Die Qual der Wahl – in Griechendland und anders wo

War das eine Wählerei am vergangenen Sonntag! Als ob sich damit irgendetwas ändern würde. Gut, in Griechenland haben die Leute tatsächlich schon ein bisschen anders gewählt also zuvor, aber die sind ja bisher auch am härtesten von der Krise getroffen worden. Die dortigen Volksparteien ND (18,9 Prozent) und Pasok (13,2 Prozent) wurden förmlich dezimiert, dafür legte die Koalition der Linken (SYRIZA) kräftig zu (16,8 Prozent). Diese ist der deutschen Linkspartei recht ähnlich. Die Kommunistische Partei KKE kam auf 8,5 Prozent, die Rechtspopulisten der ANEL kamen auf 10,6 Prozent und die rassistische Chrysi Avgi bekam 7 Prozent der Wählerstimmen. Damit sind sowohl radikale linke als auch radikale rechte Parteien stärker geworden – viele befürchten, dass Griechenland durch das Ergebnis dieser “Wutwahl” “unregierbar” sein werde. Entsprechend sind die Börsenkurse erstmal so richtig abgerauscht – Demokratie ist super – aber nur, solange die Leute die richtigen Hanseln wählen.

Jetzt geht allen die Muffe, dass Griechenland beim Euro und das heißt ja vor allem bei immer noch brutaleren Sparmaßnahmen und somit bei immer neuen Verarmungsrunden nicht mehr mit machen will. Ich kann den den Griechen nicht verdenken, dass sie das nicht (mehr) wollen. Gemessen daran zeigt das Wahlergebnis in Schleswig-Holstein, dass es den Deutschen auch im hohen Norden noch ziemlich gut geht – wer steigt denn sonst ein totes Pferd, selbst wenn Kubicki auf der Satteldecke steht?! Leute, das war doch wirklich nicht nötig! Andererseits: Die Linkspartei hat sich nicht unbedingt als antibürgerliche Alternative zu den Sozen verkauft, sondern eher als Ergänzung sozialdemokratischer Politik – darauf können die Leute dankend verzichten. Und wählen dann lieber Piraten. Die sind nämlich wirklich keine Alternative zu bereits vorhandener Politik, sondern tatsächlich deren Ergänzung – ums Virtuelle.

Tja, und Frankreich? Der bürgerliche Sarkozy ist trotz sexy Carla Bruni zugunsten des nicht weniger bürgerlichen Hollande abgewählt worden. Hier geht es auch nicht um einen Machtwechsel, sondern um Nuancen – man erinnere sich an 1998 in Deutschland. “Jetzt wird alles anders”! hatte der Spiegel getitelt, mit rot-grünem Titelblatt. Ja, es wurde anders. Aber anders als erwartet: SPD-Kanzler Gerhard Schröder drückte die Agenda 2010 durch.

Vor einiger Zeit lief auf arte der Zweiteiler “Lehrjahre der Macht“. Wer in Frankreich etwas werden will, muss eine der dortigen Kaderschmieden durchlaufen, eine der Grandes Ecoles. Die Aufnahmeverfahren für diese Elite-Unis sind hart, das Studium ebenso. Die berühmteste ist die Ecole Nationale d’Administration, kurz ENA. Zwei bis drei Jahre dauert allein der Vorbereitungskurs für die Aufnahmeprüfung. Aber wer durchkommt und Enarch wird, kann sich unter den Top-Postionen im Lande eine aussuchen. Jacques Chirac, Ségolène Royal und Dominique de Villepin, sie haben alle an der ENA studiert – und auch Francois Hollande. Nicolas Sarkozy übrigens nicht.

Aber worauf ich hinaus wollte – einer der fünf Elitestudenten, in den es um den Film geht (zwei der anderen haben sind literarische Übersetzungen für Ségolène Royal und Francois Hollande) ist mit Ana verheiratet – eine Doktorandin der linken Reformuni Vincennes. Sie kritisiert ihren Freund, weil er ihrer Ansicht nach seine linken Ideale verrät und sie mit dem gemeinsamen Kind auch immer wieder im Stich lässt. In der Nacht, als Francois Mitterrand als erster sozialistischer Präsident der 5. französischen Republik gefeiert wird, hängt sie sich auf – während ihr Ex mit seinen Freunden von der ENA feiert. Diese Szene kam mir in den Sinn, als ich hörte, dass Hollande es geschafft hat.



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