DIE PROVENCE IM FRÜHLING

Lena wartet auf Achim. Er hatte ihr versprochen, die letzte Woche gemeinsam mit ihr in seinem Haus in der Provence zu verbringen. Aber statt dessen kam seine Frau …

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Lena Böhmer stellte das Bild auf die Staffelei, trat ein paar Schritte zurück und betrachtete es kritisch. Sie hatte die gewaltige Ruine der Festung von Les-Baux-de- Provence gemalt, die hoch auf dem schroffen, grauen Felsen in der Morgensonne lag. Es war ein romantisches Bild. Es brauchte nichts an ihm geändert zu werden. Es war fertig so. Lena lächelte.

Sie ging die Treppe des schmalbrüstigen alten Hauses hinauf in ihr Schlafzimmer, zog den Malkittel aus, den sie immer noch trug, und kämmte sich vor dem grossen Spiegel, der an der Wand lehnte. Ihr hübsches Gesicht war von der frischen Luft rosig überhaucht. Lena streckte ihren schlanken Körper und seufzte glücklich. Heute war ein besonders schöner Tag. Achim würde kommen! Er hatte ihr versprochen, gegen fünf oder sechs Uhr nachmittags da zu sein, um die letzte Woche hier mit ihr zu verbringen.

Lena sah auf die Uhr, stellte erschrocken fest, dass es schon halb zwölf war. Höchste Zeit, zum Einkaufen zu gehen.

Das Haus, das sie bewohnte, lag am Ortsrand von Maussane, einem malerischen kleinen Ort ganz in der Nähe von Les-Baux-de-Provence. Bis zum kleinen Supermarkt war es nicht weit. Lena kaufte rasch einige Lebensmittel ein für das Willkommensmenü heute Abend.

Eine Ecke weiter befand sich die Boulangerie Boileau. Monsieur Boileau buk das beste Brot weit und breit. Madame Boileau, eine mollige, mütterliche Mittfünfzigerin, erwiderte freundlich Lenas Gruss: “Bonjour, Mademoiselle Böhmär. Ich habe Ihr Baguette zurückgelegt. Schön kross, wie Sie es gern haben. Soll es sonst noch etwas sein?”

Lena kämpfte einen Augenblick mit sich selbst und entschloss sich dann: “Ach, noch ein Stück von Ihrem wunderbaren Kuchen, bitte.”

Während Madame Boileau den Kuchen einpackte, kam sie auf ihr Lieblingsthema zurück: “Und? Sind Sie denn immer noch nicht Ihrem Landsmann begegnet? Er war gerade da und hat sich seine drei Croissants zum Frühstück geholt. Er schreibt doch ein Buch, und er arbeitet nachts. Da schläft er natürlich morgens lange.” Sie lachte.

“Zum Glück braucht er nicht einmal einen halben Kilometer zu laufen. Er wohnt in dem ockerfarbenen Haus mit den blauen Fensterläden, gar nicht weit von Ihrem Haus entfernt. Es geht schon beinahe nicht mit rechten Dingen zu, dass Sie sich noch nie getroffen haben !”

“Ja, aber so ist das nun mal”, tröstete Lena sie. “Er arbeitet nachts, ich male morgens, wenn er schläft. Die Möglichkeit, dass wir uns über den Weg laufen, ist daher äusserst gering.”

“Das ist sehr schade. Martin Brinkmann” – Madame Boileau sprach das wie Martäng Brinkmahn aus – “ist so ein netter junger Mann. Und so intelligent. Und er ist Junggeselle!” Sie legte eine besondere Betonung auf das Wort “Célibataire” und sah Lena fast bekümmert an.

Lena wurde etwas rot und verabschiedete sich rasch.

“Au revoir et à demain, Mademoiselle Böhmär”, erwiderte freundlich die Bäckerin.

Draussen brach Lena die krosse Spitze des Baguettes ab und fing gedankenverloren ein, sie sich einzuverleiben. Wenn Madame Boileau nur aufhören würde, ihr von diesem Martin Brinkmann vorzuschwärmen! Was sollte sie mit diesem jungen Mann? Es fiel ihr dann auch nicht schwer, ihn zu vergessen. Achim würde heute Abend da sein. Der Mann, den sie liebte!

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Im letzten Sommer hatten sie sich hier kennengelernt. Sie, Lena, hatte verzweifelt und vergeblich nach einem Hotelzimmer gesucht. In einem Café hatte sie schliesslich die Bekanntschaft des hochgewachsenen, blendend aussehenden Deutschen gemacht. Er hatte sich mit Achim Garde vorgestellt und ihr angeboten, in dem Haus zu wohnen, dass er hier besass. Als sie zögerte, hatte er ihr lächelnd versichert, dass sie nichts zu befürchten hätte, dass er ihr das Gästezimmer mit eigenem kleinen Bad zur Verfügung stellen würde.

Es hatte damit geendet, dass sie sich unsterblich in den 15 Jahre älteren Industriellen verliebte. Ja, Achim war Vierzig, aber er war so charmant, so welterfahren – und er konnte eine Frau wunschlos glücklich machen.

Erst einen Tag vor seiner Abreise hatte er ihr mit ernstem Gesicht gesagt, dass er verheiratet sei. Das war ein Schock für Lena gewesen, aber er hatte ihr gleich versichert, dass Bettina und er seit Jahren wie Bruder und Schwester miteinander lebten, dass sie sich nichts mehr zu sagen hätten. Sie machten sogar getrennt Ferien. Und nun sei er in ihr, Lena, seiner grossen Liebe begegnet. Sie dürfe ihn nicht verlassen. Er brauche sie.

In Deutschland lebten sie in derselben Stadt, in Köln. Lena hatte das wie einen Wink des Schicksals empfunden. Sie hatten sich wiedergesehen. Allerdings wählte Achim, wenn er sie ausführte, verschwiegene Gasthäuser ausserhalb der Stadt. Aus Rücksicht auf Bettina, mit der er ja noch verheiratet war. Und lieber noch kam er zu ihr. Sie bereitete dann jedes Mal ein Feinschmeckermenü zu und deckte liebevoll den Tisch.

Im Januar wollte er endlich mit Bettina sprechen. Seine Frau müsse einsehen, dass ihre Ehe ein Irrtum war. Lena war glücklich. Bald würden Achim und sie sich offen zu ihrer Liebe bekennen können. Es war nur noch eine Frage der Zeit …

Im Februar erkrankte Lena an einer bösen Grippe. Ein hartnäckiger, quälender Husten blieb, und der Arzt hatte ihr zum Auskurieren dringend eine Luftveränderung empfohlen.

“Warum fährst du nicht in die Provence? Du kannst in meinem Haus wohnen”, schlug Achim vor. “Bettina hat nichts damit zu tun, ich hatte es vor unserer Heirat gekauft, es gehört allein mir.”

Lena arbeitete freiberuflich als Designerin und Malerin. Alles in allem konnte sie davon leben. Sie hatte schon im letzten Sommer in der Provence malen wollen und war, Achims wegen, kaum dazu gekommen. Jetzt würde sie das nachholen können.

Dankbar hatte sie seinen Vorschlag angenommen, zumal er ihr versprochen hatte, die letzte Woche nachzukommen und ihr dann hoffentlich die gute Nachricht überbringen zu können, dass Bettina mit der Scheidung einverstanden sei. Nein, er habe noch nicht mir ihr darüber gesprochen, es sei nie der richtige Augenblick gewesen. Aber jetzt würde er es tun, ganz bestimmt …

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Lena sah schon von weitem den Mercedes mit dem deutschen Kennzeichen, der vor dem Haus parkte. Achim! Eine Welle von Freude erfüllte sie, und sie fing an zu laufen.

Aber plötzlich sah sie die grosse, schlanke, elegant gekleidete Frau, die auf dem schmalen Gehsteig vor dem Haus auf und ab ging.

Unwillkürlich verzögerte sie den Schritt. Was hatte das zu bedeuten?

Dann stand sie vor der Frau. Diese hatte ein schmales, fast hageres Gesicht. Nicht wirklich hübsch, aber mit dunklen, brennenden Augen, die hart und entschlossen blickten.

“Wollen Sie zu mir?”, brachte Lena mühsam heraus.

Die Frau musterte sie kritisch: “Sind Sie Lena Böhmer?”

“Ja. Und Sie, wer sind Sie?”

Die Frau lachte kurz und freudlos auf: “Ach ja, Sie kennen mich ja nicht. Ich bin Bettina Garde, Achims Frau.”

Plötzlich schnürte ein schrecklicher Gedanke Lenas Herz zusammen: “Achim … es ist ihm doch nichts passiert?”

Bettina lächelte schmal: “Da kann ich Sie gleich beruhigen, Fräulein Böhmer. Es ist ihm nichts passiert. Ich meine nur, dass es Zeit wird, dass wir miteinander sprechen. Darf ich hineinkommen?”

“Natürlich, selbstverständlich.”

Lenas Hand zitterte, als sie die Tür aufschloss. “Bitte, treten Sie ein.”

Bettina Garde sah sich aufmerksam um. Ihr Blick fiel auf das Bild, das Lena an diesem Morgen gemalt hatte.

“Sehr hübsch”, meinte sie. Dann liess sie sich in einen Sessel nieder und schlug langsam ihre langen, schlanken Beine übereinander.

“Möchten Sie etwas trinken?” fragte Lena, die verzweifelt versuchte, Zeit zu gewinnen, um ihre Gedanken zu ordnen.

“Danke, ich habe keinen Durst.” Wieder sah sie sich um: “Es ist das erste Mal, dass ich hierher komme. So sieht es also aus, Achims Liebesnest.”

Es klang verächtlich, wie ein Schimpfwort, und Lena wollte auffahren, aber Bettina brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen: “Oh, es ist nicht das erste Mal, dass er mich betrügt. Aber es ist das erste Mal, dass er sich scheiden lassen wollte.”

Wollte? Warum wollte? Lena fühlte sich elend, enttäuscht – und auch schuldig. “Weiss Achim, dass Sie hier sind?” fragte sie.

Wieder dieses schmale Lächeln: “O ja, er weiss es.”

“Achim und ich, wir lieben uns, und er hat mir gesagt, dass Sie …” Sie wollte sich rechtfertigen und schwieg, weil sie nicht weiter wusste. Hatte Achim ihr die Wahrheit gesagt?

“Sie sind so jung”, sagte Bettina mit einem kleinen Seufzer. “Sie kennen Männer wie Achim nicht. Männer, die das Geld wollen, die Macht. Er hat nicht mich geheiratet, sondern mein Geld. Es war von Anfang an eine Interessengemeinschaft. Ich bekam den Mann, den ich wollte – und er das nötige Kapital, um ein Unternehmen aufzubauen.”

Sie stockte, stand auf, ging zum Fenster und sah hinaus. Leise, fast wie zu sich selbst, sagte sie: “Ja, ich liebe Achim. Ich kann nicht ohne ihn leben.”

Dann wandte sie sich wieder um. Ihr Ton war erneut fest und bestimmt, als sie fortfuhr: “Ich werde Achim nie freigeben. Selbst wenn er mich betrügt; ich habe gelernt, damit zu leben. Einer Scheidung werde ich, wenn überhaupt, nur unter bestimmten Bedingungen zustimmen. Meinen Bedingungen. Das heisst, dass ich mein Kapital aus der Firma ziehe, und das würde das Ende des Unternehmens bedeuten. Achim weiss das. Und das Unternehmen ist sein Lebensinhalt, er lebt nur dafür!”

“Sie irren sich!” Lena war totenblass und den Tränen nahe. “Diesmal ist es ihm bestimmt egal!”

“Es ist ihm nicht egal. Der Beweis: Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass es keine Scheidung geben wird.”

“Sie lügen. Achim ist nicht so … so interessiert. Dieses Haus, das er gekauft hat, ehe er mit Ihnen verheiratet war, ist alt und einfach, und er kommt immer noch gern hierher.”

Bettina lächelte: “Natürlich. Hier lebt er inkognito, und hierher kann er seine kleinen Freundinnen einladen.”

“Sie … Sie sind teuflisch. Und Sie behaupten, ihn zu lieben!” Lena spürte einen unerträglichen Schmerz.

“Ja, ich liebe ihn. Und jeder verteidigt das, was er liebt, mit allen Mitteln.”

“Aber warum sagt Achim mir das nicht wenigstens selbst?”

“Weil er feige ist, wie die meisten Männer”, seufzte Bettina, und es klang etwas traurig. “Solche unangenehmen Dinge muss ich immer für ihn erledigen.”

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“Ich möchte Achim anrufen”, verlangte Lena plötzlich.

“Bitte. Ich nehme an, dass es hier ein Telefon gibt.”

Lena ging zum Apparat, hob den Hörer ab und fragte kleinlaut: “Könnten Sie mir die Nummer sagen? Achim wollte nie, dass ich ihn anrufe.”

Bettina nahm ihr den Hörer ab: “Er ist in der Firma. Ich werde selbst anrufen, für den Fall, dass die Sekretärin Sie nicht durchstellt.”

Sie wählte rasch die Nummer, wechselte ruhig ein paar Worte mit der Sekretärin und winkte dann Lena heran: “Jetzt sind Sie an der Reihe. Ich gehe solange nach draussen.”

“Achim? Ich bin’s, Lena.” Ihre Stimme zitterte.

Schweigen. Dann kam es zögernd: “Ach, du bist es …”

“Sag, dass es nicht stimmt”, bat sie verzweifelt.

“Was nicht stimmt?”

“Achim, deine Frau ist hier!”

“Ihr habt also miteinander gesprochen?”

Er wusste tatsächlich Bescheid. Tiefe Mutlosigkeit erfüllte sie.

“Ich wollte es nur aus deinem Mund hören: Du willst dich also nicht mehr scheiden lassen?”

“Lena, verzeih mir. Dieses Mal war es mir wirklich ernst, aber …”

Ihr Arm sank herunter. Leise legte sie den Hörer auf die Gabel zurück. Sie hatte genug gehört.

“Glauben Sie mir jetzt?” Bettina war zurückgekommen, stand in der Tür.

Lena nickte und stammelte: “Selbstverständlich ziehe ich sofort hier aus.”

Bettina lächelte ihr kurz zu: “Lassen Sie sich Zeit. Es eilt wirklich nicht.”

Sie trat vor das Bild und meinte: “Achim hat Recht, Sie sind eine sehr gute Malerin. Würden Sie mir das Bild verkaufen? Für, sagen wir mal, 20.000 Euro?”

Lena fuhr herum: “Soll das so etwas wie eine Abfindung sein? Es tut mir leid, aber das Bild ist nicht verkäuflich.”

“Wie Sie möchten, Fräulein Böhmer. Dann haben wir uns wohl nicht mehr zu sagen. Adieu!”

Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss, und einen Augenblick später hörte Lena sich entfernendes Motorengeräusch.

Sie wusste nicht, wie lange sie schmerzerfüllt und tränenblind zusammengekauert in der Sofaecke gesessen hatte. Schliesslich ging sie nach oben, um zu packen. Nein, sie würde nicht eine Nacht länger hier bleiben. Das Seltsame war: Vorhin hatte sie Bettina noch gehasst, jetzt spürte sie eher Mitgefühl für diese Frau.

Wie kam es nur, dass sie selbst die Anzeichen nicht längst richtig gedeutet hatte? Die verschwiegenen Landgasthäuser, damit Bettina nichts merkte. Achims Zögern, seine Frau um die Scheidung zu bitten …

Es klopfte unten an die Tür, und Lena zuckte zusammen. Wer mochte das sein? Sie wollte jetzt niemanden sehen, niemandem gegenübertreten müssen.

Ein Mann stand da. Er mochte Anfang Dreissig sein, trug einen Jogginganzug und lachte über das ganze Gesicht: “Sind Sie Mademoiselle Böhmär?” fragte er auf Deutsch.

Gleich darauf fragte er erschrocken: “Hab ich etwas Dummes gesagt? Sie weinen ja!”

Lena putzte sich geräuschvoll die Nase. Als sie sicher war, sprechen zu können, ohne gleich wieder loszuheulen, beruhigte sie ihn: “Ich weine nicht Ihretwegen. Sie sind sicher Martäng Brinkmahn? Der nette junge Mann, der zehn Kilometer weit laufen würde für Monsieur Boileaus Croissants?”

Er war etwas verlegen: “Ich möchte Sie aber nicht stören, ich wollte nur endlich meine Landsmännin kennenlernen, von der Madame Boileau mir jeden Tag etwas vorschwärmt. Sie sollen wunderbare Bilder malen!”

Lena musste trotz ihres Kummers lachen: “Aber Madane Boileau hat nie ein Bild von mir gesehen!”

“Wussten Sie nicht, dass diese Dame Röntgenaugen hat? Und ein goldenes Herz dazu?”

“Möchten Sie hereinkommen?”

“Danke, wenn ich wirklich nicht störe.”

Sie standen sich jetzt gegenüber, und seine klugen grauen Augen hinter den Brillengläsern ruhten so aufmerksam und warm auf ihr, dass ihr erneut die Tränen in die Augen stiegen.

“Nicht weinen”, bat er behutsam. “Hat Ihr Kummer … etwas mit Achim Garde zu tun?”

“Sie kennen ihn?”

Er zögerte. “Flüchtig. Ich komme seit Jahren hierher, wenn ich Ruhe zum Schreiben brauche. Wir sind uns ein paarmal begegnet. Er ist ein sehr … zwielichtiger Mann. Wenn Sie meinen Rat wollen: Lassen Sie die Finger von ihm.”

“Es ist aus”, erwiderte sie. “Seine Frau war gerade hier. Achim hatte mir versichert, dass seine Ehe längst nur noch auf dem Papier bestehe, aber Bettina Garde schien nicht dieser Ansicht zu sein. Es wird keine Scheidung geben.”

“Es ist besser so, glauben Sie mir.”

Sie senkte den Kopf. “Ich bin in eine Ehe eingebrochen, und das werde ich mir nie verzeihen.”

“Wenn man diese Lebensgemeinschaft überhaupt eine Ehe nennen kann. Eine glückliche ist es bestimmt nicht”, erwiderte Martin, der mehr zu wissen schien, als er zugeben wollte.

“Und was machen Sie jetzt?” fragte er.

“Ich werde abreisen.” Mit dem Versuch zu scherzen fügte sie hinzu: “Mein Bilderzyklus über die Provence wird wieder nicht fertig.”

“Ich wüsste eine Lösung. In meinem Haus ist genug Platz, und …”

Sie sah ihn starr an. Dieses Angebot erinnerte sie in unerträglicher Weise an Achim Gardes Vorschlag. “Haben Sie Ihr Haus auch so freundlich meinen … Vorgängerinnen, die es hier gegeben haben soll, zur Verfügung gestellt?” platzte sie böse heraus.

Er sah sie so verdattert an, dass die sarkastische Bmerkung ihr schon leid tat.

“Ich wollte Sie nicht verletzten. Verzeihen Sie bitte. Ihren ‘Vorgängerinnen’ bin ich nie begegnet, und Madame Boileau hat auch nie über sie gesprochen. Die Menschen hier sind nicht indiskret. Nur sie hat Sie ins Herz geschlossen, und deshalb …” Er schwieg hilflos.

Jetzt war sie es, die ihn aufmerksam musterte. Nein, er war kein Aufreissertyp, eher verletzbar – und sehr sympathisch. Sein Blick war gerade, aufrichtig. Jetzt fiel ihr auch der Unterschied zu Achim auf, dessen Augen ihr so oft ausgewichen waren.

Sie lächelte ihm entschuldigend zu: “Ich würde Sie beim Schreiben stören.”

“Mein Buch ist fertig. Ich habe das Manuskript heute zur Post gebracht. Und jetzt mache ich ein paar Tage Ferien, ehe ich nach Deutschland zurückfahre.”

“Ja dann – dann schlage ich einen Kompromiss vor. Ich suche mir ein Hotelzimmer hier in Maussane. Es dürfte doch jetzt, in der Vorsaison, nicht schwierig sein, eins zu bekommen.”

“Darf ich das für Sie erledigen? Madame Boileaus Schwester hat ein kleines Hotel ganz in der Nähe. Ich bin sicher, dass sie ein Zimmer für Sie hat.”

“Gute Idee”, stimmte sie zu.

“Darf ich Ihnen gleich morgen beim Malen zusehen?”

“Dazu müssen Sie aber früh aufstehen”, neckte sie ihn.

“Kein Problem”, grinste er nett. “Und was kann ich noch für Sie tun? Ihnen vielleicht beim Packen helfen?”

“Das möchte ich gern allein tun. Ein bisschen Zeit brauche ich noch, um zu begreifen, was mir da mit Achim Garde widerfahren ist. Können Sie das verstehen?”

“Das kann ich”, nickte er ernst.

“Mögen Sie in zwei oder drei Stunden wiederkommen?”

“Ich werde da sein”, versprach er.

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Während Martin zum kleinen Hotel ging, sprach er ein paarmal laut Lenas Namen aus. Lena Böhmer. Gab es Liebe auf den ersten Blick? Er hatte nie so recht daran geglaubt, aber jetzt fühlte er sich glücklich, wie beschwingt. Dabei hatte er die ganze Zeit den Kopf geschüttelt über Madame Boileau. Sie hatte ihn genervt mit ihrer Begeisterung über Mademoiselle Böhmär. Er hatte der jungen Frau nur seine ‘Aufwartung’ gemacht, weil ein beendetes Buch ihn immer in euphorische Stimmung versetzte. Und ein klein bisschen auch aus Neugierde.

Jetzt leistete er der netten Bäckerin Abbitte. Eines Tages, hoffte er, würden Lena und er zusammen ihre Croissants, Baguettes und den köstlichen Kuchen bei ihr holen. Wie würde sie sich da freuen!

Lena ihrerseits ging nachdenkllich wieder die Treppe hinauf, um weiterzupacken. Überrascht stellte sie fest, dass es ihr schon viel besser ging. Hatte das etwas mit diesem Martin Brinkmann zu tun? Sie wollte noch nicht weiter als an Sympathie und Freundschaft denken, aber eine innere Stimme gab ihr ein, dass ein Frühling in der Provence einfach nicht traurig enden konnte …

ENDE


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