neoliberalismus angekommen. Da sich jedoch ohne zusätzliche Unterstützung ein solches Unternehmen schwerlich aufbauen lässt, agierten sie mit zwei männlichen Helfern. Bodo Hell bekleidet mit einer grünen Schürze, der als Knecht brav am Podium abseits sitzend schon als Untergebener zu erkennen war und eine Reihe wunderbarer artistischer Wortstpenden beisteuerte und Georg Klüver-Pfandtner, verantwortlich für die Dramaturgie – nicht nur dieses Abends. Er bediente unter aufmunternden Worten seiner Chefinnen die Power-Point-Präsentation und agierte zum Gaudium des Publikums auch als “Stangentänzer”. Emanzipation muss sein, auch wenn sie zum Schenkelklopfen animiert.

In den Auftritten der Powerschauspielerinnen werden stereotype Verhaltensmuster, die für gewöhnlich Männer in bestimmten Situationen Frauen gegenüber gern an den Tag legen, ganz einfach umgedreht. Das macht schlagartig die Absurdität der über Jahrtausende eingeübten sozialen Interaktionen zwischen den Geschlechtern deutlich und ermöglicht für viele einen gänzlich neuen Blickwinkel im Zusammenleben von Mann und Frau. Aber es ist nicht nur dieses Verhältnis, das von den Performerinnen unter die Lupe genommen wird. Auch die Esoterik mit ihren mittlerweile im Common-Sense angekommenen fragwürdigen Praktiken bekommt ihr Fett ab. Die “Veredelung” des Eingemachten erfolgt schließlich unter Abgabe weiblicher Energie. Dass das am besten pudelnackt geschieht, versteht sich schon fast von selbst. Anstelle von “Nackttöpfern in der Toskana” heißt es “Eintauchen in den Einkochgatsch” und das coram publico. Interessanterweise gibt es tatsächlich Unerschrockene, die nach der Vorstellung das ein oder andere angebotene Einmachgläschen tatsächlich noch käuflich erwerben und mit nach Hause nehmen. Legen die Rabtaldirndln in ihrem Einkochauftritt den Finger tief in die Wunde von hausfraulichen Tätigkeiten, die “gemacht werden müssen”, so hinterfragen sie in ihrer “Prozession mit Wunder” jene psychischen Mechanismen, die Frauen Männern gegenüber beinahe wie automatisiert an den Tag legen, wenn es darum geht, in der eigenen weiblichen Rolle verhaftet zu bleiben.

Die Rabtaldrindln mit “Ministrant” bei der “Wallfahrt mit Erscheinung” im Prater (Foto: Michael Preiner)

Die bärtige Uschi Kümmernis

Lange vor dem Conchita-Wurst-Hype haben sich die Rabtaldirndln ihre Prozession rund um Uschi Kümmernis ausgedacht, jener bebarteten Volksheiligen, deren Abbild sich in einer barocken Skulptur im Buchhaus von Geisttal – einem kleinen Ort in der Weststeiermark – befindet. Nachdem ihnen die emanzipierte Dahingeschiedene einst erschienen war, hatten sie ihr gelobt, einmal jährlich eine Wallfahrt ihr zu Ehren abzuhalten und dabei all jene Sünden abzumarschieren, deren sie sich in Zusammenhang mit männlichen Unterwerfungsriten im Laufe eines Jahres schuldig gemacht haben. Klar, dass dabei das Publikum als Prozessionszug fungiert und auf hinterlistige Art und Weise mit ins Geschehen verstrickt wird. Dabei gelingt es den Rabtaldirndln auf subtile und humorvolle Weise den emanzipatorischen Zeigefinger dorthin zu legen, wo es den Frauen tag-täglich wehtut. So werden Fürbitten gesprochen und um Verzeihung dafür gebeten, dass sie sich nicht sofort und vehement gegen sexistische Bemerkungen zur Wehr gesetzt haben oder dass sie bewusst ihre Weiblichkeit als Trumpf im Spiel der alltäglichen, kleinen Lebensvorteile einsetzten. Haare werden abgeschnitten – Achselhaare und Barthaare gelten hier als besonders wertvoll – um anschließend in einer rauchigen Aktion in einer Aluminiumdose als Brandopfer dargebracht zu werden und Bittgesänge werden monoton rezitiert, um sich der eigenen weiblichen Fehlbarkeit bewusst zu werden, die doch das Übel aller emanzipatorischen Bestrebungen darstellt. So spaßig und locker-flockig das daherkommt, so unglaublich wirksam sind die daraus resultierenden Folgen. Das kollektive Nachdenken über vermeintliche Lässlichkeiten schärft die Wahrnehmung von weiblichen und männlichen Verhaltensmustern und macht vor allem eines klar: Emanzipation muss täglich neu erkämpft und gelebt werden und: Sie betrifft jede und jeden von uns.

Klar ist, dass ihre Theaterarbeit je nach unterschiedlichem sozialen Kontext auch unterschiedlich aufgenommen wird. So erlebten die Theatermacherinnen zu Beginn ihrer Arbeit vor allem in kleinen Orten im ländlichen Raum dass das, was sie den Menschen vor die Nase setzten, ihnen nicht als etwas Nachdenkenswertes oder gar Lustiges erschien. Der Schießstand hinter dem Haus oder die groben Erziehungsmethoden von Kindern, bei denen sie geschlachtete Hasen zum Spuren für die Jagdhunde über das Feld ziehen müssen, all das wird im städtischen Bereich – einmal auf die Bühne gebracht – als absurd erkannt. Vor Ort, im kleinen Dorf aber, spiegelte es zu sehr den Alltag wider und so wurde das Dargebotene nur als reine Provokation empfunden. Auch war es die neuartige Theaterform, die den Menschen keinen Zugang bot. Und dennoch ist es den Fünfen ein Anliegen, immer wieder auch im ländlichen Raum aufzutreten. „Wir hatten auch Supervorstellungen, bei denen die Leute richtig berührt waren“, präzisiert Bea Dermond in einem Gespräch über die Arbeit ihrer Gruppe. „Anfangs waren es vielleicht zu viele neue Punkte, die die Menschen überforderten.“ Längst sind ihre Auftritte den theatralischen Kinderschuhen aber entwachsen. Heute ist es egal ob Stadt oder Land – die Botschaften kommen an.

Auf zu neuen Ufern

Befragt nach ihrem Selbstverständnis bezeichnen sich die Rabtaldirndln als Theater- und Performancekombinat, denn sie machen Theater und gehen damit auch in performative Bereiche. Siehe das Beispiel der „Wallfahrt mit Erscheinung“. Jeder und jede, die daran teilgenommen hatten, war sich des spielerischen Charakters bewusst, konnte sich jedoch der subtilen Realitätseinbindung dennoch nicht entziehen. Auf die Frage, ob sie denn glauben, dass sie mit ihrer Arbeit etwas bewirken könnten antwortete Dermond, stellvertretend für ihre Kolleginnen, wie aus der Pistole geschossen: „Ja, unbedingt. Wir können neue Perspektiven öffnen und wir lösen bei vielen im Publikum das Gefühl aus „das kenne ich“ und damit dann auch die Möglichkeit, über das Erlebte nachzudenken.“ Und tatsächlich sind es Situationen, die jeder und jede von uns kennt, die von den Rabtaldirndln seziert werden. Der Wiedererkennungseffekt aus dem selbst Erlebten ist hoch. Dass die Fangemeinde eine immer größere wird, schreiben die Theatermacherinnen ihrer spannenden Arbeit zu, die nicht nur ihnen selbst und ihren Müttern gefällt, sondern mittlerweile auch international agierenden Dramaturginnen und Dramaturgen. Und so wächst neben den getreuen Kooperationspartnern wie eben dem Brut kontinuierlich die Zahl der Einladungen an neue Häuser. Und so sollte auch ihr kurzfristiges Ziel demnächst auch Realität werden – nämlich eine stärkere Verankerung im Kulturleben der steirischen Landeshauptstadt. Die jahrelange Verbindung und Unterstützung, die ihnen das TIB (Theater im Bahnhof) unter der Leitung von Ed Hauswirth bisher zuteilwerden ließ, bietet dafür eine solide Basis. Zuvor aber geht es noch kurz eben so nach Paris. Am 14. und 15. Juni 2014 nehmen die Rabtaldirndln dort im Théatre de la Ville an einem Wettbewerb teil, für den sie aus über 319 internationalen TeilnehmerInnen ausgewählt wurden.
Danse Élargie nennt sich diese ambitionierte Competiton, die nur 20 ausgewählten Künstlergruppen im Zeitraum von jeweils zehn Minuten die Gelegenheit gibt, eine Performance zu zeigen. „À travers le rabtal sauvage“ – mit diesem Titel wird klar, womit sie punkten möchten: Mit Erlebnissen aus jenem wilden Tal, dessen Volksseele sie verinnerlicht haben und nicht müde werden, sie schonungslos auf die Bretter, die die Welt bedeuten, ins gleißende Rampenlicht zu ziehen. „Bon courage“ kann man da nur wünschen!

Links:

Brut Wien
Die Rabtaldirndln Online