Die Psychologie des Spendens. Die Macht des Altruismus (Teil 2)

Die Psychologie des Spendens. Die Macht des Altruismus (Teil 2)

Ist es nicht ein wunderbares Gefühl, anderen Menschen zur Seite zu stehen und sie zu unterstützen, sei es nur ein Gebet, das wir für sie an Gott richten? Blicken wir auf unsere persönlichen Erfahrungen zurück, werden die meisten von uns dieses Gefühl bestätigen können. Aber wieso ist das so? Man müsste meinen, der Mensch ist nur glücklich, wenn er zu seinem persönlichen Gewinn beitragen kann. Von der Schule, über die Ausbildung oder Studium bis hin zu unserem späteren Beruf, sind wir eigentlich damit beschäftigt, erwerbstätig zu werden, einen gewissen Lebensstandard zu erreichen, auszubauen und zu halten und unsere persönlichen Wünsche zu erfüllen und unseren Interessen nachzugehen.

Zumindest bekommen wir in der heutigen Zeit vermittelt, wie wichtig es ist diese Wünschen und Interessen zu verfolgen. Der Individualismus ist in den Köpfen der jungen Menschen stark ausgeprägt und selbst wenn man sich die heutigen Partnerschaften der jungen Generation anschaut, unabhängig von Religion und Lebensweise, scheint es für viele schwierig, vom persönlichen Fokus in den partnerschaftlichen Alltag, in dem die ein oder anderen persönlichen Wünsche zugunsten von Kompromissen hinten angestellt werden müssen, überzugehen. Natürlich gibt es in der Realität sehr viele Beispiele, in denen die Umstellung von der spontanen Egozentrik (siehe Artikel letzte Woche) auf eine  partnerschaftliche, gemeinschaftliche und gesellschaftliche Denk- und Handlungsweise, sehr gut funktioniert. Die meisten von uns werden auf die eigenen Eltern und das Familienleben zurückblicken und feststellen, dass es doch gut geklappt hat. Wir müssen uns aber vor Augen führen, dass es vor allem in der heutigen Zeit, in der die Entfaltung vor allem der persönlichen Bedürfnisse im Vordergrund steht, eine große Leistung ist, wenn wir uns nicht selbst, sondern die Partnerschaft, die Familie oder die Gemeinschaft in der wir leben in den Mittelpunkt unseres Lebens stellen.

Aber was haben wir davon? Warum ist es wichtig, neben unseren direkten Verwandten, anderen Menschen unter die Arme zu greifen? Gott gibt uns im Koran eine Antwort darauf: „Und sie geben das, was sie selber begehren einem Bedürftigen, einer Waisen und einem Gefangenen zur Speise, (und sie sagen): “Fürwahr, wir speisen euch um Allahs willen, wir wollen keine Belohnung von euch und keinen Dank.“ [Sura 76:8,9] An dieser Stelle ist eigentlich alles klar und wir müssen nach keinem weiteren Grund suchen, denn was ist erstrebenswerter als um Gottes Willen zu helfen und für Seinen Lohn unseren Mitmenschen unter die Arme zu greifen? Viel wird uns nicht einfallen. Aber ich möchte noch auf ein viel umforschtes Konzept  in der Psychologie eingehen und zwar auf den sogenannten Altruismus.

Gut erforscht kann man die Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit, durch Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handlungsweisenicht nennen, da sie sehr umstritten ist. Als Gegenspieler des Egoismus, bedeutet der Altruismus im Hinblick auf eine Kosten-Nutzen-Analyse, dass ein Mensch einem anderen Menschen in einer Weise hilft, die von ihm fordert, mehr zu investieren (hohe Kosten) als er letztendlich zurück bekommt (geringer persönlicher Nutzen). Würde man evolutionstheoretisch an dieses Konzept herangehen, hätte sich solch ein Verhalten nicht durchsetzen dürfen, da die Menschen, die sich altruistisch verhalten, hätten aussterben müssen und damit auch der Altruismus. Das kann es also nicht sein, denn Tatsache ist, dass selbstlos bzw. uneigennützig zu Gunsten anderer Menschen zu handeln, eine Eigenschaft ist, die in jedem Menschen vorhanden ist, beim einen mehr, beim anderen weniger.

In der Sozialpsychologie setzte sich neben dem Begriff Altruismus das Synonym prosoziales Verhalten durch, welches in vielen Experimenten untersucht wurde. Eine altruistische Persönlichkeit konnte in mehreren Studien ausgeschlossen werden. Einen größeren Einfluss darauf, ob jemand selbstlos anderen hilft, hat die jeweilige Situation, der die beteiligten Personen ausgesetzt sind. In einem bekannten sozialpsychologisches Experiment von Darley und Batson (1973) kam heraus, dass Zeitdruck einen größeren Einfluss auf die Hilfsbereitschaft von Studierenden hatte, als der inhaltliche Kontext. Die Theologiestudenten hatten die Aufgabe in einem Seminar ein Referat zu halten, entweder zum Thema „Der barmherzige Samariter“ oder einem anderen Thema, das nichts mit Hilfsbereitschaft zu tun hatte. Danach sagte man ihnen, sie sollen in das Nachbargebäude laufen, um einen wichtigen Termin wahrzunehmen. Auf dem Weg dorthin, kamen alle Versuchspersonen an einer Person vorbei, die auf dem Boden lag und offensichtlich Hilfe benötigte. Die Studierenden, denen man sagte, sie haben nur sehr wenig Zeit um in das Nachbargebäude zu kommen, halfen in nur 4% der Fälle. Von den Studierenden, die ausreichend Zeit hatten, halfen der Person 63%. Dabei war es unerheblich, ob ein Proband zuvor einen Vortrag über den barmherzigen Samariter gehalten hatte oder nicht. Die Studierenden, die das Referat über Hilfsbereitschaft hielten, aber unter Zeitdruck waren, halfen in den überwiegenden Fällen nicht.

Neben den Einflüssen der  Situation, gibt es eine Reihe weiterer Einflüsse, die das Auftreten von prosozialem Verhalten bzw. Altruismus bestimmen. Dazu gehören auch die Stimmungslage (Isen und Levon, 1972), Bevölkerungsdichte (50% der Passanten in Kleinstädten helfen einem Verletzten und nur 15% der Passanten in Großstädten eilen zur Hilfe, Amato, 1983), Geschlecht (Frauen sind hilfsbereiter im Alltag, Männer eher in einmaligen „Heldentaten“) und die Befolgung von sozialen Normen.

Ein weiterer wichtiger Erklärungsansatz für die selbstlose Hilfsbereitschaft von Menschen, ist auch die Eigenschaft der Empathie, die in jedem Menschen steckt. In dem wir uns in andere Menschen hineinversetzen, sowohl kognitiv (gedanklich) als auch affektiv (auf Gefühlsebene) und damit eine Rollenübernahme vornehmen, die uns dazu befähigt, uns die inneren mentalen Zustände einer anderen Person vorzustellen (Dymond, 1949; Blair, 2005), erkennen wir, ob und wann es angebracht ist, zu helfen und das ggfs. selbstlos, ganz ohne Berücksichtigung des eigenen Nutzens.

Aber ist solch ein Verhalten wirklich uneigennützig? Hat der sich Aufopfernde wirklich nur sehr wenig oder nichts von seinem Hilfeverhalten? Ob das so ist, möchte ich im nächsten Artikel, so Gott will, beantworten. Aber vielleicht beschäftigen wir uns alle in der nächsten Woche mal mit der Frage, wieso wir helfen und ob wir, trotz großer Aufopferung, nicht auch einen großen Lohn davon getragen haben. Aus persönlicher Erfahrung kann ich nur sagen: es ist ein wunderbares Gefühl, anderen Menschen zur Seite zu stehen und sie zu unterstützen, sei es nur ein Gebet, das ich für sie an Gott richte.

„Sie geben ihnen den Vorzug vor sich selbst, auch wenn sie selbst unter Entbehrungen leiden…“ [Sura 59:9]

In diesem Sinne, wünsche ich uns allen weiterhin einen segensreichen Ramadan und viele Möglichkeiten und Anlässe unseren Geschwistern und Mitmenschen hier und in der weiten Welt zu helfen.

Wassalamu Alaikum Warahmatullah, Aaroun

Die Psychologie des Spendens. Die Macht des Altruismus (Teil 2)


wallpaper-1019588
Die Algarve feiert 50 Jahre Nelkenrevolution
wallpaper-1019588
Mobile Suit Gundam SEED FREEDOM: Bandai Namco zeigt den Film in den deutschen Kinos
wallpaper-1019588
[Manga] Demon Slayer [2]
wallpaper-1019588
Soundtrack einer Generation: Musik und visuelle Medien harmonisieren