Wenn man Dharma-Unterweisungen hört sind die „drei Fehler eines Topfes“ sowie die „sechs Makel“ zu vermeiden. Hört man den Dharma wie ein „umgestülpter Topf“, dann kann man nichts aufnehmen. Lauscht man wie ein „Topf mit einem Loch“, dann wird man alles Gehörte nicht behalten, sondern vergessen. Wenn man wie ein „verunreinigter Topf“ zuhört, dann wird, egal was man hört und behält, mit den falschen Sichtweisen verschmutzen und vergiften. In der „gut erklärten Beweisführung“ wird gesagt: „Es ist ein Makel, mit Stolz oder mit einem Mangel an Hingabe oder ohne Interesse zuzuhören, während man abgelenkt ist, verschlossen oder entmutigt ist.“ Die sechs Fehler beim Zuhören sind: 1) zuhören während man über geringe Tugenden stolz ist (z.B. auf die eigene Herkunft); 2) oder ohne Respekt und Hingabe für Meister und Lehren zu sein; oder 3) sich wirklich dem Dharma-Pfad zu verpflichten; oder 4) mit einem von äußeren Gegebenheiten abgelenkten Geist zu sein; oder 5) die sechs Sinne so zurückgezogen zu haben, dass man die Worte oder die Bedeutung des Erklärten nicht verstehen kann; oder 6) mit einem bedrückten und besorgen Geist zuzuhören.
Die rechte Einstellung beim Zuhören ist, dass der Lehrer den Dharma als einen unbezahlbaren Schatz verkündet; die Lehren sollte man als ein wunscherfüllendes Juwel betrachten. Man sollte verstehen, dass die Gelegenheit, den Dharma zu hören, äußerst selten ist. Ferner sollte man die Lehren bewahren und über ihre Kostbarkeit und Nützlichkeit nachdenken. Man sollte verstehen, dass man unterscheidendes Verstehen des Dharmas in hundert Leben nicht finden wird. Jene, die die Suche nach den Lehren aufgeben, sind wie jemand, die Nektar wegwerfen und sich an Gift erfreuen und jene, die zuhören und darüber nachdenken, ihre Ziele erreichen werden.
Es sind also eine rechte Geisteshaltung und eine reine Disziplin einzuhalten. Wie schon im „Strang der Leben“ gesagt wird, sollte man „sich auf einen niederen Sitz setzen, die Tugend der Selbstkontrolle pflegen, einen freudigen Blick haben und die Worte wie Nektar trinken. Mit einem reinen und unbefleckten Geist sollte man wie ein Kranker dem Arzt zuhören, Opfergaben darbringen und dem Dharma lauschen.“ Man sollte also sich selbst als Kranken sehen, der an den Geistesgiften und störenden Emotionen leidet und den Wunsch hegen, davon zu gesunden. Den Lehrer sollte man als Arzt sehen, der über die nötige Kenntnis und Erfahrung verfügt, die Krankheit zu diagnostizieren und die geeigneten Heilmittel zu verschreiben. Den Dharma sollte man als Medizin betrachten und seine Anwendung als die Einnahme des Heilmittels verstehen.
Doch Schüler mit einer falschen Sicht sehen sich als Jäger, den Lehrer als Moschushirschen, den es zu erlegen gilt, den Dharma als die Drüsen des Hirschen, die auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten verkauft werden können. Die Geistesgifte und störenden Emotionen sehen sie als ihre Waffen, mit denen der Hirsch in die Enge getrieben, gefangen und getötet wird. Schüler dieser Art sind von einem Lehrer nicht in den profunden Aspekten der Lehre zu unterweisen, da sie eine Gefahr darstellen.
Geeignete Gefäße
In den „400 Versen“ wird gesagt, dass ein Schüler „unvoreingenommen, intelligent und voller Interesse“ ist, dann ist solch eine Person ein geeignetes Gefäß für das Aufnehmen der Lehre. Ein Schüler entwickelt gegenüber der eigenen Gruppe keine Anhaftung und gegenüber anderen Gruppen bzw. Überlieferungstraditionen keine Ablehnung. Solche Schüler sind auch klug, da sie zwischen den Worten, die wahr sind – Dinge die anzunehmen und auszuführen sind – und jenen, die falsch sind – jene Dinge, die aufzugeben und abzulegen sind – unterscheiden können. Sie haben aufrichtiges Interesse am höchsten Dharma, haben großen Respekt und achten jene, die den Dharma lehren. Dies sind die Grundeigenschaften, die man für das Studium des Dharmas mitbringen muss.
Weitere Eigenschaften, über die Schüler verfügen sollen, sind die drei Arten des Vertrauens bzw. Glaubens. Aufgrund des lebendigen Vertrauens empfinden sie große Freude und aufrichtiges Interesse hinsichtlich des Lehrers und der Lehren. Durch strebendes Vertrauen sehnen sie sich nach dem Resultat der Praxis und durch großes Zutrauen entstehen keine Zweifel und so sind sie in der Lage, auch unter widrigen Umständen und Bedingungen zu praktizieren. Dadurch sind sie in der Lage, die Segnungen wirklich zu erlangen. Auch haben sie sich selbst fest versprochen, die unübertreffliche Erleuchtung zu erlangen und in ihrer Praxis beständig zu sein, niemals darin nachzulassen. Sie sind intelligent und verfügen über die geistige Klarheit, die tiefgründige Bedeutung zu untersuchen, wie die Dinge wirklich bestehen. So gelangen sie sehr leicht zu Erfahrung und Erkenntnis.
An weltliche Dinge haben sie nur wenig Anhaftung und hängen kaum an weltlichen Freuden oder Besitztümern wie Nahrung und Kleidung. Da sie dem Lehrer und der Meditationsgottheit gegenüber großen Respekt haben, sind sie wie eine offene Tür, durch die der Segen eintreten kann. Hinsichtlich des Geheimen Mantra-Pfades haben sie keine Zweifel und kein Zögern und daher können sie die tiefgründigen Praktiken auch ausführen. Da ihr Geist von den gewöhnlichen Gedanken, die um Anhaftung, Ablehnung und Verwirrung ausgebeutet wird, sind sie nicht abgelenkt. Sie halten ihre Versprechen und Gelübde und übertreten die Wurzel- und Zweiggelübde, die sie abgelegt haben, nicht. Sie sind es nicht müde, den tiefgründigen Pfad zu praktizieren und handeln den Anweisungen des Lehrers nicht zuwider.
Longchen Rabjam hat als geeignete Schüler jene beschrieben, die über „Vertrauen und Weisheit verfügen, eifrig, sorgfältig, achtsam und wachsam sind, sich nicht gegen die Lehren stellen und ihre Gelübde und Versprechen halten, die Körper, Rede und Geist beherrschen, mitfühlend und selbstlos sind, einen offenen Geist haben, fröhlich und großzügig sind, über eine reine Wahrnehmung verfügen, in sich gefestigt sind und große Hingabe haben.“ Schüler, die solche Eigenschaften aufweisen, sollte man akzeptieren, um sie zu lehren.
Ungeeignete Gefäße
Andererseits gibt es auch Schüler mit schlechten Eigenschaften, die Gefäße mit zahllosen Fehlern vergleichbar sind. Das sind dann jene, die nur geringen Glauben und kein Schamgefühl sich selbst gegenüber, keinen Anstand anderen gegenüber oder gar kein Mitgefühl haben. Solche Schüler sind von einer so schlechten Natur, dass sie als „von schlechter Herkunft“ beschrieben werden. Ihre geistigen und emotionalen Störungen sind sehr grob, sie brechen die Vorsätze und bringen positive und negative Handlungen durcheinander. Da sich ihre Gelübde oder Versprechen immer wieder brechen, haben sie keine Herrschaft über ihre störenden Gefühle und sind dem Gegenmittel gegenüber ignorant. Auch sind sie nicht sehr intelligent und sehr schwer zufriedenzustellen. Sie sind ärgerlich und schreien wegen Kleinigkeiten herum. Besonders fleißig sind sie in Handlungen, die nichts mit dem Dharma zu tun haben. Wenn sie einen Lehrer um Unterweisungen bitten, dann ist ihr Geist in keiner Weise friedlich, sie quälen und verachten andere, als ob sie Jäger wären. Dem Lehrer gegenüber denken sie: „Abgesehen von der Tatsache, dass ich diese besondere Übertragung von ihm erhalte, hat der Lehrer diesen und jenen Fehler – eigentlich ist er nicht besser als ein Tier.“ Und dann versuchen sie besser als andere zu sein, weil sie nun diese besondere Belehrung erhalten haben, die sie wie Moschus behandeln. Bevor sie selbst diese Lehre fertig erhalten haben, übertragen und verkaufen sie sie an andere. Solche Schüler sind in diesem Leben ziemlich unglücklich und im nächsten werden sie in den niederen Bereichen umherwandern.
Zuerst einmal akzeptieren sich Lehrer und Schüler ohne große Prüfung. Obwohl solche Schüler dann aufgrund der Neuheit der Situation, großen Respekt zeigen und dem Lehrer Gaben darbringen, sind sie über alle möglichen Umstände und Bedingungen verärgert, beleidigen andere und sind unhöflich. Sogar wenn sie alleine sind, finden sie Fehler in den kleinsten Angelegenheiten und entmutigen auch noch die engen Schüler des Lehrers. Einige Schüler mögen ihre Lehrer in ihrer Gegenwart preisen und zeigen eine falsche Hingabe, aber in ihrem Geist sind weder Respekt noch Vertrauen. Deswegen kritisieren sie ihre Lehrer unentwegt.
Prüfen & Prüfungen
Aus diesem Grund müssen Lehrer und Schüler sich zuerst (und auch weiterhin) eingehend prüfen. Zwar wird im „Diamantenen Halsband“ angemerkt, dass man sich zwölf Jahre lang prüfen soll, aber heutzutage reicht diese Zeit dafür kaum aus, da die Gelegenheiten rar sind. Wenn man dann ohne große Prüfung miteinander eine Verbindung durch Einweihung und/oder Belehrung eingeht, sollte der Schüler den Lehrer, auch wenn dieser seine Gelübde durch die „Vier Wurzelniederlagen“ – Töten, Stehlen, sexuelles Fehlverhalten und Lügen – gebrochen hat, nicht den Glauben an ihn verlieren und ihn weiterhin als Objekt der Hingabe und des Respekts betrachten.
Jene, die wirklich zu prüfen wissen, sind tatsächlich selten. Lehrer und Schüler treffen sich aber aus ganz bestimmten Gründen, nicht durch Zufall oder Willkür. Heutzutage verfügen die Menschen über einen ziemlichen Haufen an negativen Taten und Ungemach. Und daher nehmen sie oft Fehler als gute Eigenschaften und gute Qualitäten als Fehler wahr. Was das Übertragen der tiefgründigen Lehren über die tatsächliche Natur der Dinge betrifft, werden Lehrer, die über keine Erkenntnis verfügen, die letztendliche Erfahrung und Realisation im Geistesstrom ihrer Schüler nicht entwickeln können. Daher sollte man als Schüler dies beachten und nach einem Lehrer Ausschau halten, der über die rechten Eigenschaften verfügt, die gleich dem Buddha sind. Man sollte zumindest im Lehrer sechs gute Eigenschaftsgruppen finden und ihm dann wie in der „Annäherung an die absolute Wahrheit“ beschrieben, folgen: „Im Zeitalter des Konflikts haben Lehrer eine Mischung aus Fehlern und Tugenden. Es gibt niemanden, der überhaupt keine negativen Aspekte hat. Nachdem man jene sorgfältig geprüft hat, die über mehr Eigenschaften verfügen, sollen die Schüler ihr Vertrauen in sie legen.“
In einem weiteren Beitrag werde ich dann die Art und Weise, wie man einem Lehrer folgt, beschreiben.