Die Pressevielfalt und die Gleichschaltung

Deutschland ist heute froh über seinen Meinungs- und Medienpluralismus. Mensch, wir haben doch Pressefreiheit, hört man oft die Leute durchatmen. Gut, nicht alles läuft richtig, aber eine Lügenpresse haben wir fürwahr nicht zu ertragen. So einfach können wir es uns nicht machen. Wenn es denn überhaupt mal eine Lügenpresse gegeben hat, dann war es die, die die braunen Jahre dieses Landes begleitete. Aber selbst das ist nicht ganz so einfach.
Die Pressevielfalt und die GleichschaltungIch erinnere mich nämlich an Sebastian Haffner, wie er in »Von Bismarck zu Hitler« die Medienlandschaft in den Jahren von 1933 bis 1938 skizzierte. Eine totale Gleichschaltung schloss er aus. Man habe wahrscheinlich die Kriegspropaganda der späteren Jahre vor Augen gehabt und angenommen, dass es vorher in Nazi-Deutschland schon genauso war. Laut Haffner war es aber so nicht. Pressevielfalt gab es da durchaus noch, »wer die Frankfurter Zeitung las, der bekam die Dinge in ganz anderem Ton und Stil dargestellt als jemand, der den Völkischen Beobachter las.« Zeitungsleser hatten nicht etwa nur die Wahl zwischen identischen Zeitungen mit verschiedenen Namen gehabt. Jede Zeitung pflegte ihren Stil. Und wer die antisemitischen Tiraden des »Stürmer« nicht mochte, las eben eine andere Zeitung, die das Antisemitische ziemlich heraushielt.

Eine softe Gleichschaltung hat es natürlich schon gegeben. Goebbels setzte zwar nicht die Agenda, gab aber Richtlinien und die Sprachregelung vor. Nicht jede Kleinigkeit wurde vom Propagandaministerium bis ins Detail geplant. Auch der zeitungseigene Stil sollte unbedingt beibehalten werden. Aber welche Nachrichten unterdrückt oder unauffällig bleiben sollten, darüber wurde ich Zusammenkünften befunden. Eher selten diktierte man den Redaktionen Leitartikel ins Blatt. Man legte wert darauf, dass ein Bild von Vielfalt herrschte. Und man wusste, dass der ehemaligen Wähler der Sozialdemokraten einen anderen Stil bevorzugte, als der SA-Schläger von einst. Nicht alles durfte sich daher so anhören, als habe es Julius Streicher diktiert. So hätte man an Glaubwürdigkeit und Rückhalt verloren. Das Volk musste behutsam bei Laune gehalten werden. Behutsam und milieuspezifisch.
Haffner nannte das eine »fast genial zu nennende Form der Manipulation«. Sie war beileibe nicht total, aber doch so, dass man das Resultat erhielt, das man wollte: Ein Volk, das Meldungen erhielt, die nicht besorgten, während es noch glaubte, es habe die Wahl zwischen verschiedenen Interpretationen des Geschehens: Das war der ganze Trick. Das war auch der Grund, warum die Masse kaum merkte, wie sie eingelullt wurde. Sie wähnte sich ja noch im Pluralismus der Anschauungen.
Insofern ist es schon ein bisschen bequem, wenn man heute so tut, als sei die Gleichschaltung ein Akt gewesen, der mit gnadenloser Eintönigkeit in ganz engen Rastern gehalten wurde. So lief es nicht ab. Aber die Vorstellung ist praktisch, weil dann die heutigen Ansätze von medialer Anpassung und Abstimmung aussehen, als hätten sie mit den damaligen Prozessen nichts gemein. Manches davon ist sich aber gar nicht so unähnlich. Es ist einfach nur Anpassung, sich der Macht unterwerfen und dabei so ein bisschen interpretatives Alleinstellungsmerkmal bewahren. Nichts wiederholt sich. Aber vieles wirkt manchmal ein bisschen ähnlich.
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