Mit vollem Tank und intakter Ausrüstung (das Reserverad ist geflickt, sogar das fehlende Teil des Wagenhebers hat der Fahrer inzwischen wiedergefunden) fahren wir in das Stück, wo die Straße noch nicht fertig ist. Der Fahrer quetscht sich geschickt an den wenigen Lastwagen vorbei, die so früh schon unterwegs sind, meistert souverän alle Wasserlöcher und Schlammgräben (es hat anscheinend in der Nacht geregnet), aber kaum sind wir wieder auf festem Asphalt, hält er an, weil das Thermometer im roten Bereich steht: Der Schlamm hat die Luftzufuhr zum Kühler verklebt. Thomas kennt sich zum Glück aus, so finden wir schnell eine Dorf-Werkstatt mit einem Kompressor, um den Schlamm zu entfernen (Foto unten). 7000 Schilling (3,50 €) sind zu zahlen, dazu kommen 500 Schilling für ein paar Bananen und 2400 Schilling für je eine Pepsi für Herrn Zenda und Thomas, eine Sprite für den Fahrer und eine Coca-Cola für mich. Br.Petro will erst dann trinken, wenn es auch etwas zu essen gibt. Das wird er noch bereuen.
Dann geht es in das zweite Schlamm-Stück. Eine lange Schlange von LKWs und Bussen steht vor uns und blockiert den Weg. Rechts ist noch eine völlig verschlammte Spur frei, auf der uns ein PKW entgegenkommt. Der Fahrer streckt den Daumen nach oben, also versuchen auch wir es dort. Bald stecken wir im Schlamm fest, es geht weder vor noch zurück. Aber zum Glück fördert die Regierung im ehemals sozialistischen Tansania seit 20 Jahren das freie Unternehmertum. Vier Männer mit zwei Schaufeln bieten ihre Dienste für 20 000 Schilling (10 €) an. Br.Petro ist empört und handelt sie auf 15 000 herunter. Dann wird unser Auto mit Schaufeln und Händen freigegraben (“Wie die Termiten”, sagt Br.Petro. Ein großer Teil der Arbeit vor den Rädern, die auf dem Foto unten zu sehen ist, war übrigens überflüssig, denn sie schieben das Auto anschließend rückwärts heraus).
Ich bin so beeindruckt, dass ich ihnen 20 000 geben will, doch Petro widerspricht mir so entschieden wie noch nie zuvor: “Die haben nur eine ganz kurze Zeit gearbeitet.” Herr Zenda verdient im Monat 200 000 Schilling, wenn man es damit vergleicht, ist der Lohn des freien Unternehmertums wirklich übertrieben. Wir sind wieder frei; unsere teuren Helfer hängen sich für ein paar Meter triumphierend hinten an das Auto (Foto), das wieder in die Hauptfahrspur einbiegt, die sich inzwischen etwas geleert hat.
Als der Fahrer mal wieder einem entgegenkommenden LKW (Foto) ausweichen muss, vergisst er den Blick aufs Thermometer, und schon spritzt das Kühlerwasser aus der Motorhaube. Aus einer der größeren Pfützen besorgen wir Nachschub, dann geht es weiter, bis zur nächsten Schlange, die wir wieder rechts überholen. Als rechts kein Platz mehr ist, kommt erneut ein freier Unternehmer auf uns zu: “Fahrt weiter, ich zeig euch den Weg. Dort hinten müsst ihr 5000 zahlen.” Meine Mitfahrer sind empört: “Erst baut die Regierung keine Straßen, und dann verlangt sie auch noch Wegezoll.” Aber es ist nicht die Regierung, die den Zoll verlangt. Der Mann lotst uns zwischen zwei LKWs hindurch auf die linke Seite der Schlange, scheucht die anderen freien Unternehmer auseinander, die dort den Busreisenden Bananen und Kekse verkaufen, läuft vor uns her, wird dann von zwei anderen Läufern abgelöst, die uns zu einer Barriere aus zwei Baumstämmen vorausrennen. Man öffnet die Barriere und führt uns mitten durchs Dorf. Rechts sehen wir, dass ein Tankwagen schräg in einer riesigen Wasserlache liegt und allen anderen den Weg versperrt. Am Ende des Dorfes gibt es eine zweite Barriere, die sich erst nach Zahlung der 5000 Schilling öffnet. Kurz danach haben wir endgültig den Asphalt erreicht, aber aufgrund der Überhitzung im Schlamm ist eine Dichtung defekt, so dass wir Kühlwasser verlieren (“Er isst Wasser”, sagt der Fahrer). Wir müssen also alle 10 bis 20 km anhalten und Wasser nachfüllen. Thomas hat sich inzwischen zu unserem Wasserwart entwickelt. Direkt nach dem Schlammstück gibt er dem Mann, der uns einen Eimer Wasser aus dem Dorfbrunnen besorgt hat, noch 500 Schilling mit der Bemerkung, “Kauf dir eine Flasche Cola” (Cola kostet eigentlich überall 600), danach bekommt ein Kind für denselben Service nur noch eine Münze (100 oder 200 Schilling), den nächsten lassen wir einfach stehen. Die Bemerkungen meiner Mitreisenden dazu sind: “Der hat gedacht, er bekommt etwas.” – “Für Wasser doch nicht !” – “Irgendwann wird auch ihm mal jemand helfen.”
Um 15 Uhr sind wir endlich in Nangurukuru, wo das freie Unternehmertum zeigt, dass es auch von funktionierenden Straßen profitieren kann: Eine Raststätte (Foto), groß genug, um die Reisenden von zwei oder sogar drei Bussen gleichzeitig zu versorgen. Außer zwei Mini-Bananen und der Cola habe ich noch nichts gegessen und bin dabei, meine gute Laune zu verlieren. Petro hat seine gute Laune schon vor einiger Zeit verloren (“Hast du schon einmal so etwas Hartes durchgemacht ?”). Das Essen (33000 Schilling für alle 5 zusammen) wirkt aber Wunder. Vor der Weiterfahrt wasche ich mir noch die Schlamm-Füße an einem Fußwaschbecken, an dem sich auch einige Busreisende tummeln. “Siehst du, es gibt einen Unterschied zwischen Europa und Afrika, jetzt weißt du es”, meint einer von ihnen mir sagen zu müssen. Auch meine Mitreisenden haben die – bekanntlich nicht ganz falsche – Vorstellung, dass die Straßen in Europa besser sind. Nach vielen weiteren Wasser-Stopps treffen wir um halb Sechs endlich die beiden Kfz-Mechaniker, die uns auf unsere telefonische Bitte hin von Ndanda aus entgegengeschickt worden sind.
Einmal noch wird der überhitzte Kühler geöffnet (Foto), dann geht es ans Abschleppen. “Bist du schon mal abgeschleppt worden, weißt du, was du da machen musst ?”, fragt der ältere unseren Fahrer und schon ergeht es diesem wie heute Morgen dem erfolglosen Jungunternehmer: Er wird von seinem Platz verdrängt und der jüngere Mechaniker übernimmt das Steuer. Die letzten 200 km bis Ndanda legen wir also im Schlepptau zurück, um halb Zehn kommen wir dort an. “Wenn es kein Essen mehr gibt, dann weine ich,” scherzt Br.Petro, aber Abt Dionys persönlich empfängt uns mit dem warmgestellten Essen.
Die Preise sinken mit zunehmender Entfernung von der Not, Teil II
Autor des Artikels : rsk6400
Zum Original-ArtikelErlebnisse eines deutschen Mönchs im Alltag auf Kuba.