Die Pressekonferenz von Manuel Charr – viel Sonne und viele offene Fragen

Von Betker

Am 15. August 2012 lud Manuel Charr zu einer Pressekonferenz in das kölner Fußballstadion, das frühere Müngersdorfer Stadion, ein. Auf dem Spielfeld vor einer Stellwand, auf der die Namen der Sponsoren prangten, waren eine Reihe Tische und ein paar Reihen Stühle sowie noch ein paar Stehtische aufgebaut. Der ungeschlagene Schwergewichtler Manuel Charr (21 Kämpfe, 21 Siege, 11 durch KO) hatte die Pressevertreter eingeladen, um noch einmal für sich und seinen Kampf gegen den amtierenden WBC Weltmeister Vitali Klitschko (46 Kämpfe, 44 Siege, 40 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) am 08. September 2012 in Moskau Werbung zu machen.
Immer wieder betonte Charr seine Entschlossenheit, Weltmeister zu werden. „Ich werde mein Allerbestes geben, um euch und mein Team glücklich zumachen.“ Er müsse auch gegen Klitschko gewinnen, so erklärte er, weil er seiner Mutter eine neue Einbauküche versprochen hätte. Seine Entschlossenheit, alles für seinen sportlichen Erfolg zu tun, habe er bereits in der Vergangenheit unter Beweis gestellt. Als Beleg legte er dann noch einen Vertrag vor für einen Kampf gegen Ruslan Chagaev. Daraus war zu entnehmen, dass er für den Kampf keine Börse bekommen sollte, sondern sogar noch die Börse seines Gegners bis zu 20.000 Euro hätte tragen müssen. – Der Kampf hätte im Mai dieses Jahres in Göppingen stattfinden sollen.
Wortgewaltig, eloquent und witzig resümierte Charr seine Karriere und erklärte, warum er die Zukunft im Schwergewicht darstelle und Vitali Klitschko die Vergangenheit. Er zeichnete seinen Weg nach, der ihn nach nur 10 Amateurkämpfen zu einem Profivertrag bei Sauerland Event über 5 Jahre führte. Von dort ging sein Weg weiter zu Universum Box-Promotion und zu Sturm Box-Promotion.
Diese letzte Station, nämlich Sturm Box-Promotion, bevor er sich selbstständig machte, schien die ganze Pressekonferenz zu überschatten – leider nur ein imaginärer Schatten, denn die ganze Zeit in der prallen Sonne zu sitzen bzw. zu stehen war wirklich kein Vergnügen. Zeitgleich mit dieser Pressekonferenz in der Sonne fand nur wenige Kilometer entfernt im Gym von Felix Sturm (41 Kämpfe, 37 Siege, 16 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO, 2 Unentschieden) noch eine andere Pressekonferenz statt, in der Sturm für seinen Titelvereinigungskampf mit dem IBF Weltmeister Daniel Geale (28 Kämpfe, 27 Siege, 15 durch KO, 1 Niederlage) am 01. September 2012 in Oberhausen warb.
Um es positiv auszudrücken: Sturm und Charr hatten sich offensichtlich nicht miteinander abgestimmt. Diamondboy Promotion, die Veranstaltungsfirma von Charr, verkündete, sie hätten einen Tag vor Sturm die Einladungen an die Presse verschickt. Es könnte hier aber auch der Eindruck entstehen, es wollten hier zwei Kontrahenten einen Wettkampf führen um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.
Zwischen Sturm und Charr gibt es wohl eine Verbindung, die auf absehbare Zeit nicht auflösbar ist. Charr fasste den Grund für die Trennung von Sturm in die poetischen Worte: „ Sturm wollte in die Berge und ich wollte in die Sonne.“ Aber es scheint doch eher so zu sein, dass Charr nicht von Sturm lassen kann. Sein Gym befindet sich in unmittelbarer Nähe zu Sturm in Köln. Auf die Frage, warum er sich gerade an diesem Ort auf den bevorstehenden Kampf vorbereiten will, antwortete er: „Das Moderne passt nicht zu mir.“ Er argumentiert damit, dass die ehemalige Fleischerhalle, die ihm bis zum Ende des Jahres kostenlos zur Verfügung gestellt wird, zu ihm passe. Dies alles sei ein „riesen Spaß“.
Dennoch drängt sich mir die Frage auf, warum Charr sich auf den wichtigsten Kampf in seiner Karriere nicht in einem schon bestehenden Gym vorbereitet. Denn in die Fleischerhalle, in der er jetzt trainiert, passt nur ein Flach- und kein Hochring. Flachringe sind aber nun mal kleiner als normale Ringe. Von außen betrachtet könnte man da schon auf die Idee kommen, es ginge Charr und seinem Cheftrainer Clive Salz, der früher auch Sturm trainierte, in erster Linie diesem etwas beweisen wollen, mit ihm noch eine Rechnung offen haben.
Man kann sich außerdem fragen, ob es sportlich Sinn macht, immer neue Trainer kurz vor einem entscheidenden Kampf anzuheuern. Diese Woche stieß Valeri Beloy, der große russische Amateurboxtrainer zum Team. Davor war es Verdan Zakarjan, mit dem Charr schon in Hamburg bei Universum trainierte.
Bei der Pressekonferenz von Manuel Charr gab es viel Sonne und auch viele offene Frage.
© Uwe Betker