Die Potemkinschen Spitäler

Von Medicus58

Die Potemkinschen Spitäler

Wir haben uns schon daran gewöhnt, dass wir in den Dingen selten noch das finden, was drinnen drauf steht.

Blutschokolade“ und „Läusejoghurt“, „Analogkäse“ und „Klebefleisch“ ringen uns nur mehr ein fälschlicherweise wissendes Lächeln am Mittagstisch ab und auch die letzten Enthüllungen über diverse Bioskandale können uns nicht mehr wirklich wundern.
Und nur die unverbesserlichsten Nerds glauben noch, dass ihr neuer Provider ihnen die angepriesenen Downloadraten auch wirklich auf’s Smartphone bringen kann.

Bei ein paar Dingen, wollen wir aber noch immer glauben, 
dass das drinnen ist, was draußen drauf steht: 

Abgestoßen von der entwürdigenden Erfahrungen in der Ordination ihres Hausarztes, der nach stundenlangem Warten den fiebernden Patienten erst recht nur „ins Labor“ oder „ins Röntgen“ schicken kann, um einen grippalen Infekt von einer bakteriellen Lungenentzündung zu differenzieren, 
pilgern nirgends so viele Menschen „ins Spital“ wie in Österreich.
Dort glauben sie die gesamte Diagnostik an einem Platz vorzufinden und einen Facharzt für jedes ihrer Probleme konsultieren zu können. 

Dieser Glaube wird noch dadurch genährt, dass die Unterscheidung der „Allgemeinen Krankenanstalten“ (nach § 2 KAKuG) in
Standardkrankenanstalten (Chirurgie + Interne Betten),
Schwerpunktkrankenanstalten und
Zentralkrankenanstalten (enthalten grundsätzlich allen dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden spezialisierten Einrichtungen
auch von der Landespolitik gar nicht so groß angesprochen wird, weil man ja den potentiellen Wählern vermitteln möchte, dass auch das kleinste Spital eben ein vollwertiges Krankenhaus darstellt.

Noch mehr nur für Spezialisten einsichtig, sind neben den
dislozierten Organisationseinheiten (die also bekannte Namen beibehalten, aber längst nicht mehr an dem Ort betrieben werden, an denen man sie wähnt, z.B.: Gottfried von Preyer’schem Kinderspital als Einrichtung des Sozialmedizinischen Zentrums Süd im Kaiser-Franz-Josef-Spital) die
Reduzierte Organisationsformen.

Während der alte ÖSG (Österr. Strukturplan Gesundheit) diese noch als
nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig (z. B. zur Abdeckung von Versorgungslücken in peripheren Regionen bzw. zur Herstellung einer regional ausgewogenen Versorgung zulässig, und wenn sie in der regionalen Detailplanung des jeweiligen Bundeslandes vorgesehen sind
definiert hat, 
sind in der (natürlich noch geheimen) aktuellen Version des ÖSG 2012 z.B. die Einschränkungen „nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig“ und „in peripheren Regionen“ dem Rotstift zum Opfer gefallen.

Das heißt also auf Klartext, die Aushöhlung dessen, was sich „der Patient“ unter einer nach außen großmäulig angepriesenen Leistung eines bestimmten Spitals vorzustellen hat, geht munter weiter.

Hieß es früher, dass eine Schwerpunktkrankenanstalt bettenführende „Abteilungen“ für z.B. Augen, HNO, Dermatologie, Kinterinterne, Neurologie, Urologie …. zu führen hat, wird das im ÖSG 2012 auf „Fachstrukturendowngesized.
Man spricht von einer „Basisversorgung“ und meint damit, dass ein akutes Krankheitsbild eine „Primärtherapie“ erhalten wird, aber ein evtl. akut erforderlicher (z.B.) neurologischer Konsiliarbefund erst am Folgetag erbracht werden kann, wenn der entsprechende Facharzt wieder im Hause vorbeischaut
Jetzt kann natürlich vieles warten, aber manches halt nicht – blöd gelaufen
Pareto Prinzip eben: http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=72332

Doch zurück zu den Reduzierte Organisationsformen bei denen allein schon durch die vorgegebenen Personalzahl eine Versorgung außerhalb der Regelarbeitszeit nicht mehr möglich ist:
DEP= Department (3 Fachärzte davon einer als Leiter)

FSP= Fachschwerpunkt (2 Fachärzte (davon einer als Leiter und einer als Stellvertreter) sowie nach Bedarf (niedergelassene) Ärzte zur Abdeckung der Rufbereitschaft).

dWK= dislozierte Wochenklinik (Leitung: Fachärztin/-arzt des betreffenden Sonderfachs, trägt medizinische Letztverantwortung, Personelle Beschickung durch Fachärztinnen/-ärzte der fachspezifischen Mutterabteilung in Personalrotation, Personelle Ausstattung in Abhängigkeit von örtlichen Gegebenheiten und regionalem Versorgungsbedarf, Sicherstellung der organisatorischen sowie medizinischen Zusammenarbeit mit Mutterabteilung).

dTK= dislozierte Tagesklinik (hier wird ab ÖSG 2012 nun in Typ 1 und Typ2 differenziert, nur möchte ich diese Glasperlenspiel dem geneigten Leser ersparen, falls bis hierher noch irgendjemand mitgelesen hat.)

Diese reduzierten Organisationsformen sind in ihrem Leistungsauftrag vorrangig auf die planbare Leistungserbringung gemäß Leistungsmatrix begrenzt vorzusehen. Für FSP und dTK muss außerhalb der Kernarbeitszeit die ärztliche Leistungsbereitschaft nur für Behandlungserfordernisse im Zusammenhang mit stationären Aufenthalten sichergestellt werden. Bei DEP und dWK ist (während der definierten Betriebszeit) außerhalb der Kernarbeitszeit die fachärztliche Abdeckung der Akutversorgung, im Fall der dWK begrenzt auf jene im Rahmen der Basisversorgung, sicher
zu stellen. Eine zeitliche Begrenzung der Betriebszeit bezieht sich im Fall von Satelliten-DEP auf die Tagesroutine inkl. Wochenende und im Fall von dWK auf die festgelegten Wochentage
.

Da mit dieser unübersichtlichen Nebelwand natürlich auch das bisherige Gefüge der Spitalsärzte zerrissen wird, muss man noch nachschieben:

Die Leiter der jeweiligen an einem KA-Standort eingerichteten fachrichtungsbezogenen Organisationsformen sind unabhängig von deren jeweiliger Ausprägung gleichberechtigt in der KA-internen Organisation.

Meine bisherige Empfehlung an Patienten war stets:

Wenn Sie wirklich krank sind, dann legen Sie sich in ein öffentliches Spital und nicht in eines der so komfortabel wirkenden "Privat- oder Belegspitäler der Goldnen Meile“, weil dort ist vielleicht das Frühstück besser und auf Meissner Porzellan, dort geben sich tagsüber „die Professoren und Belegärzte die Klinke in die Hand" aber wenn in der Nacht was passiert, läuft der Betrieb mit einem Nachtdienst versehenden praktischen Arzt, de schnell an die Grenzen seines Wissens geraten kann.

Ich denke, dass mir diese Empfehlung nicht mehr über die Lippen kommen wird, eher schon der sehr ernst gemeinte Wunsch: 
Schau’n Sie, dass sie gesund bleiben.
Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Potemkinsches_Dorf  
http://derstandard.at/2416797  
http://www.focus.de/gesundheit/ernaehrung/gesundessen/tid-15554/klebefleisch-und-co-legale-taeuschungstricks-der-lebensmittelindustrie_aid_436657.html  
http://www.focus.de/gesundheit/news/bio-skandal-gefaelschte-bio-lebensmittel-in-deutschland-verkauft_aid_693593.html